Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 138 Bevern, St. Johannis 1596

Beschreibung

Frühere Emporenbrüstung. Stuckrelief. Die Emporenbrüstung kam nach dem 1891 erfolgten Abbruch des 1595 von Statius von Münchhausen erbauten Kirchenschiffs in das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig. Seit 1957 ist sie wieder in der Kirche angebracht.1) Die Brüstung ist heute in drei Teile geteilt, die im nördlichen Querhaus aufgehängt sind. Teil 1 zeigt in einem von je zwei Säulen gerahmten Feld das lebensgroße Brustbild des Stifters Statius von Münchhausen (1555–1633) in Rüstung, sein Helm links neben dem Kopf und zur Rechten das Familienwappen, das er mit der linken Hand ergreift. In der Sockelzone darunter die erhaben ausgeführte, gold vor grauem Hintergrund gefaßte Inschrift A in einer von Rollwerk gerahmten Kartusche. Bei Teil 2 und 3 der Brüstung fehlen die Doppelsäulen auf der jeweils linken Seite, was auf die frühere Einbausituation verweist. In der Sockelzone von Teil 2 und 3 jeweils eine von Rollwerk umgebene, leere Kartusche, die früher eine Inschrift getragen haben könnte. Im Mittelfeld neben einer zentralen Figur jeweils Drolerien. Im Mittelfeld von Teil 2 eine mit einem Blattkranz gekrönte Frau, die zwei Männer an ihren Bärten faßt, darunter acht Vollwappen mit Beischriften B. Im Mittelfeld von Teil 3 ein gekrönter Frauenkopf, darunter acht Vollwappen mit Beischriften C. Ursprünglich dürften die Tafeln 2 und 3 rechts und links von Tafel 1 angeordnet gewesen sein. So ergab sich die sechzehnteilige Ahnenprobe des Statius von Münchhausen, wobei die Beischriften B von rechts nach links, die Beischriften C von links nach rechts gelesen werden müssen. Alle Wappenbeischriften auf geschwungenen Schriftbändern, erhaben und in Gold gefaßt, die Schrift durch Restaurierungen überformt.

Maße: H.: 146,5 cm; B.: 213 cm (A), 328 cm (B), 333 cm (C); Bu.: 2–2,3 cm (A), 2,5 cm (B), 2,5–2 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/4]

  1. A

    DEM . ALMECHTIGEN . GODT . ZV . EHREN . HAT . DER . GESTRENGER . EDLER . / VND . ERNVESTER . STATZ . VON . MVNICHAVSEN . AVF . LEITZKE . BEVERN . / STAPELL . VND . DORNBVRGK . AVCH . MEINBRECHSEN . DROST . AVF . GRONDE . HAVBTMAN / VFF . ELBINGERODA . DIES . GOTTES . HAVS . ERBAWET . DESSEN . ALLMACHT . IHME . VND . DEN / SEINEN . LANGES . LEBEN . VND . EWIGE . SELIGKEIT . VERLIEHE : ANNO . SALVTIS . NOSTRAE / 1 · 5 · 96 ·a)

  2. B

    VON . MVNICHAVSEN // VON . OBERGE . // VON WER=PE . // VON . WE=DEN . // VON . HAS=BERGE // VON STEINBERGE // VON . RVTENBERGE // VON KESLINGENRODE .

  3. C

    VON RE=DEN // VON SCHWEI=GELDE // DER BAR=NER · // VON VEL=TEN // VON DER SCHVLENBVRCK // DER BVSCHEN · // VON HOL=TE . // VON RVTENBERGE

Übersetzung:

Im Jahr unseres Heils 1596. (A)

Wappen:
Münchhausen2)
Münchhausen2)Reden10)
Oberg3)Schwichelt11)
Warpke4)Barner12)
Wede5)Veltheim13)
Hasberg6)Schulenburg14)
Steinberg7)von dem Bussche15)
Rautenberg8)Holte16)
Kerstlingerode9)Rautenberg8)

Kommentar

Die Buchstaben nehmen, außer I und dem ovalen O, einen annähernd quadratischen Raum ein. A ist mit Deckbalken, H ist vor allem in (A) mit nach unten gebrochenem Balken, K mit waagerechtem Mittelteil ausgeführt. Die Jahreszahl wird gebildet von einer gebogenen 1 und einer rechtsgewendeten 5 mit nach unten durchgebogenem Balken; 9 und 6 sind mit einem geschlossenen, tropfenförmigen Bogen ausgeführt.

Statius von Münchhausens zahlreiche Besitztümer unterlagen einem stetigen Wandel. Außer Bevern und Meinbrexen (vgl. Nr. 108) umfaßte sein Besitz im Jahr 1596, wie die an der Empore angebrachte Liste dokumentiert, das aus Familienbesitz stammende brandenburgische Leitzkau an der Mittelelbe, das erst in diesem Jahr erworbene Stapelburg (ein Lehen der Grafen von Wernigerode), das 1591 vollständig erworbene Dornburg bei Gommern (teilweise bereits aus dem Besitz seiner Frau Anna von Lattorf) und den Pfandbesitz des Amtes Grohnde (seit 1583), das schon seit dem späten 15. Jahrhundert häufig im Besitz der Familie gewesen war und ihm den Titel des „Drosten“ eintrug. „Hauptmann“ des Amtes Elbingerode war Statius, mit einer Unterbrechung von 1590 bis 1596, seit 1584; dort machte er die Bergwerksbetriebe profitabel. Neben engen Beziehungen zu dem Calenberger Herzog Erich II., den er 1584 kurz vor dessen Tod in Pavia aufsuchte, und den Wolfenbütteler Herzögen Julius und Heinrich Julius waren ausgedehnte Geldgeschäfte die Grundlage seines lange Zeit erfolgreichen Wirtschaftens, bis die von der Münzverschlechterung ausgelöste Kredit- und Wirtschaftskrise ihn 1618/19 in den Konkurs trieb.17)

Die Ahnenprobe findet sich in derselben Anordnung auch auf Statius’ Grabplatte in der Kirche; vgl. Nr. 237. Verfertigt wurde die Empore vermutlich von dem seit 1596 in Braunschweig ansässigen Bildhauer und Stukkateur Bernhard Klein.18)

Textkritischer Apparat

  1. Die Jahreszahl auf dem Rahmen der Rollwerkkartusche; die Worttrenner hier in Form von Quadrangeln.

Anmerkungen

  1. Vgl. Uhden/Sander, Bevern, S. 247 u. 451.
  2. Wappen Münchhausen (Mönch). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2., Abt. 2, S. 7, Tafel 6.
  3. Wappen Oberg (zwei Rauten nebeneinander). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 21 u. Tafel 23.
  4. Wappen Warpke (Lanzenspitze). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 128; Bd. 2, Tafel 328.
  5. Wappen Wede (gespalten, rechts aufrecht stehender gestümmelter Ast, links neun Blüten 5:4). Bei Spießen für Wede ein einfaches gespaltenes Wappen; vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 128; Bd. 2, Tafel 327. Ebenso unten Nr. 237.
  6. Wappen Hasberg (Kammrad in Seitenansicht, überhöht von zwei Rosen). Vgl. Siebmacher, Wappenbuch 1605, S. 206 (Tafel 186). Statt der nach oben hinausstehenden Achse des Rades hier eine dritte Rose, möglicherweise aufgrund einer Fehlrestaurierung. Ebenso unten Nr. 237.
  7. Wappen Steinberg (steigender Steinbock). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 121; Bd. 2, Tafel 305.
  8. Wappen Rautenberg (acht anstoßende Rauten 5:3). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 102; Bd. 2, Tafel 253.
  9. Wappen Kerstlingerode (gespalten, rechts zwei Schindeln, links zwei Halbmonde übereinander). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 7, Abt. 3, S. 27 u. Tafel 21, dort drei Schindeln 2:1.
  10. Wappen Reden (dreimal geteilt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 319 u. Tafel 373.
  11. Wappen Schwichelt (drei abgerissene Löwenköpfe 2:1). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 9 u. Tafel 7.
  12. Wappen Barner (zwei gekreuzte Feuerhaken). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 11,2, S. 8.
  13. Wappen Veltheim (drei Querbalken). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 10 u. Tafel 9.
  14. Wappen Schulenburg (quadriert, 1 u. 4 drei Greifenklauen 2:1, 2 u. 3 schreitender Ochse). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 15 u. Tafel 17.
  15. Wappen von dem Bussche III (Lilie). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 25 u. Tafel 58.
  16. Wappen Holte (drei Flügel, 2:1). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 11,2, S. 74, Tafel 50.
  17. Vgl. dazu Neukirch, Adelskultur, S. 183–217. Sander, Statius von Münchhausen, S. 13–18 u. 23–26. Krämer, Bau-Herr, S. 12f. Zadach-Buchmeier, Statius von Münchhausen, S. 40–44. Zum Erwerb von Bevern, den bereits der Vater, der Kriegsoberst Hilmar von Münchausen durch Anwartschaften vorbereitet hatte, siehe bes. ebd., S. 43f.; ders., Merians Beschreibung, S. 16.
  18. Vgl. Meier, Kunsthandwerk, S. 17–19. Von B. Klein stammt auch die 1853 zerstörte Stuckkanzel in der hannoverschen Marktkirche aus dem Jahr 1614; vgl. DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 259.

Nachweise

  1. Kdm. Kr. Holzminden, S. 10f.
  2. Krämer/Leiber, Weserrenaissance, S. 7 (A).
  3. Uhden/Sander, Bevern, S. 237 (A) u. Abb. 125f. (nach S. 448).

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 138 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0013803.