Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 49 Bodenwerder, St. Nicolai 1. D. 16. Jh., 1589

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Auf dem Sechspaßfuß mit breitem Standring und einer mit gravierten Kreuzornamenten verzierten Zarge ist die Figur des Gekreuzigten (ohne Kreuz) aufgenietet. Um den Kelchfuß umlaufend auf gewundenem und teilweise verschlungenem Schriftband die gravierte Inschrift A. Die sechsseitigen Schaftstücke unterhalb des Nodus mit gotischen Fenstern, oberhalb mit Kreuzblumen. Auf den sechs Rotuli des stark abgeflachten Nodus die Inschrift B, in Konturschrift mit Innenstrichelung graviert; dazwischen lanzettförmige Felder mit gotischen Schmuckformen. Die Kuppa ist schlicht. Die künstlerische Ausführung gleicht weitgehend der des Gegenstücks Nr. 48.

Maße: H.: 16,3 cm; Dm.: 14 cm (Fuß), 10,2 cm (Kuppa); Bu.: 0,5 cm (A), 0,7 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis (A), frühhumanistische Kapitalis (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/3]

  1. A

    1 · 5 · 8 9 · HEFT · EIN · ERBAR · RAT · SAMPT · DER · GEMEINE · DISEN · KELCH · AVFS · NIE · WIDER · FER·FERTIGEN · LASSEN · ZVR · BEFVR·DERVNGE · DERa) · ERE · GADES

  2. B

    I H E S V S

Übersetzung:

1589 hat ein ehrbarer Rat zusammen mit der Gemeinde diesen Kelch erneuern lassen zur Förderung der Ehre Gottes. (A)

Kommentar

In Inschrift A sind die Buchstaben überwiegend mit serifenartigen Sporen versehen. Das offene D ist als spiegelbildliches Pendant zum G gestaltet (GADES); das A ist teilweise mit einem nach beiden Seiten überstehenden Deckbalken versehen, teilweise als spitzes A ausgeführt. S weist einmal (SAMPT) einen Schrägbalken durch den Mittelteil auf; K ist mit gebogenen Schrägbalken, die an einem waagerechten Mittelteil zusammenstoßen, gestaltet, R mit gebogener Cauda, die am Bogen ansetzt. E und F sind mit verkürzten Mittelbalken versehen, der Mittelteil des konischen M endet weit über der Mittellinie.

Die frühhumanistische Kapitalis der Buchstaben auf den Rotuli (B) findet sich auf Kelchinschriften vorwiegend zwischen 1480 und 1530; die Ausführung entspricht, mit Ausnahme des dort epsilonförmigen E, der auf dem Kelch Nr. 48. Da jener Kelch durch Merkmale der auf ihm angebrachten Stifterinschrift auf das erste Drittel des 16. Jahrhunderts zu datieren ist, dürfte auch der vorliegende Kelch im selben Zeitraum als Gegenstück entstanden sein. Bei Inschrift A, die eine Erneuerung im Jahr 1589 dokumentiert, fällt auf, daß der Goldschmied, vermutlich in Anpassung an die Buchstabenformen von (B), Elemente der frühhumanistischen Kapitalis hat einfließen lassen; auch hat er die Form des Schriftbandes und die Schlußworte (ere gades) der Stifterinschrift von Nr. 48 übernommen.

Offenbar wurde 1589 ein älterer Priesterkelch zum Abendmahlsgebrauch der Gemeinde umgewidmet. Die Kuppa blieb aber, möglicherweise aus Gründen der Proportion, relativ klein; ebenso auch beim Gegenstück Nr. 48.

Textkritischer Apparat

  1. DER] ER hinter dem Gekreuzigten.

Nachweise

  1. Mithoff, Kdm. Calenberg, S. 13.– Kat. Kultur und Geschichte, Nr. 14, S. 15f.
  2. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 19 u. Tafel 13.

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 49 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0004908.