Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 83: Landkreis Holzminden (2012)
Nr. 219A Polle, Postgasse 4 1623
Diese Katalognummer ist ein Nachtrag und liegt nur in der Onlinefassung vor.
Beschreibung
Haus. Fachwerk. Inschriftenbalken, vermutlich vom Torsturz der früheren Einfahrt, auf deren Ständern sich noch Reste eines geschnitzten Schmuckes finden. Der zweimal wiederverwendete Balken wurde 1988 bei Renovierungsarbeiten entdeckt und später zwischen Diele und Stube als Ständer verbaut. Der Balken stammt aus der dendrochronologisch bestätigten Bauzeit der ältesten Teile des schmucklosen Kleinkötnerhauses. Bei der erstmaligen Wiederverwendung war er links (heute oben) und unten (heute links) beschnitten worden, wodurch am Anfang und in der zweiten Zeile Textverluste entstanden. Die Inschrift vertieft in zwei Zeilen; von der zweiten Zeile mit der Jahresangabe ist nur noch das oberste Viertel der Buchstaben erhalten.
Das ursprünglich als Durchgangsdielenhaus gebaute Haus ist heute an der Giebelseite sechs Gefache breit. Die beiden mittleren Gefache mit der aufgemalten Rekonstruktion des Durchgangstores mit breiten Ständern; die beiden äußeren Gefachpaare weisen eigene Ständer auf, zu denen jeweils ein schmaler Abstand besteht. Auf dem neueren, den Sturz ersetzenden Balken und dem auf diesem aufsetzenden mittleren Ständer wurde 1988 die rekonstruierte Inschrift leicht verändert erneut angebracht.1) Auf dem linken Ständer der früheren Tordurchfahrt in Höhe des mittleren Obergeschoßbalkens eine vertiefte Hausnummer (NO 64) aus der Zeit der Durchnumerierung der Häuser (ab Mitte des 18. Jahrhunderts), vor der neuen Inschrift eine weitere, erhaben geschnitzte Hausnummer (NO 7) und eine Hausmarke, die die Schmuckformen an den Ständern nachbildet. Mit dem N der ersten Hausnummer beginnend verläuft auf dem linken Ständer senkrecht nach unten eine weitere moderne Inschrift von 1988, die in derselben Höhe auf dem mittleren und dem rechten Ständer des Mittelteiles fortgesetzt wird.2)
Maße: H.: ca. 200 cm; B.: ca. 18 cm; Bu.: ca. 9 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
[– – –]ICHa) IOHAN KNECHTb) · MARGRETA TRVWEN · / ANNO 16[2]3c)
Textkritischer Apparat
- [– – –]ICH] Der Bogen des C schließt an den Schaft des H an. Mögliche Ergänzungen sind z. B. [ER]ICH (vgl. Anm. 1) oder [HENR]ICH bzw. [HEINR]ICH.
- IOHAN KNECHT] Neumann liest JOHANKNECHT; zwischen N und K aber ein erkennbarer Abstand, ähnlich wie vor IOHAN und vor dem Nachnamen der Frau.
- ANNO 16[2]3] Die Lesung steht mit Ausnahme der 2 aufgrund des erhaltenen oberen Viertels der Buchstaben außer Frage; vom Befund her wäre statt einer spitzen 2 auch eine 7 denkbar; die Entscheidung fällt aufgrund des dendrochronologischen Befundes (vgl. den Kommentar) zugunsten der 2.
Anmerkungen
- · ERICH JOHANKNECHT · // 20. Apr(il) ANNO // 1623 · MARGRETA TRVWEN · Die Ergänzung des Vornamens erfolgte als kürzestmögliche aus Gründen der Symmetrie und der Platzersparnis; die Tagesangabe ist der Hochzeitstag des Bauherrn von 1988, Siegfried Neumann! Vgl. Neumann, Textkonvolut, S. 109.
- NIHIL // EX // NIHILO: ‚Aus dem Nichts entsteht nichts‘. Vgl. ebd. und die Photos S. 117f.
- Neumann, Textkonvolut, S. 108–111.
Nachweise
- Siegfried Neumann (37647 Polle, Postgasse 4), Textkonvolut, bestehend aus Fotokopien historischer und heimatgeschichtlicher Literatur (einschließlich der Polle betreffenden Artikel aus DI 83) und eigener Ausführungen des Autors, entstanden im Dezember 1991, überarbeitet Dezember 1998 und August 2012 (vgl. S. 9); Spiralheftung und handschriftliche Paginierung. Hier S. 108 u. 112–116 (Gesamt- u. Detailphotos).
Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 219A (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k00219a0.
Kommentar
Dendrochronologische Untersuchungen haben gezeigt, daß die ältesten Teile des Hauses mit Stämmen gebaut wurden, die im Winter 1622/23 gefällt wurden. Eine Familie Johanknecht ist in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Brevörde ansässig, nicht aber in Polle.3)