Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 234 Meinbrexen, St. Johannis 1631?

Beschreibung

Grabplatte für Georg von Spiegel. Roter Sandstein. Die Platte ist in der Kirche rechts neben dem Altar an der Ostwand angebracht. Die Inschrift A läuft erhaben in vertiefter Zeile auf der Rahmenleiste des Steins um. Im Mittelfeld die eingehauene Inschrift B in einer von Rollwerk umgebenen Kartusche, oberhalb und unterhalb davon je zwei Vollwappen ohne Beischriften. Die linke Seite des Steins ist stark abgetreten.

Maße: H.: 154 cm; B.: 79,5 cm; Bu.: 6,5 cm (A), 2,3 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis (A), Kapitalis mit Sonderformen (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/2]

  1. A

    [– – –] [1631]a) IST DER WOLEDLER / ERNVESTER · GEORGIVS · SPIGEL · PRIDIE · PASCHATOS1) · SEL/ICH IN GOT ENTSLAVEENb) / [– – –] [AUF]ER[S]TEVN[G] VORLE[H](N) WOL[LE]c)

  2. B

    SAPIENTIAE 4 CAP · DER · / GERE[C]HTE KOMPT ZUR · RUHE / DEN(N) SEIN WERCK GEFELLETd) · / GOTTd) WOL · UND · IST IHM / LIEB UND WIRD WEGGERA/FTd) AUS DEM LEBEN · UNTER DE/N SUNDERN, DAS DIE BÖSHEITe) / SEINEN VERSTAND NICHT / VERKEHRE, NOCH FALSCHE LEHREf) / SEINE SEHLE BETRIEGEd)2)

Übersetzung:

(Im Jahr) 1631 ist der wohledle, ehrenfeste Georg Spiegel am Tag vor Ostern selig in Gott entschlafen, (dessen Seele der Herr die) Auferstehung verleihen wolle. (A)

Wappen:
Spiegel3)Münchhausen5)
Rottorp4)Münchhausen5)

Kommentar

Auffallend ist die besondere Kapitalis der Inschrift B, die der auf drei weiteren Grabplatten in Meinbrexen ähnelt; vgl. Nr. 183, 233 u. 235. Das U ist wie ein retrogrades N ausgeführt; außer einem unzialen G in GERE[C]HTE, bei dem nur die Cauda, nicht aber der Bogen bis zur Grundlinie reicht, sind alle G ohne Cauda ausgeführt, so daß Formengleichheit mit dem weit offenen C besteht. Neben geschlossenem D erscheint ein offenes D, das sich spiegelbildlich zu dem G mit gerader Cauda in Inschrift A verhält. Die Cauda des R und die Schrägschäfte des K sind gebogen, die Balken des E sind gleichlang. In Inschrift A ist das O spitzoval.

Der Verstorbene ist ein Sohn des Claus von Spiegel zu Desenberg (ca. 1591–1655) und der Dorothea von Münchhausen (1597–1652), die 1618 geheiratet hatten. Wie sein Bruder Fritz Hilmar wird er in der Familiengeschichte der Spiegel als jung verstorben erwähnt. Die Bibelverse (B) bestätigen, daß hier über einen frühen Tod Trost gesucht wird. Die mütterlichen Großeltern waren Hilmar (1558–1617) und Dorothea von Münchhausen (1568–1624), die aus einer anderen Linie des Geschlechts stammte.6) Der väterliche Großvater Friedrich von Spiegel (ca. 1552–1620) war seit 1585 mit Elisabeth von Rottorf (Rottorp) verheiratet, die aus einem mindenschen Adelsgeschlecht stammte.7)

Die Angabe der Spiegelschen Familiengeschichte, daß Claus von Spiegel zusammen mit seinem Schwager Heinrich Hilmar von Münchhausen (1586–1635) zeitweise Pfandinhaber von Meinbrexen gewesen sei, ist wahrscheinlich unzutreffend; 1637 wurden Heinrich Hilmar von Münchhausen und seine Brüder mit Meinbrexen belehnt.8) Die Verbindung der Familien Spiegel und Münchhausen war dennoch eng. Der Vetter des Claus von Spiegel, Georg von Spiegel (1582–1627), Pfandinhaber von Lauenförde, war mit Elisabeth von Münchhausen (1591–1654), einer Schwester der Dorothea von Münchhausen, verheiratet. Elisabeth von Münchhausen mußte sich während des Krieges mehrfach vom Stammsitz ihres Mannes, dem paderbornischen Schwenkhausen, nach Meinbrexen flüchten.9) Dasselbe dürfte für die Eltern des Verstorbenen gelten, der vermutlich deshalb in Meinbrexen beigesetzt wurde.

Textkritischer Apparat

  1. [1631]] Die erste Ziffer unkenntlich, 6 und 3 noch recht gut zu erkennen, die 1 an vierter Stelle unsicher.
  2. ENTSLAVEEN] Die letzten Buchstaben (LAVEEN) nicht mehr im Relief erhalten.
  3. Reliefierung der Buchstaben der vierten Zeile nur noch in Resten erhalten.
  4. Kapitales G ohne Cauda, das wie ein kapitales C erscheint.
  5. BÖSHEIT] I im Rahmen, T außerhalb des Rahmens; lange, rechtsschräge Umlautstriche über dem kleineren O.
  6. LEHRE] H auf dem Rahmen der Kartusche, RE außerhalb des Rahmens.

Anmerkungen

  1. Am Tag vor Ostern: 1631 der 9. April.
  2. Wsh. 4,7 u. 10–11; mit Abweichungen von der Luther-Bibel (Ausgabe von 1545) bei Vers 7; der Anfang von Vers 11 (und wird hingerückt) fehlt hier.
  3. Wappen Spiegel (drei runde Spiegel 2:1). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 119; Bd. 2, Tafel 301.
  4. Wappen Rottorp (drei halbe Kammräder 2:1); hier: ein aufrechtes halbes Kammrad. Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 108; Bd. 2, Tafel 270.
  5. Wappen Münchhausen (Mönch). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 7 u. Tafel 6.
  6. Spiegel, Geschichte der Spiegel, Bd. 2, S. 372. Vgl. Stammtafeln Münchhausen, S. 114–116 u. 144.
  7. Vgl. Spiegel, Geschichte der Spiegel, Bd. 2, S. 360 u. 365f.
  8. Ebd., S. 372. Vgl. Stammtafeln Münchhausen, S. 140 mit S. 115.
  9. Vgl. Rorig, 650 Jahre Lauenförde, S. 46f.; dort allerdings mit falschen Altersangaben zu Elisabeth von Spiegel in der Zwischenüberschrift. Rorig schreibt die Grabplatte in Meinbrexen irrtümlich dem Onkel des Verstorbenen, dem o. g. gleichnamigen Pfandinhaber von Lauenförde zu; ebd., S. 46.

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 234 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0023400.