Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 163 Bodenwerder, St. Nicolai 1604

Beschreibung

Epitaph für den Stadtschreiber Franz Rust. Stein. Die hochrechteckige Platte umläuft an vier Seiten ein Schriftband mit der Inschrift A, wobei der obere Teil der linken Langseite freigeblieben ist. Das Innenfeld ist in drei Felder untergliedert. In der Mitte der Verstorbene in nahezu vollplastischem Relief unter dem Kreuz kniend, am Kreuz der Titulus B. Die Figur des Verstorbenen ist erneuert. In einem vertieften Feld unten die zentriert ausgeführte Inschrift C auf einer Rollwerkkartusche, die oben einen geflügelten Engelskopf trägt. Im vertieften Feld oben sind zwei Vollwappen, deren Beischriften D und E auf der Trennleiste zum darunterliegenden Feld mit der Darstellung des Verstorbenen stehen. Alle Inschriften sind eingehauen.

Maße: H.: 202 cm; B.: 99 cm; Bu.: 5 cm (A), 1,5 cm (B), 2,8 cm (C), 1,9 cm (D, E).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, D, E), schrägliegende Kapitalis (C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/2]

  1. A

    EPITAPHIVM VIRI HONES·TI FRAN/CISCI RVST QVI A(NN)O 1604 DIE 18 (NOVEM)BRISa) PIE AC PLACIDE IN CHRIS/TO OBD[O]RMIVIT CVIVS / ANIMA REQVIESCAT IN PACE :

  2. B

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM)1)

  3. C

    HIC PLACIDE DORMIT FRANCISCVS / RVSTHI(VS) VRBIS /QVI DECVS HV(IVS) ERAT LAVS PATRIAEQ(VE) SVAE /NAM PI(VS) AC PRVDENS ERAT VTILIS / ATQ(VE) LYCEI /AC TEMPLI FAVTOR IVSTITIAEQ(VE) / SACRAE

  4. D

    FRANS RVST

  5. E

    MARGRETE DOMES

Übersetzung:

Epitaph des ehrenwerten Mannes Franz Rust, der im Jahr 1604 am 18. Tag des November fromm und sanft in Christus entschlafen ist. Seine Seele ruhe in Frieden. (A)

Hier ruht sanft Franz Rust, der eine Zierde dieser Stadt war und der Ruhm seines Vaterlandes, denn fromm und klug (wie er war) war er ein nützlicher Förderer der Schule wie der Kirche und der heiligen Gerechtigkeit. (C)

Versmaß: Elegische Distichen (C).

Wappen:
Rust2)Domes3)

Kommentar

Die Bogen- und Schaftenden der sehr regelmäßigen, geradezu archetypischen Kapitalis sind keilförmig verbreitert bzw. mit Sporen besetzt, die besonders ausgeprägt an C und S sind. Auffällig ist die geschwungene Cauda des Q, die die Bogenlinie schneidet und, wie der Schaft des Y, unter die Grundlinie verlängert ist; einmal ist sie nach links gebogen (QVI in Inschrift A), sonst teilweise weit nach rechts ausladend. Der Schrägbalken des N ist zumeist geschwungen und über die senkrechten Schäfte hinaus geführt, der Mittelteil des M endet oberhalb der Mittellinie und ist teilweise geschwungen (ANIMA), die Cauda des R ist ebenfalls geschwungen. E ist mit stark verkürztem Mittelbalken und verlängertem unteren Balken gestaltet, A ist einmal mit nach links überstehendem Deckbalken ausgeführt, vermutlich veranlaßt durch die Ligatur mit E (PATRIAE). Ein unziales G erscheint in MARGRETE; das I ist mit einem Punkt versehen.

Franz Rust, der 1603 im Türkensteuerregister erscheint,4) stammte vermutlich aus der Hamelner Familie, aus der drei weibliche Mitglieder in Rats- und Beamtenfamilien in Hameln und Einbeck einheirateten. Diese verwendeten allerdings eine Hausmarke als Wappen.5) Eine Anna Rust, die den Hildesheimer Ratsherrn Gerd von Wesel geheiratet hatte, führte ebenfalls das Ochsenkopfwappen.6) Seine Frau Margarete Domes (spätestens 1579 bis spätestens 1626) war eine Tochter von Anna Wedemeyer (gest. 1579) und Hans Domes bzw. Thumbs (1547–1619), der als Bürgermeister von Bodenwerder in enger Verbindung mit seinem vor ihm gestorbenen Schwiegersohn stand; vgl. Nr. 210.

Margarete Domes, die in erster Ehe mit einem von Spiegelberg verheiratet gewesen war, heiratete in dritter Ehe den Syndikus und späteren Bürgermeister von Bodenwerder Reinhardt Krekeler;7) 1626 waren beide tot. Ihre Tochter Elisabeth Maria Krekeler (1618–1642) heiratete 1641 nach Goslar, wo ihre Grabplatte erhalten ist.8)

Inhaltlich bemerkenswert ist die an den Neustoizismus erinnernde Betonung der „Nützlichkeit“ des Verstorbenen für die Stadt und das Vaterland in Inschrift C, die sich so ähnlich auch in Hameln in Grabschriften für Bürgermeister findet.9)

Textkritischer Apparat

  1. (NOVEM)BRIS] Befund: 9bRIS, das b mit einem Querstrich durch den Schaft.

Anmerkungen

  1. Io. 19,19.
  2. Wappen Rust (Ochsenkopf). Vgl. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 511.
  3. Wappen Domes (quadriert, 1 u. 2 sechsstrahliger Stern, 3 u. 4 Rose). Vgl. Nr. 210; Bonhoff/Griep, Wappenrolle, Nr. 388. Ebenso auch auf dem Siegel des Bürgermeisters Domes unter seinem Testament: HStAH Dep. 55, Acc. 2007/009, Nr. 19.
  4. Vgl. HStAH Dep. 55, Acc. 2007/009, Nr. 52.
  5. Vgl. DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 49: erwähnt wird Margarethe Rust aus Hameln, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Heinrich Hencken d. J. verheiratet war; außerdem Nr. 157 u. 161. DI 28 (Stadt Hameln), Nr. 105: Maria Rust (1549–1591), verheiratet mit dem Bürgermeister Barthold Hagemann; Nr. 131: Katharina Rust, gest. 1626, Witwe des Oberamtmanns Burchard Friesen (gest. 1599).
  6. Vgl. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 511.
  7. Vgl. das Testament des Bürgermeisters Hans Dohmbs vom 12. September 1616; HStAH Dep. 55, Acc. 2007/009, Nr. 19. Reinhardt Krekeler wird 1613 als Senator im Bürgerregister geführt, sein Bruder Harmen, der 1616 mit Margareta Rust, einer Tochter des Hans Rust und der Margarete Domes, verlobt war (vgl. das eben zitierte Testament), als Vogt; HStAH Dep. 55, Acc. 2007/009, Nr. 51.
  8. Vgl. DI 45 (Stadt Goslar), Nr. 165.
  9. Vgl. auch DI 28 (Stadt Hameln), Nr. 78 (1576), Nr. 104 (1600) u. 187 (1666).

Nachweise

  1. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 21 u. Tafel 21.
  2. Mithoff, Kdm. Calenberg, S. 13 (ohne Inschriften).

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 163 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0016306.