Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 86 Hannover, Landesgalerie 1578

Beschreibung

Gemälde.1) Öl auf Holz. Früher Schloß Hehlen, 1975 vom Landesmuseum aus der Sammlung Schulenburg erworben.2) Porträt des Heinrich von Saldern (1532–1588), Gegenstück zum Porträt seiner Ehefrau Margarete von Veltheim (vgl. Nr. 87). Das Gemälde zeigt die Person als Halbfigur, bekleidet mit einem Pelzmantel und reichem Kettenschmuck. Rechts neben dem Dargestellten auf einem mit Rauten verzierten Sockel oder Tisch zwei zusammengefaltete Briefe, auf deren Außenseiten die Adressen A und B1 sowie der Präsentationsvermerk B2 gemalt sind, wobei der Maler die Adresse B1 und den Präsentationsvermerk B2 als von zwei verschiedenen Händen geschrieben wiedergibt. Oberhalb des Tisches mit den Briefen in drei Zeilen die Künstlersignatur C. Die Inschriften sind gemalt. Neben dem Kopf des Dargestellten zwei Vollwappen. Die Inschrift D oben auf dem alten Rahmen, gold auf schwarz gemalt.

Maße: H.: 133 cm; B.: 105 cm (jeweils mit Rahmen); Bu.: 0,15 cm (A, B), 1,2 cm (C), 2,9 cm (D).

Schriftart(en): Kursive (A, B), Kapitalis (C, D).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/3]

  1. A

    Dem Edlen Vnd Erenvesten Heinrich / Meinem lieben Vetera)

  2. B1

    Dem Edlen Vnd Erenuesten hein[rich]b) / Von saldern meinem gunstgen lie[ben]b) / Junkern Denstlik geschriben

  3. B2

    p(re)ßent(atum) Lauenst(ene)c) / 17. Februarij Anno / 1578

  4. C

    15 AOd) 78 / ADAM OFFINGER / FECIT

  5. D

    DOMINVS PROVIDEBIT3)

Übersetzung:

Präsentiert in Lauenstein am 17. Februar im Jahr 1578. (B2)

1578 Adam Offinger hat (dies) gemacht. (C)

Der Herr wird Sorge tragen. (D)

Wappen:
Saldern4)Asseburg5)

Kommentar

Heinrich von Saldern, möglicherweise geboren 1532 in Greene,6) war der älteste Sohn von Burchard von Saldern (1483–1550) und Jakobe von der Asseburg (1507?–1571);7) die beiden Wappen sind also die elterlichen. Am 14. Oktober 1549 hat er sich zusammen mit seinem Bruder Burchard an der Universität Wittenberg immatrikuliert.8) Er gehörte damit zu den Adeligen, die, nicht untypisch für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, höhere Bildung erwarben.9) Im Jahr 1562 heiratete Heinrich von Saldern Margarete von Veltheim, deren Brüder ebenfalls (in Italien) studiert hatten.10) Seine Schwester Ilse war mit Fritz von der Schulenburg verheiratet (vgl. Nr. 113, 114 u. 143–145). Über diese Verbindung dürfte das Gemälde, vermutlich noch zu Lebzeiten der Ilse von Saldern, nach Hehlen gelangt sein.

Die Person des Heinrich von Saldern ist exemplarisch für den Kampf des Adels um politische und wirtschaftliche Autonomie gegenüber dem frühneuzeitlichen Fürstenstaat, der sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zuspitzte.11) Als ältester von vier Brüdern, die häufig zusammen agierten, führte er 1561 einen fehdeartigen Kampf gegen den Grafen von Lippe; ab 1577 führte er den ständischen Widerstand gegen Steuerforderungen des Bischofs von Hildesheim an. Dennoch bestand kein totaler Gegensatz zum Landesfürstentum: Heinrich von Saldern war 1569 herzoglicher Rat in Wolfenbüttel, seit 1571 stand er in derselben Funktion in den Diensten Herzog Erichs II. von Calenberg (1528–1584),12) der bei seiner häufigen Abwesenheit im kaiserlichen Dienst ein „angenehmer“ Dienstherr für den selbstbewußten Adeligen war, als dessen gunstgen lie[ben] Junker und Rat er sich durch das abgebildete Schreiben (B1) darstellen ließ. Auch die Kette mit den zwei Anhängern könnte auf die Bindung zum Fürsten hindeuten; eine Kette mit identisch wirkenden Anhängern bei dem Dreiviertelporträt des etwa gleichaltrigen lippischen Landdrosten Rab Arndt von Oeynhausen (1533–1605), der sich 1596 ebenfalls von Offinger malen ließ, war in diesem Fall ein Geschenk seines gräflichen Landesherrn.13) Anders lag der Fall mit Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, der den Ausbau landesfürstlicher Herrschaft intensiv vorantrieb. Als Herzog Julius 1584 die Nachfolger Erichs II. in Calenberg antrat, übernahm er Heinrich von Saldern nicht in seinen Dienst. Zwischen beiden standen mehrere Streitpunkte aus den vorangegangenen Jahren, die vornehmlich aus der Hilfestellung für Erich II. im Streit um das 1582 eröffnete Erbe der Grafen von Hoya resultierten. Die Auseinandersetzungen gipfelten in einem Beleidigungsprozeß, den Heinrich von Saldern und seine Brüder gegen den Herzog 1583 am Reichskammergericht anstrengten.14) Der Herzog, dem es vor allem wohl auf eine symbolische Unterwerfung ankam, kündigte schließlich das seit fast 100 Jahren an die von Saldern verpfändete Amt Lauenstein, das Zentrum ihrer Machtposition, auf das Heinrich von Saldern auf dem Gemälde verweist (vgl. B2), und löste es 1587 ein. Heinrich von Saldern zog sich daraufhin nach Schloß Henneckenrode (Lkr. Hildesheim) zurück, wo er sich seit 1578 einen repräsentativen Rittersitz hatte erbauen lassen.15) Dort starb er am 2. Dezember 158816) und wurde trotz anfänglicher Widerstände auf Seiten Herzog Julius’ in der Hildesheimer St. Paulskirche begraben.17) Obwohl er häufig auch mit Hildesheimer Bürgern und der Stadt im Streit gelegen hatte, würdigte ihn der dortige Bürgermeister Joachim Brandis Jahre später als einen vornehmen, starken und reichen Adeligen.18)

Die Gemälde des Ehepaars (vgl. Nr. 87) drücken, wie zahlreiche ähnliche Porträts aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert, Adelsstolz und Repräsentationswillen aus. Die zweimal wiedergegebene Anrede Dem Edlen Vnd Erenvesten (A, B1) stellt die Adelsqualität des Abgebildeten inschriftlich heraus.19) In dem von Machtwillen und Mißtrauen geprägten Gesichtsausdruck des Paares kann man zugleich etwas von der Gefährdung ihrer Position erahnen.20)

Der in Inschrift C genannte Maler Adam Offinger, dessen Künstlersignatur das bekannte Monogramm Albrecht Dürers nachahmt – hier kleineres O, gestellt unter den Querbalken des größeren, trapezförmigen A –, stammte aus Süddeutschland und war von etwa 1575 bis 1599 als Porträtmaler des Braunschweiger Adels und als Hofmaler von Herzog Heinrich Julius in dessen Residenz (als gewählter Bischof von Halberstadt) Gröningen tätig.21)

Textkritischer Apparat

  1. Veter] Vatter Dülberg.
  2. Der ergänzte Teil des Wortes durch den Rahmen verdeckt.
  3. Davor ist litterae zu denken.
  4. O klein unter den Querbalken des A gestellt (in Form des Dürer-Monogramms), aufzulösen als A(DAM) O(FFINGER), nicht als A(NN)O; so auch Dülberg.

Anmerkungen

  1. Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Landesgalerie Inv. Nr. PAM 964a.
  2. Vgl. Dülberg, Gemälde, S. 56. Kdm. Kr. Holzminden, S. 356f.
  3. Vgl. Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 76. Nach Gen. 22,8.
  4. Wappen Saldern (Rose). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 11, S. 50 u. Tafel 29.
  5. Wappen Asseburg (sprungbereiter gekrümmter Wolf). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 5 u. Tafel 11.
  6. Eine Quelle für diese – nicht unplausible – Angabe, die vielfach im Internet zu finden ist, läßt sich nicht ausmachen. 1526 als Geburtsjahr gibt, ebenfalls ohne Beleg, an: Hufschmidt, „Haushaltung“, S. 144.
  7. Die in der ehemaligen Dominikanerkirche St. Paul in Hildesheim angebrachte Grabinschrift der Jakobe von der Asseburg nennt das Sterbedatum; DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 420. Auch die Schwester des Dargestellten, Katharina von Saldern, wurde in St. Paul begraben, vgl. ebd. Nr. 429. Das Geburtsjahr nach www.dirkpeters.net/ahnenliste/ahnentafel-15-182, Nr. 76797; eingesehen am 22.02.2012.
  8. Matrikel Wittenberg, Bd. 1, Sp. 249a.
  9. Vgl. König, Bildungswege, S. 73–94.
  10. Neukirch, Adelskultur, S. 129. – Die Annahme Dülbergs (Gemälde, S. 56, danach Hufschmidt, „Haushaltung“, S. 143), es handle sich um ein zur Silberhochzeit des Paares angefertigtes Doppelporträt, steht somit auf schwachen Füßen, auch wenn Neukirch keinen Beleg für das Hochzeitsjahr angibt, das andererseits mit den, wiederum nur spärlichen, Angaben über Geburtsjahre der Kinder des Paares (vgl. Neukirch, Adelskultur, S. 125) übereinstimmt.
  11. Für das folgende vgl. allgemein Borggrefe, „Die vom Adel“, passim. Hufschmidt, „Von uraltem Adel“, bes. S. 25. Zu Heinrich von Saldern: Neukirch, Adelskultur, S. 122 u. 124–131. Die Hauptquelle dafür ist: Algermann, Leben, S. 42–46.
  12. Vgl. Samse, Zentralverwaltung, S. 36 u. 292.
  13. Borggrefe, „Die vom Adel“, S. 20 mit Abb. 11 (Farbtafel 1).
  14. Akten des RKG, Nr. 2767. Zu weiteren Streitigkeiten der Saldern mit Herzog Julius vgl. ebd., Nr. 2764–2766, 2768, 2771.
  15. Vgl. dazu allgemein: Hufschmidt, „Von uraltem Adel“, S. 38.
  16. Roth, Auswertungen, Bd. 1, Nr. 863 (Todesdatum).
  17. Für das Vorstehende vgl. insgesamt Neukirch, Adelskultur, S. 132. Brandis, Diarium, S. 259. Die Paulskirche in Hildesheim hatte nach der Reformation die Funktion einer Grablege Hildesheimer Adelsfamilien; vgl. DI 58 (Stadt Hildesheim), S. 26.
  18. Brandis, Diarium, S. 449 (Eintrag zum Tod des Sohnes Burchard von Saldern); vgl. ebd., S. 141f., 170f.
  19. Zur Bedeutung der Anredeformen vgl. Hufschmidt, „Von uraltem Adel“, S. 39.
  20. Vgl. Gmelin, Plastik und Malerei, S. 744, mit Abb. 53 (nach S. 760). Neukirch, Adelskultur, S. 130 mit Abb. 47 u. 48, S. 132f. Kat. Renaissance im Weserraum, S. 89. Hufschmidt, „Haushaltung“, S. 143.
  21. Vgl. Gmelin, Plastik und Malerei, S. 744. Meier, Offinger, S. 145-148. Kat. Renaissance im Weserraum, S. 88. Thieme/Becker, Bd. 25, S. 578.

Nachweise

  1. Kdm. Kr. Holzminden, S. 356f.
  2. Kat. Kultur und Geschichte, Nr. 157, S. 46.
  3. Dülberg, Gemälde, S. 56f. (A, B, C), Abb. (mit weiteren Abbildungsnachweisen).
  4. Hufschmidt, Einblicke, S. 143 (nur Abb.).

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 86 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0008604.