Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 5 Scharfoldendorf, Kapelle 1370 od. später

Beschreibung

Kreuzstein. Roter Sandstein. Der früher am Ort des Halsgerichtes, dem sogenannten Galgenbrink, situierte, dann an die Bundesstraße 240 in Richtung Lüerdissen verbrachte „Henker- oder Galgenstein“ befindet sich heute vor der Kapelle in Scharfoldendorf. Auf beiden Schauseiten in vertieftem Feld ein nasenbesetztes Kreuz in einem Kreisband. Auf dem Rand umlaufend die eingehauene Inschrift A. Eine Nachgrabung hat ergeben, daß unterhalb der Kreuzscheibe links und rechts senkrechte Schriftbänder verlaufen, auf denen, jeweils nach einem Kreuz, die eingehauene Jahreszahl B steht. Der Kreuzesstamm des Scheibenkreuzes ist nach unten verlängert und endet in einem Bogensockel, rechts und links vom Schaft des Kreuzes zwei erhabene glatte Scheiben.1) Die Rückseite des Steins zeigt die gleiche Scheibenkreuzdarstellung, jedoch ohne Inschriften. Heute ist der Stein vor der Kapelle wieder in den Boden eingelassen, so daß nur die Kreuzscheibe zu sehen ist.

Inschrift B ergänzt nach Kreuzsteine und Steinkreuze.

Maße: H.: 77,5 cm (über der Erde), gesamt 152 cm;2) B.: 80 cm; Bu.: 7,8 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/1]

  1. A

    + HIC · FVIT · INTERFECTVS · H(ER)MANN(VS) PARV(VS) F(ILIVS)a) · B(ER)TOLDIb)

  2. B

    + [ANNO DOM(INI) M CCC] // + [LXX]3)

Übersetzung:

Hier ist Hermann Kleine (oder: der kleine Hermann), Sohn Bertolds, ermordet worden. (A)

Kommentar

Die Schrift stellt die am klarsten durchgebildete gotische Majuskel im vorliegenden Bestand dar. Sie ist durch zahlreiche runde und unziale Formen bestimmt (H, N, E, geschlossenes symmetrisches M, U sowie das T in B(ER)TOLDI), die Bögen von B, D, R setzen ausgerundet am Schaft an. Abschlußstriche sind konsequent gesetzt, auch bei einzelnen eckig-spitzen Formen (F, V). Neben F und V entsprechen das flachgedeckte A mit parallelen Schäften und die übrigen T den kapitalen Grundformen. Bemerkenswert sind auch offenes P und R sowie ausgeprägte Sporen an I und T.

Der Stein wurde vermutlich zur Sühne für den in der Inschrift genannten Mord errichtet.4)

Textkritischer Apparat

  1. F(ILIVS)] Fehlt Kreuzsteine und Steinkreuze.
  2. Eine Abzeichnung vermutlich aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, deren Verfertiger mit der gotischen Majuskel nichts anfangen konnte und neben verlesenen Buchstaben vor allem nicht als Buchstaben identifizierbare Zeichen wiedergibt, findet sich in: StAW 2 Alt, Nr. 2781, Bl. 4r.

Anmerkungen

  1. Geschichte und Beschreibung ergänzt nach Kreuzsteine und Steinkreuze, S. 191.
  2. Ergebnis der Nachgrabung; vgl. ebd.
  3. Der Stein bricht direkt nach dem zweiten X ab, so daß die Jahresangabe nicht eindeutig ist; Müller/Baumann gehen trotzdem von der Datierung 1370 aus; vgl. ebd.
  4. Vgl. dazu allgemein Kreuzsteine und Steinkreuze, S. 2f.

Nachweise

  1. StAW 2 Alt, Nr. 2781, Bl. 4r.
  2. Kdm. Kr. Holzminden, S. 325 (mit Teil-Abb.).
  3. Kreuzsteine und Steinkreuze, S. 191 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 5 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0000509.