Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 212 Halle, St. Petri 1620

Beschreibung

Gemälde. Öl auf Holz. Darstellung des Letzten Abendmahls, Rest eines hölzernen Altaraufsatzes im Renaissancestil aus der 1879/80 abgebrochenen früheren Kirche; zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschädigt in der Sakristei abgestellt. Die Jahreszahl 1776 unter dem Giebel des heute verlorenen Schmuckrahmens belegte eine frühere Erneuerung.1) Heute in einem schlichten schwarzen Rahmen. Im Hintergrund ist durch eine geöffnete Tür die Fußwaschung zu sehen, daneben ist hinter einem geschlossenen Fenster das Geschehen im Garten Gethsemane angedeutet. Vorn rechts ist Judas zu sehen, mit einem Beutel auf dem Schoß und einer zum Geldempfang nach hinten ausgestreckten Hand. Unterhalb der Darstellung des Letzten Abendmahls in einer Rollwerkkartusche auf zwei Spalten verteilt die gemalte Inschrift A, hell vor rotem Hintergrund; in der ersten Zeile beider Spalten sind die Buchstaben größer und die Versalien aufwendiger gestaltet. Zwischen den Spalten zwei achtstrahlige Sterne als Worttrenner. Das Gemälde trägt auf der Rückseite die gemalte Stifterinschrift B, schwarz auf Holz, ursprünglich wohl auf einem weißen Untergrund, der nur noch in Resten zu erkennen ist, mit einem doppelten Renovierungsvermerk aus dem 20. Jahrhundert.2) In (B) Ornamente am Anfang und Ende der ersten Zeile sowie als Worttrenner.

Maße: H.: 126,5 cm; B.: 110 cm; Bu.: 1,4 cm (A, erste Zeile), 0,9 cm (A), 2,1 cm (B).

Schriftart(en): Fraktur.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/3]

  1. A

    Unser Here Jhesus Christusa) / in der nacht da ehr vurraten wart, nam ehr das / Brodt, danckede, vnd brack es, vnde gaff idt seinen / Junger, vndt sprach, nemet hin vndt esset, das ist mein / Leib, das vor euch gegeben wirt, solckes duth zu / meiner gedechtenisse // Dessulben geleigenb) nam ehr den / kelck, nach dem abentmale, danckede, vndt gaff / es den, vnd sprach, nemet hin, vndt trinket alle / dar auss, disser kelck ist das neiie testament in meinem / blut, das vur euch vorgossen wirt, zu vorgevinge der / Sunde, solkes dut so offt ihrsc) drinket, solkesc) dut zu mein=/em gedechnisse3)

  2. B

    · Zu dieser Tafel haben ihn died) ehre Gottes gegeben · / Gabriel von Schneien S(elig) erben durch befordrung / Joh(ann) v(on) Raven patriotene) ihnd) Eimbecke4) 20 . daler / Bruno Bartling Amptman zu poppenborgk 12 daler / Andreas Siebehartf) Ambtman zu [.]ellingrhuseng)5) 2 . daler / Hans Schrader Hogreff6) dises ortz 5 . daler / Mangnus Sprangeh)7) Pastor. 5 daler / krügeri) zu poppen[b]urchk . 1 . daler / Hans Potze 5 . daler · / Carl Seilmeyer · 3 daler · / Harmen Loges zu Tucffelt j)8) 3 daler · / Hinrich Müller Nielbstk) 2 daler / Harmen Dörris . 1 daler / Die Hilmersche . S(elig) 1 daler · / 16 · 20 ·

Kommentar

An Inschrift A fällt die Gestaltung von Christus auf: Die schlichten Versalien Ch lassen durch den Gegensatz zu den aufwendig verzierten Frakturversalien der ersten Zeile den Namen des Erlösers hervortreten. Die u sind mit Häkchen überschrieben. Inschrift B ist durch die Restaurierungen von 1947 und 1976 besonders stark überformt, wobei der daran beteiligte örtliche Malermeister irrtümlich von einer Stiftung für Halle ausgegangen ist und Orts- und Personennamen entsprechend dieser Erwartung überformt hat.

Die Inschrift A zeigt sprachlich starke niederdeutsche Einflüsse, die sich an Formen wie vurraten, gaff, idt, geleigen, neiie, vorgivinge und an der Verwendung von -ck für ch zeigen; auch heißt es sowohl zu meiner als auch zu meinem Gedächtnis.

Seit dem Beginn des letzten Viertels des 16. Jahrhunderts finden sich in Norddeutschland zahlreiche Beispiele für die Anbringung der Einsetzungsworte zum Abendmahl auf Altarbildern.9) Das Bild geht auf eine häufig kopierte Vorlage des Niederländers Peter de Witte (Candid) zurück, die J. Sadeler nach 1588 gestochen hat.10) Offenbleiben muß die Frage, für welche Kirche der Altaraufsatz, der sich 1751 auf jeden Fall in Halle befand,11) ursprünglich angefertigt wurde. Die Stifterinschrift weist nicht nach Halle.

Von den Stiftern, die insgesamt 60 Taler aufgebracht haben, haben die Erben des Gabriel von Schnehen, der in Göttingen ein großes Haus besaß,12) offenbar den Transport des Altarretabels bezahlt, das demnach in Göttingen angefertigt worden sein könnte. Johann (von) Raven aus der Einbecker Patrizierfamilie hat mit 20 Talern den größten Betrag übernommen.13) Die weiteren Stifternamen verweisen auf das Amt Poppenburg (bei Nordstemmen, Lkr. Hildesheim) und dessen nähere Umgebung, insbesondere das Kloster Wülfinghausen mit Klosteramtmann Andreas Eckhardt.5) Der Amtmann Bruno Bartling wird in der Literatur nicht genannt;14) es hat ihn aber gegeben. Von der bischöflichen Regierung in der Frühphase des Dreißigjährigen Krieges aus Poppenburg verdrängt, berichtet er 1625 aus Hameln an die Geheimen Räte in Hannover über einen Sachverhalt im Amt Poppenburg.15) Der Name des Pastors läßt sich leider aufgrund der erheblichen Übermalungen nicht sicher identifizieren; in Frage kommt vor allem Henningus Steiner, der von 1608 bis vor 1632 in Brünnighausen (Lkr. Hameln-Pyrmont) amtierte.7)

Textkritischer Apparat

  1. Christus] Ch nicht in Fraktur: C Kapitalis, h in humanistischer Minuskel.
  2. geleigen] Möglicherweise fehlrestauriert aus geleichen.
  3. Schaft-s am Wortende.
  4. ihn die] Möglicherweise fehlrestauriert aus zu der.
  5. patrioten] Durch Übermalung entstellt; gemeint ist Patricius (Patrizier).
  6. Siebehart] Vermutlich fehlrestauriert aus Eckardt oder Eckhardt. Vgl. Anm. 5.
  7. [.]ellingrhusen] Vermutlich fehlrestauriert aus Welfingehusen (Wülfinghausen). Vgl. Anm. 5.
  8. Mangnus Sprange] Offenbar fehlrestauriert. Vgl. Anm. 7.
  9. Vor krüger eine größere Leerstelle; hier könnte ein Name gestanden haben, von dem sich allerdings keine Spuren erhalten haben.
  10. Tucffelt] Fehlrestauriert aufgrund der Erwartung, einen Ort in der Nachbarschaft Halles (Tuchtfeld) zu lesen. Wahrscheinlich Kuhlager. Vgl. Anm. 8.
  11. Nielbst] Vermutlich fehlrestauriert aus hieselbst.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 279, mit Abb. 162, S. 281.
  2. „Dieses Gemälde stammt aus der alten Kirche zu Halle[.] Renoviert 1947 u. 1976[.] H. Brockmann Halle“; „u. 1976“ ist als späterer Zusatz zu erkennen.
  3. Einsetzungsworte zum Abendmahl nach 1. Ko. 11,23–25. Vgl. Luthers Deutsche Messe von 1526; D. Martin Luthers Werke, Bd. 19, Weimar 1897, S. 72–113, hier S. 97ff.
  4. D. h. Einbeck.
  5. Gemeint ist offenbar Andreas Eckhardt, der seit 1598 als Küchen- und Amtsschreiber im Amt Poppenburg wirkte und von 1614 bis ca. 1630 Klosteramtmann von Wülfinghausen war; vgl. Lippelt, Hoheitsträger, S. 299; Stoffregen, Chronik, S. 53. Eckhardt starb am 14. Oktober 1638; vgl. Kdm. Kr. Springe, S. 29.
  6. D. h. Gogrefe.
  7. Es gibt keinen Pastor namens Mangnus Sprange o. ä. im Bereich der hannoverschen oder braunschweigischen Landeskirche im 16. und 17. Jahrhundert. In Frage kommt innerhalb des damaligen Amtes Poppenburg vor allem Henningus Steiner, von 1608 bis vor 1632 Pastor in Brünnighausen; vgl. Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 135. Wegen der offenbar originalen Unterlänge des g im Vornamen (nicht aber im Nachnamen!) wohl nicht: M(agister) Julius Sattler, von 1616 bis 1620 in Elze; ebd., S. 256. Das nordwestlich von Coppenbrügge gelegene Brünnighausen gehörte um 1616 zu den dem Amt Poppenburg unterstehenden Ortschaften; vgl. Casemir/Ohainski, Territorium, S. 64f.
  8. Gemeint ist offenbar Kuhlager, eine kleine Siedlung beim Amtssitz Poppenburg (heute in Nordstemmen); vgl. Höfer, Topographie, S. 339.
  9. Vgl. DI 61 (Stadt Helmstedt), Nr. 161 (1645). Als Ergebnis von Internetrecherchen im Oktober 2011 sei nur hingewiesen auf: Grimberger Altar von 1574; Altarbild in Welver (zw. Hamm und Soest) um 1615; Altar in St. Clemens auf Amrum von 1634; Altar von 1645 in Elmlohe (bei Bederkesa); Altarbild von 1677 in der Kapelle in Wülferode.
  10. Vgl. Oertel, Abendmahlsbild, S. 262 u. S. 235, mit Abb. 10a, S. 243.
  11. LkAW, Corpus bonorum von Halle (1751), S. 4.
  12. Vgl. Göttingen, Geschichte, Bd. 1, S. 659 u. 662. Die 1620 noch lebenden Erben des Gabriel von Schnehen d. Ä. (gest. 1577) sind der Göttinger Kaufgildemeister Gabriel d. J. (gest. 1626) und Judith, Witwe von Valentin Rumann (1550–1597); vgl. die biographischen Angaben zu zwei um 1600 vor dem RKG geführten Prozessen: Akten des RKG, Tl. 3, S. 2202–2207.
  13. Zu Johann Philipp Raven vgl. DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 169 (1649).
  14. Bartling wird nicht genannt bei Klingebiel, Stand, S. 685; Klingebiel erwähnt aber, daß der Poppenburger Amtsvogt Heinrich Dannhausen (amtierte von 1633 bis 1678) eine Wiese von Bruno Bartling gepachtet hatte; ebd., S. 282. Laut Klingebiel ist Ernst Burghards von 1612 bis 1624 Amtmann (ebd., S. 685), wofür er aber Belege nur bis 1613 anführt. Lippelt zufolge amtierte Burghards lediglich von 1608 bis 1614; Hoheitsträger, S. 284.
  15. Vgl. HStAH Cal. Br. 10, Nr. 585: Bericht des Braun Bartlingk aus Hameln über die Schäferei zu Heyersum im Amt Poppenburg.

Nachweise

  1. LkAW, Corpus bonorum von Halle (1751), S. 4 (ohne Inschriften).
  2. Kdm. Kr. Holzminden, S. 279, mit Abb. 162, S. 281 (ohne Inschriften, aber mit summarischem Verweis auf die Einsetzungsworte zum Abendmahl).

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 212 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0021204.