Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 162 Bodenwerder, Weserstr. 9 1604

Beschreibung

Haus. Fachwerk. Das giebelständige, sechs Gefache breite Fachwerkhaus (früher Nr. 127) ist zweigeschossig mit Zwischengeschoß. Inschrift A auf einem Balken über der modernen Tür, Inschrift B auf dem über beide Fenster durchgehenden Riegel im Erdgeschoß rechts, Inschrift C auf dem Riegel links; bei (C) ist vermutlich eine weitere Zeile durch Vergrößerung des darunter befindlichen Fensters verloren gegangen. Inschrift D befindet sich über dem heute verschlossenen Torbogen, die Jahreszahl darunter ist auf die beiden Zwickel rechts und links verteilt. Die Namen der Bauherren (E) auf den Torständern, beide mit darunterliegenden Wappenkartuschen, in denen sich die Initialen F befinden. Alle Inschriften erhaben vor vertieftem Hintergrund, gold auf grün (A–D) bzw. gold auf braun (E, F) gefaßt. Die Inschriften sind durch Restaurierung überformt.

Maße: Bu.: ca. 10 cm (A, B, D), 12–13 cm (C, erste Zeile), 9 cm (C, zweite Zeile, E), 8 cm (F).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, D, F), Minuskelschrift mit Versalien (C, E).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/5]

  1. A

    LAVDAMVS VETRESa) / SED NOSTRIS / VTIMVR ANNIS1)

  2. B

    DVRCH ARBEIT GOT VERKAVFFE THVT ·DE MESCHE HAAB VND GVTb) / WOZV DV NICHT HAST RVH VND LVSTFAH NICHT AN HAST NVR VERDRVSS

  3. C

    Jn uattesc) Namen Habe · / Jch Es gefangen an der / [– – –]

  4. D

    QVI CRISTO FIDITd) · BONA FUNDAME(N)TAd) LOCAVI(T)e) · /NAM STRVCTVRA MA(N)ET · NO(N) RVITVRA FIDES / 16//04

  5. E

    Jürgen / Kremer // Maria / Slipesf)

  6. F

    J(ürgen) K(remer) M(aria), S(lipes)

Übersetzung:

Wir loben die Alten, aber wir leben in unserer Zeit. (A) Durch Arbeit verkauft Gott den Menschen Hab und Gut. Wozu du nicht hast Ruh’ und Lust, fang’s nicht an, hast nur Verdruß. (B) Wer Christus vertraut, hat ein gutes Fundament gelegt. Denn der Glaube bleibt bestehen wie ein Bauwerk, das nicht einstürzen wird. (D)

Versmaß: Hexameter (A), deutsche Reimverse (B), elegisches Distichon (D).

Kommentar

Die Kapitalis-Buchstaben zeigen nur vereinzelt Sporen. In den Inschriften A und D ist das R mit geschwungener Cauda gestaltet, die zumeist am Bogen ansetzt; in (B) mit gerader Cauda, die am Schaft ansetzt, einmal auch offen (DVRCH). Die Minuskelbuchstaben zeigen ein doppelstöckiges a mit geschlossenem oberen Bogen, e mit einem stark reduzierten Balken, besonders in (C), und Schaft-r mit nach rechts durchgebogenem Schaft. Das runde, unten geschlossene g ist in (C) ohne Unterlänge ausgeführt, in (E) dagegen mit geschwungenem oberen Bogen, der den Schaft nicht berührt. Das ü in Jürgen besteht aus zwei unverbundenen Schäften.

Bauherr des Stapelhauses war nach Angabe von Brauns der Bremer Überseekaufmann Jürgen Kremer; Maria Slipes war demnach seine verwitwete Schwester.2) Inhaltlich bemerkenswert an den Inschriften ist die Verbindung von kaufmännischem Erwerbsdenken (B, auch A) mit einem dezidiert protestantischen Gottvertrauen (D, auch C). Durch den Bremer Kaufmann blitzt mit der Inschrift B offenbar mitten im lutherischen Raum etwas von dem reformierten Gedanken der weltlichen Belohnung des Gläubigen auf. Inschrift D stellt eine Variation auf das bekannte „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut“ dar.

Textkritischer Apparat

  1. VETRES] Fehlerhaft statt VETERES.
  2. GVT] G ohne Cauda, vermutlich infolge von Fehlrestaurierung.
  3. uattes] Befund; wahrscheinlich fehlrestauriert aus Gattes; Gottes Kdm.
  4. FIDIT, FUNDAME(N)TA] Der Mittelbalken des F ist fast verschwunden.
  5. LOCAVI(T)] A in C gestellt sowie I klein und hochgestellt.
  6. Slipes] Möglich, aber unwahrscheinlich (vgl. Anm. 2), ist auch die Lesung Supes; vgl. das aus zwei gleichlangen Schäften bestehende ü in Jürgen.

Anmerkungen

  1. Ovid, Fasti 1, 225. Vgl. Walther, Proverbia, Bd. II/3, Nr. 13518.
  2. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 46. Im Kontributionsregister von 1608/09 wird ein Harmen Slipen genannt; HStAH Dep. 55, Acc. 2007/009, Nr. 106, Bl. 4. Die Namen Supes (vgl. Anm. f) und Kremer tauchen in den ersten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts in Bodenwerder in keiner Bürger- oder Steuerliste auf.

Nachweise

  1. Rose, Chronik, S. 245.
  2. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 46 mit Abb. 79.
  3. Krämer/Leiber, Weserrenaissance, S. 10 (Abb. 7).

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 162 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0016209.