Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 83: Landkreis Holzminden (2012)
Nr. 83 Derental, St. Markus 1577
Beschreibung
Wandmalerei. An der Ostwand hinter der Kanzel. Um 1900 war die Malerei, die in den „Kunstdenkmälern“ nicht erwähnt wird,1) übertüncht. Die vierzehnzeilige Inschrift in einer mit Rollwerk umgebenen Kartusche ist nur noch teilweise erhalten. Die Initialen des Verfassers stehen nach dem Ende der letzten Zeile noch im Feld, die Jahreszahl darunter auf dem Rollwerk.
Inschrift ergänzt nach Letzner, Cod. Ms. Hist. 248.
Maße: Bu.: 7–8 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
PROSTRATI LECTOR VESTIGIA PRISCA SACELLI /HINC ANNVM PENITVSa)b) QVOa) REPARATA PETAT /A[L]TER N[I]MIRVMa) PRIMOc) CVMa) SCEPTRA RVDOEPHVSd) /JA[M GERAT I]MPERII RO[MA SVP]E[RB]A TVI . /E[T CVM DIMIDIVS] BRVNSVIGIVS ORBIS JVLI /[SVBJACEAT NONA] JAM T[IBI M]ESSE [DVCI] /POSTQVAMa) C[OEP]ISSENTe) DERN[THALIA] CV[L]MINAa) RV[RSV]Sa) /SVRGERSf) [LV]STRA FERVNTa)g) PR[A]ETERIISSE NOVEM /JAM QVO[QVE BIS QV]ATVORa) FVRSTENBERGENSIS AD ANNO[S] /[H]ENR[ICVS P]RAESES HE[I]NEMERh) EXTITERAT /VNDIQVE [COLL]ECTIS PARTIM POPVLI Q[VOQVE] PARTIEi) /SVMPTI[BVS] HAEC QVANDOa) TEMPLAj) PARATA FORENT /A[NDREAS PRIM]VSk) COMPERTVS FRANCO STED[E]NSIS /[L]E[GITI]M[VS] VERBI PRAECO SA[L]VBR[IS ERAT]l) /A(NDREAS) C(OMPERTVS) S(TEDENSIS) // 1577m) / DIEn) [– – –]
Übersetzung:
Das Jahr, in dem die alten Überreste der zerstörten Kapelle ganz wiederhergestellt worden sind, möge der Leser hier entnehmen: Im ersten Jahr freilich, da Rudolf der Zweite nun schon das stolze Zepter deines Reiches, Rom, führt und da das halbe Braunschweiger Land im neunten Jahr schon dir, Julius, als Führer unterworfen ist. Nachdem die Derentaler Hügel wiederum begonnen haben sich zu erheben, sollen neun mal fünf Jahre vergangen sein. Auch war schon an die acht Jahre (zweimal vier) der Fürstenberger Heinrich Heinemeier Amtmann gewesen, als diese Kirche, nachdem überall gesammelt worden war, teils auch auf Kosten eines Teils des Volkes aufgerichtet wurde. Als erster war Andreas Compertus, ein Franke aus Stetten, rechtmäßiger Künder des heilsamen Wortes.
Andreas Compertus aus Stetten 1577, am Tag ...
Versmaß: Elegische Distichen.
Textkritischer Apparat
- Zwei Schrägstriche über V.
- PENITVS] poenitus Letzner, Cod. Ms. Hist. 248 u. MS XXIII, 227a; poenitis Cod. Ms. Hist. 249.
- PRIMO] terno Letzner.
- RVDOEPHVS] Fehlerhaft für RVDOLPHVS, Rudolphus Letzner, Cod. Ms. Hist. 248; Rodolphus Cod. Ms. Hist. 249 u. MS XXIII, 227a.
- C[OEP]ISSENT] capissent Letzner, MS XXIII, 227a.
- SVRGERS] Fehlerhaft statt SVRGERE. Condi Letzner.
- FERVNT] fervent Cod. Ms. Hist. 248; feruent Letzner, Cod. Ms. Hist. 249 u. MS XXIII, 227a.
- HE[I]NEMER] Die letzte Silbe ist aus metrischen Gründen gekürzt. Heinemeir Letzner, Cod. Ms. Hist. 249; Heinemeier Cod. Ms. Hist. 248 u. MS XXIII, 227a.
- PARTIE] Fehlerhaft statt partis? partem Letzner.
- TEMPLA] templu Letzner, Cod. Ms. Hist. 249.
- A[NDREAS PRIM]VS] Letzners Lesung Primus et Andreas paßt nicht zu den erhaltenen Buchstaben.
- Hier endet Letzners Überlieferung.
- 1577] 15 zu LS fehlrestauriert, die zweite 7 nur schwach lesbar.
- DIE] Von dem D ist nur noch der Bogen vorhanden.
Anmerkungen
- Kdm. Kr. Holzminden, S. 38.
- Kdm. Kr. Holzminden, S. 37. Letzner, Klösterchronik, Cod. Ms. Hist. 248, p. 216; Cod. Ms. Hist. 249, fol. 309v–310r. Zur Siedungspolitik vgl. Tacke, Landkreis, S. 102f. Kerschbaumer, Wiederbesiedlungen, bes. S. 76f.
- Vgl. Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 1, S. 73 u. 137; Bd. 2, S. 56 (Nr. 732).
- Letzner, Klösterchronik; Cod. Ms. Hist. 248, p. 216; Cod. Ms. Hist. 249, fol. 310; MS XXIII, 227a, p. 219f. (mit leichten orthographischen Abweichungen). Die Aufnahme der Ausführungen über eine ländliche Pfarrkirche in die Klösterchronik ist nur durch Letzners gute Bekanntschaft mit Compertus zu erklären. Von Compertus findet sich in einer von Letzners Handschriften die Übersetzung eines Hochzeitsgedichtes von Heinrich Petreus auf Herzog Erich II. von Braunschweig-Calenberg; vgl. HAB Wolfenbüttel 48 Extrav., fol. 74r–81r; zit. nach Findbuch.
- Vgl. Lippelt, Hoheitsträger, S. 328. Kieckbusch, Bürgerleben, S. 119.
Nachweise
- Letzner, Klösterchronik, Cod. Ms. Hist. 248, p. 216f.; Cod. Ms. Hist. 249, fol. 310v; Cod. MS XXIII, 227a, p. 220f.
Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 83 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0008303.
Kommentar
Die Schaft- und Bogenenden einzelner Buchstaben sind gespalten, besonders ausgeprägt bei den Initialen am Beginn der ersten Zeile und aller ungeraden Zeilen (Hexameter); A, M, D, teilweise auch V, sind mit Linksschrägenverstärkung, das N mit geschwungenem Schrägbalken ausgeführt. Das H weist teilweise einen nach unten ausgebuchteten Mittelbalken (HAE C) auf; die geschwungene und rechts in einem Bogen auslaufende Cauda des Q ist teils direkt an die Bögen gesetzt, teils mit Ansatzstrich (QVANDO).
Das zeitweilig wüst gefallene Derental wurde, wie Letzner berichtet, seit 1532 (vgl. die in der Inschrift genannten „neun mal fünf Jahre“, also 45 Jahre vor 1577) wiederbesiedelt. Die Neusiedler, deren Zahl zwischen 1550 und 1580 stark zunahm, erneuerten seit 1575 (vgl. Nr. 84) die eingefallene Kirche, die schon immer Tochterkirche von Meinbrexen gewesen war.2) Andreas Compertus d. Ä. (1547–1610) aus Stetten in der Rhön, seit 1572/73 Pfarrer in Meinbrexen und Derental,3) hat laut einer weiteren, kopial überlieferten Inschrift in einem Glasfenster am Weihnachtsabend 1577 zum ersten Mal in der Kirche gepredigt; vgl. Nr. 84. Zur Erinnerung daran habe sein, so Letzner, gönstiger Herr, Bruder und vertraueter Freund und förderer Compertus, den nachkömlingen zu ewiger gedächtniß, die vorliegenden Disticha gemachet und daselbst zu Derenthall in die Kirche an die wandt setzen lassen.4) Compertus’ Grab befindet sich in Meinbrexen; vgl. Nr. 183.
Rudolf II. war seit Oktober 1576 als Nachfolger seines Vaters Maximilian II. Kaiser, Herzog Julius regierte seit Juni 1568. Der Fürstenberger Amtmann Heinrich Heinemeier amtierte von 1569 bis 1580.5) Die beiden ersteren Angaben bestätigen eine Datierung zwischen Oktober 1576 und Juni 1577. Die Inschrift hebt zudem den Beitrag der Einwohner zu dem Bau hervor, von dem auch Letzner berichtet.