Der Band umfaßt die kommentierte Edition von 276 Inschriften des Landkreises Holzminden bis zum Jahr 1650. Aufgenommen sind nicht nur die im Original erhaltenen Inschriften, sondern auch diejenigen Inschriften, die nur noch in älteren Abschriften oder Abbildungen vorliegen. Die Anhänge umfassen Jahreszahlen und Initialen sowie Hausmarken und Meisterzeichen.

Die Inschriften spiegeln exemplarisch Formen hoch- und spätmittelalterlicher Frömmigkeit aus dem Zisterzienser-Kloster Amelungsborn wie aus Dorfkirchen. In den Blick gerät sodann, wie sich die Durchführung der Reformation im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel seit 1568 in Haus-, Bau- und Stifterinschriften niederschlägt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Selbstdarstellung des ländlichen Adels durch Bauten, Stiftungen und Grabdenkmäler. Außer spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Glockenwerkstätten geraten für Adel und Bürger tätige Bildhauerwerkstätten (Arend Robin und Ebert Wolf) in den Blick.

Die Einleitung des Bandes stellt Bezüge zwischen dem Inschriftenbestand und der Geschichte des Landkreises her und wertet die Inschriften und Inschriftengruppen unter mehreren Aspekten aus. Der daran anschließende Katalogteil bietet eine Wiedergabe der Texte unter Auflösung der Abkürzungen. Lateinische und die meisten niederdeutschen Texte werden übersetzt. Eine Beschreibung des jeweiligen Inschriftenträgers vermittelt einen Eindruck von dem Zusammenhang, in dem die Inschrift steht. Im Kommentar werden wichtige, die Inschrift oder den Inschriftenträger betreffende Fragestellungen erörtert. Zehn Register erschließen dem Leser den Katalogteil unter verschiedenen Gesichtspunkten. Ein ausführlicher Tafelteil ergänzt die Edition.

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Hinweis: Diese Einleitung enthält Abweichungen gegenüber der Druckfassung. Alle Von-Bis-Angaben bei Verweisen auf Katalognummern (z. B. Nr. 71–73) wurden aus Referenzierungsgründen zu kommaseparierten Listen aufgelöst.

1. Vorwort, Vorbemerkungen und Hinweise zur Benutzung

1.1 Vorwort

Der vorliegende Band entstand im wesentlichen in zwei Arbeitsphasen. In der Zeit von Herbst 2003 bis Ende 2004 hat Frau Dr. Meike Willing die in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in der Arbeitsstelle der Göttinger Inschriftenkommission angelegte vorläufige Sammlung der Inschriften des Landkreises Holzminden systematisch verzeichnet. Im Sommer 2004 konnte sie die meisten original erhaltenen Inschriften am Ort aufnehmen und photographieren. Frau Julia Zech M. A. hat im September 2009 diese Arbeiten im Schloß Hehlen fortgeführt. Im Auftrag der Inschriftenkommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen habe ich von September 2010 an die weitere Bearbeitung und Kommentierung des gesammelten Materials übernommen; daraus ergab sich der Bedarf für einige weitere Arbeiten an den Originalen, die im Sommer 2011 stattfanden. Die Sammlung konnte durch die Beschäftigung mit den Originalen und durch die Auffindung weiterer, verstreuter kopialer Überlieferung erweitert werden und umfaßt in der hier vorgelegten Edition insgesamt 276 Nummern sowie eine nicht allzu große Zahl von im Anhang 1 verzeichneten Jahreszahlen und Initialen. Als Ende des Erfassungszeitraums wurde auch hier die in den Bänden der Reihe ‚Die Deutschen Inschriften‘ zumeist eingehaltene Zeitgrenze 1650 angesetzt.

Die Tätigkeit beider Bearbeiter wurde in besonders freundlicher Weise durch eine große Zahl von Ortsheimatpflegern, Küstern, Pfarrsekretärinnen und Kirchenvorstehern sowie durch die Pastoren der Kirchengemeinden unterstützt. Die große Hilfsbereitschaft, mit der sie die Erfassung der Objekte überhaupt erst ermöglicht haben, ist keineswegs selbstverständlich. Stellvertretend für sie alle möchte ich mich persönlich besonders bei den Mitarbeiterinnen des Pfarramtes Bodenwerder bedanken.

Die Regionalbibliothek des Heimat- und Geschichtsvereins für Landkreis und Stadt Holzminden im Schloß Bevern wurde für mich, ebenso wie das Museum im Schloß Bevern, geöffnet. Im Münchhausen-Museum Bodenwerder durften wir, wie im Museum Burg Polle, umstandslos arbeiten und photographieren. Herr Dr. Hilko Lindemann (Holzminden) hat sich mit Mitstreitern des Heimat- und Geschichtsvereins Holzminden erfolgreich bemüht, einen Grenzstein ausfindig zu machen, der sich dann aber leider als zu jung für die Aufnahme in den Band erwies. Ihnen sei trotzdem Dank für ihre Mühe.

Darüber hinaus danke ich den Damen und Herren der Staatsarchive in Wolfenbüttel und Hannover, des Landeskirchlichen Archivs in Wolfenbüttel sowie des Kirchenbuchamtes in Hannover. Ein besonderer Dank gilt Frau Anne-Kathrin Fricke-Hellberg, die mir die Photokartei des Niedersächsischen Landesdenkmalamts zugänglich gemacht hat. Herr Holger Heinke vom Landesmuseum Braunschweig hat uns in den Sammlungskeller geführt und sich der Mühe unterzogen, ein Außenmagazin zu öffnen.

Herr Prof. Dr. Fidel Rädle (Göttingen) hat mir beim Verständnis und der Ergänzung schwieriger lateinischer Inschriften entscheidend weitergeholfen. Frau Prof. Dr. Ingrid Schröder (Hamburg) hat bei Zweifelsfragen der niederdeutschen Sprache weitergeholfen, Herr Dr. Christian Schäfer vom Septuaginta-Unternehmen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen hat bereitwilligst bei der Transkription und Übersetzung zweier hebräischer Inschriften geholfen. Herr Prof. Dr. Wolfgang Petke hat freundlichst zu Fragen des Spätmittelalters Auskunft erteilt. Herr Dr. Uwe Ohainski vom Institut für historische Landesforschung der Georg-August-Universität Göttingen hat sich sofort bereiterklärt, die Karte des Landkreises mit den Inschriftenstandorten zu bearbeiten. Frau Dr. Elena Kozina vom Corpus Vitrearum Medii Aevi (Freiburg) hat mir bereitwilligst ihre noch nicht veröffentlichten Artikel zu den Fenstern im Kloster Amelungsborn zur Verfügung gestellt. In bewährter Form hat Herr Dr. Harald Drös von der Inschriftenarbeitsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Rat zu einem schwierigen Wappen gegeben.

[Druckseite 8]

Die Kolleginnen der Göttinger Arbeitsstelle haben den Neuling an die Hand genommen und mir in jeder Frage mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Frau Dr. Sabine Wehking hat mit großer Erfahrung den Abbildungsteil gestaltet. Frau Julia Zech hat die Marken gezeichnet; sie und die Kolleginnen Hannah Böhlke M. A, Mareike Brosenne und Jennifer Moos haben verschiedene Kontrollgänge am Manuskript durchgeführt, bei der Erstellung der Register geholfen und sich der Mühe des Korrekturlesens unterzogen. Der Vorsitzende der Göttinger Inschriftenkommission Herr Prof. Dr. Nikolaus Henkel hat bei seiner Durchsicht des Manuskripts besonders die Übersetzungen der lateinischen Inschriften überprüft und Anlaß zur Präzisierung der Kommentare gegeben.

Mein ganz besonderer Dank gilt Frau Dr. Christine Wulf (Inschriftenkommission Göttingen), die mit ihrer großen Erfahrung dem Anfänger das Lesen von Inschriften und die spezifische Arbeitsweise des Unternehmens nahegebracht hat, die restlichen Außenarbeiten angeleitet und das Entstehen dieses Bandes bis zu den letzten Korrekturdurchgängen mit nicht nachlassender Mühe und Genauigkeit begleitet hat.

Göttingen im April 2012

Jörg Lampe

1.2 Vorbemerkungen und Hinweise zur Benutzung

Die vorliegende Edition umfaßt die Inschriften des Landkreises Holzminden bis zum Jahr 1650. Vollständigkeit wurde zwar angestrebt, war aber sicher nicht für jeden Ort des Landkreises zu erreichen. Als Kriterium für die Aufnahme von Inschriften gilt das Provenienzprinzip, d. h. es wurden nur solche Stücke berücksichtigt, die sich vor 1651 im heutigen Landkreis Holzminden befunden haben. Aufgenommen wurden sowohl original erhaltene als auch kopial überlieferte Inschriften. Die Aufnahme und Anordnung der Inschriften sowie die Einrichtung der einzelnen Artikel folgt den Richtlinien der Interakademischen Kommission für die Herausgabe der Deutschen Inschriften.1) Entsprechend wurden alle Inschriften aufgenommen, die nicht Gegenstand anderer Disziplinen wie der Siegelkunde (Sphragistik) und Numismatik sind.

Jahreszahlen und Initialen, die nicht mit anderen Inschriften in Verbindung stehen, sind in Anhang 1 chronologisch aufgeführt. In Anhang 2 sind alle Hausmarken und Meisterzeichen wiedergegeben, die mit den Inschriften in Zusammenhang stehen.

Der Katalogteil

Die Inschriften sind chronologisch angeordnet. Für undatierte Inschriften wurde eine möglichst enge Eingrenzung ihres Entstehungszeitraums angestrebt. Sie sind jeweils an das Ende des ermittelten Zeitraums gestellt. Konnte ein Terminus post oder ante quem ermittelt werden, ist der Katalogartikel vor oder nach dem nächstliegenden Datum eingeordnet.

Die Katalogartikel sind untergliedert in Kopfzeile, beschreibenden Teil, Wiedergabe des Inschriftentextes, Kommentar und Apparat.

Die Kopfzeile enthält die laufende Nummer, die Bezeichnung des Standortes und die Datierung(en) der Inschrift(en).

Ein Kreuz neben der laufenden Nummer kennzeichnet Inschriften, deren Original verloren ist.
†? Ungeklärter Verbleib des Inschriftenträgers. Es handelt sich jeweils um Fälle, in denen vermutet werden kann, daß der Inschriftenträger an einem unbekannten Ort oder hinter einer Verkleidung noch existiert.
(†) Von mehreren Inschriften auf einem Inschriftenträger ist nur noch ein Teil im Original erhalten, ein wesentlicher Teil jedoch nur kopial überliefert.
17. Jh.? Ein Fragezeichen bezeichnet eine zweifelhafte Datierung.

Der beschreibende Teil eines Artikels enthält Angaben zur Ausführung der Inschrift(en) und des Inschriftenträgers. Die Beschreibung erfolgt vom Blickpunkt des Betrachters aus. Handelt es sich um mehrere Inschriften auf einem Inschriftenträger, so werden diese mit A, B, C ... bezeichnet. Bei den Hausinschriften wird am Anfang gegebenenfalls auf frühere, aus der Durchnumerierung der Dörfer und Kleinstädte herrührende Häusernummern verwiesen (früher Nr. ...), um eine Identifizierung in der älteren Literatur zu erleichtern.

Sind die Inschriften im Original überliefert, werden die Maße des Inschriftenträgers, die Buchstabenhöhe und die Schriftart angegeben. Sind die Inschriften nur kopial überliefert, ist die Quelle, nach der zitiert wird, genannt.

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Der Inschriftentext ist eingerückt. Mehrere Inschriften auf einem Inschriftenträger sind entsprechend der Beschreibung mit A, B, C ... bezeichnet. Die Zeilenumbrüche des Originals werden bei der Wiedergabe der Inschriften nicht eingehalten, sondern durch Schrägstriche bezeichnet. Verse werden auch dann voneinander abgesetzt, wenn das Original den Text fortlaufend wiedergibt. Der originale Zeilenumbruch ist durch Schrägstrich gekennzeichnet.

Befinden sich mehrere mit A, B, C ... bezeichnete Inschriften auf einem Inschriftenträger, markiert ein Kreuz hinter dem jeweiligen Buchstaben eine im Unterschied zu anderen Inschriften desselben Trägers nicht erhaltene Inschrift.
[...] Eckige Klammern mit Punkten darin bezeichnen Textverlust, bei dem sich die Zahl der ausgefallenen Buchstaben einigermaßen genau bestimmen läßt. Ein Punkt steht jeweils für einen ausgefallenen Buchstaben. Nach kopialer Überlieferung ergänzter Text und nur noch schemenhaft erkennbare Buchstaben stehen ebenfalls in eckigen Klammern.
[– – –] Eckige Klammern mit Strichen darin stehen für Textverlust, dessen Umfang sich nicht bestimmen läßt.
( ) Kürzungen werden in runden Klammern aufgelöst. Bei der Auflösung der Abkürzungen ist AE- oder E-Schreibung je nach Usus der Inschrift eingesetzt, ebenso U- oder V-Schreibung. Wenn die Inschrift keinen Anhaltspunkt gibt, wird nach klassischem Gebrauch verfahren. Punkte auf der Grundlinie oder hochgestellte Punkte nach Abkürzungen werden nur dann beibehalten, wenn die Inschrift durchgehend mit Worttrennern versehen ist. Die Abkürzung einer Bibelstellenangabe innerhalb einer Inschrift wird nicht aufgelöst, die Abkürzung des Wortes sanctus/sancta zur Bezeichnung eines oder einer Heiligen nur in besonderen Fällen.
<...> In spitzen Klammern stehen spätere Nachträge in Inschriften oder für Nachträge freigelassene Stellen. Später auf dem Inschriftenträger hinzugefügte Inschriften sind nicht in spitze Klammern gesetzt, sondern mit einem zusätzlichen Datum in der Kopfzeile verzeichnet.
/ Ein Schrägstrich markiert das Zeilenende.
// Zwei Schrägstriche markieren den Wechsel des Inschriftenfeldes.
AE Die Unterstreichung zweier Buchstaben bezeichnet eine Ligatur.

Wappenbeischriften werden im allgemeinen im Anschluß an die übrigen Inschriften wiedergegeben. Bei Ahnenproben wird dabei soweit möglich die Anordnung der Wappen beibehalten.

Einer lateinischen Inschrift schließt sich die Übersetzung an; niederdeutsche Inschriften werden übersetzt, wenn sich ihr Verständnis nicht von selbst erschließt.

Bei Versinschriften folgen die Bestimmung des Versmaßes und der Reimform.

Soweit sich auf dem Inschriftenträger Wappen befinden, werden die Namen in einer der Anordnung auf dem Inschriftenträger oder der früheren Anordnung soweit wie möglich entsprechenden Form wiedergegeben. Die zugehörigen Wappenbeschreibungen und -nachweise finden sich im Anmerkungsapparat.

Der Kommentarteil enthält Erläuterungen zu verschiedenen mit der Inschrift oder dem Inschriftenträger zusammenhängenden Fragestellungen. Diese können sich auf Besonderheiten der Schrift, der Sprache oder des Inhalts einer Inschrift beziehen, historische oder biographische Angaben enthalten oder der Erklärung ikonographischer Zusammenhänge dienen.

Der Apparat gliedert sich in Buchstaben- und Ziffernanmerkungen sowie Nachweise der kopialen Inschriftenüberlieferung.

Die Buchstabenanmerkungen beziehen sich auf textkritische Probleme der Inschrift, sie enthalten abweichende Lesarten der Parallelüberlieferung, soweit sie relevant sind, und weisen auf orthographische Besonderheiten oder fehlerhafte Stellen hin.

[Druckseite 11]

Die Ziffernanmerkungen enthalten Erläuterungen und Literaturnachweise.

Der am Schluß des Artikels folgende Absatz bezieht sich – so vorhanden – auf die wichtigsten kopialen Überlieferungen der Inschrift und gibt Abbildungsnachweise. Vollständigkeit ist bei den Quellennachweisen nicht angestrebt. Ist die Inschrift lediglich kopial überliefert, steht an erster Stelle diejenige Quelle, nach der die Inschrift zitiert wird.

2. Der Landkreis Holzminden – Territoriale Gestalt und Historische Voraussetzungen der Inschriftenproduktion

Die Entwicklung des Kreisgebietes

Der heutige Kreis Holzminden geht in seinem Kernbestand auf eine bis in das 15. Jahrhundert zurückreichende Einheit zurück, die die am weitesten westlich gelegenen Ämter und Gerichte des welfischen Teilherzogtums zusammenfaßte, das später als Fürstentum Braunschweig bzw. Wolfenbüttel bezeichnet wurde und bis 1946 in dem Herzogtum (Land) Braunschweig fortexistierte. Seit dem 16. Jahrhundert als Weserkreis (1539), Weserquartier und schließlich Weserdistrikt bezeichnet, entstand aus diesem losen Zusammenhang 1832 der Kreis Holzminden, der in seiner äußeren Gestalt nur 1941 und 1973/74 nennenswerten Veränderungen unterworfen war. 1941 wurde durch das Salzgitter-Gesetz die jahrhundertelange staatliche und kirchliche Zugehörigkeit zum Land Braunschweig beendet; gleichzeitig wurde die erst calenbergische, dann hannoversche und schließlich preußische Enklave Bodenwerder-Pegestorf dem Kreis angeschlossen. Im Zuge der Verwaltungsreform von 1973/74 schieden die entlang des Iths einen schmalen, nach Norden ausgreifenden Ausläufer bildenden Gemeinden aus dem Kreisgebiet aus; dafür kamen im Westen die früher calenbergischen Ortschaften Vahlbruch, Meiborssen, Brevörde, Polle und Heinsen sowie im Süden Lauenförde hinzu. Im Osten schied eine Gemeinde aus, Ammensen und Delligsen kamen hinzu.2)

Bevor die Herzöge von Braunschweig in der dargestellten Weise einheitsstiftend tätig wurden, war die Region von widerstreitenden geistlichen und weltlichen Interessenlinien durchschnitten. Die um die Jahrtausendwende verfestigte Diözesaneinteilung zerschnitt das heutige Kreisgebiet, an dem vier Bistümer (und damit zwei Kirchenprovinzen, Köln und Mainz) Anteile hatten. Der Nordwesten bis einschließlich Warbsen, Golmbach, Kirchbrak und Dielmissen zählte zum Bistum Minden und unterstand im Spätmittelalter dem Archidiakonat Kirchohsen, der Südwesten bis Stadtoldendorf und bis zur Homburg gehörte, einschließlich Holzminden, zum Bistum Paderborn (Archidiakonat Höxter). Der gesamte östliche Teil des Kreises unterstand dem Bischof von Hildesheim (Archidiakonat Wallensen); dabei ragte westlich von Eschershausen ein bis Holenberg und Negenborn reichender Zipfel hildesheimischen Gebietes zwischen die Diözesen Paderborn und Minden, in dem mit dem Kloster Amelungsborn um 1130 die bedeutendste kirchliche Institution des heutigen Kreisgebietes entstand. Eine Gemeinde, Vorwohle, gehörte zum Erzbistum Mainz.3) Alle Archidiakonatssitze lagen damit außerhalb der Region.

In der Grenzregion, in der sich die drei ersteren Diözesen berührten, entstanden, westlich und östlich von Amelungsborn und zeitlich ungefähr parallel zur Klostergründung, seit dem dritten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts die Burg Everstein und die Homburg, deren Inhabern in den beiden darauffolgenden Jahrhunderten der Aufbau von Landesherrschaften gelang. Die Grafen von Everstein haben in enger Verbindung mit den Staufern versucht, ausgehend von dem nordhessisch-westfälischen Grenzraum um Warburg, entlang der Weser ein sich bis Hameln erstreckendes Herrschaftsgebiet aufzubauen. Der Höhepunkt ihrer Machtstellung war im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts erreicht. Entscheidend für den anschließend einsetzenden Rückschlag war die Gegnerschaft der Welfen, die 1257 in Gieselwerder und 1260 in Hameln an der Weser Fuß faßten und damit sowie mit der Schutzherrschaft (Stadtvogtei) über Höxter (1265) die Eversteiner im Norden und Süden einschnürten. Hinzu kam die Konkurrenz der Edelherren von Homburg, seit 1152 Lehnsleute der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, die weiter östlich, im Tal der Lenne (und über Ith und Hils nach Nordosten über das heutige Kreisgebiet hinaus ausgreifend), ein eigenes [Druckseite 12] Territorium ausbauten und 1245 mit Bodenwerder ebenfalls die Weser erreichten. 1284 ging die Burg Everstein selbst an die Herzöge von Braunschweig-Grubenhagen verloren, so daß den Grafen, mit Ausnahme eines Anteils an ihrer Stadtgründung Holzminden, nur noch die westlich der Weser gelegenen Besitzungen mit den Burgen Polle und Ottenstein (sowie, weiter nördlich, Ohsen und Aerzen) blieben. Auch ihre Versuche, durch Lehnsauftragung von Besitz an den Erzbischof von Köln (Holzminden 1285) ihre Position zu festigen, scheiterten.4) Ihre Verbindung zum Kloster Amelungsborn blieb allerdings bestehen, wie das – leider inschriftenlose – Hochgrab des Grafen Hermann von Everstein (gest. 1350/51) und seiner Frau Adelheid von Lippe zeigt, das heute im südlichen Chorseitenschiff der Klosterkirche steht.5) Erfolgreicher waren die Edelherren von Homburg, die mit Bodenwerder und Stadtoldendorf zwei Städte im heutigen Kreisgebiet gründeten. Im 14. Jahrhundert residierten die Homburger überwiegend in Bodenwerder, wo sie am südlichen Stadtende ein festes Haus (slot ) besaßen.6) Im Zuge ihrer Expansion drängten sie auch den Einfluß der Bischöfe von Hildesheim, die ebenfalls an dem Ausbau ihres weltlichen Herrschaftsbereiches arbeiteten, bis zur Leine zurück.

Die Kinder Siegfried von Homburgs (gest. 1380), des vorletzten regierenden Edelherrn, stifteten in der Kirche des Bodenwerder benachbarten Benediktinerinnenklosters Kemnade eine Grabkapelle, die vermutlich als Familiengrablege gedacht war. Die prächtige Tumba des Siegfried von Homburg zeigt zugleich, daß die Rivalität zwischen den Eversteinern und Homburgern im 14. Jahrhundert zu einem gewissen Stillstand gekommen war, was Eheverbindungen zwischen den beiden Familien möglich machte (vgl. Nr. 14).

Zwischen 1404 und 1409 gelang es den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg zu verhindern, daß das Erbe der Eversteiner und Homburger an Konkurrenten fiel.7) Damit brachen alle Ansätze zu einer eigenständigen Herrschaftsbildung im heutigen Kreisgebiet ab. Infolgedessen bildeten sich auch keine Residenzen mit ihren besonderen Bauten und Repräsentationsformen aus. Die drei Städte blieben Kleinstädte, die unter 2000 Einwohner aufwiesen.8) Die einzige inschriftliche Erinnerung an die Eversteiner Grafen entstand nach 1409 und ist heute im Kloster Wienhausen zu finden. Die spät geborene Tochter des letzten Grafen Hermann, Elisabeth (1404/06–1468), war im Zug der Vereinbarungen von 1408/09 mit dem späteren Herzog Otto IV. von Braunschweig-Lüneburg (gest. 1446) verlobt und später verheiratet worden. Als Witwe stiftete sie vermutlich kurz vor ihrem Tod dem Kloster einen Kelch, auf dem sie sich an erster Stelle als elisabeth van eversten bezeichnete.9)

Mehrere Erbteilungen, die die Welfen im 15. Jahrhundert unternahmen, führten dazu, daß sich schrittweise die Einheit des späteren Weserdistriktes herausbildete. Fiel das gesamte Eversteiner und Homburger Erbe 1409 noch an Braunschweig, so wurden 1428 die nördlichen und östlichen Teile der beiden Herrschaften abgetrennt und zunächst Lüneburg, 1432 aber dem damals neu gebildeten „Land zwischen Deister und Leine“, dem späteren Fürstentum Calenberg, zugeteilt. 1495 wurde die Teilung erneuert; von dem früheren Fürstentum Göttingen kam nun im Süden das Anfang des 14. Jahrhunderts erworbene Amt Fürstenberg hinzu, während Lauenförde calenbergisch blieb. Mit der Übertragung des Amtes Ottenstein und der Stadt Holzminden von Calenberg an Braunschweig-Wolfenbüttel wurde schließlich 1516/19 der Besitzstand des Weserdistriktes erreicht. Dagegen blieben die nunmehrige Enklave Bodenwerder/Pegestorf und im Westen das Amt Polle calenbergisch.10)

Grundsätzlich war um 1400 in der Herrschaft Homburg (weniger in der Grafschaft Everstein) bereits eine Ämterstruktur ausgebildet, die von den Welfen übernommen wurde. Während die Burgen Polle und Ottenstein sowie Fürstenberg bis ins 19. Jahrhundert Amtssitze blieben, wurden anstelle der aufgegebenen Burgen Everstein und Homburg mit Forst (1493) bzw. Wickensen (1535) neue Amtssitze mit Wirtschaftshöfen in der Ebene errichtet, was teilweise auch inschriftlich (Nr. [Druckseite 13] 52, 53, 71, 75 u. 78) Niederschlag fand. Die Zugehörigkeit einzelner Dörfer zu den Ämtern verschob sich allerdings noch mehrmals. Auch die Entstehung des Amtes Allersheim aus einer in der Mitte des 16. Jahrhunderts von Herzog Heinrich d. J. (1489–1568) vom Kloster Amelungsborn eingetauschten Domäne war erst hundert Jahre später abgeschlossen (vgl. Nr. 41, 56 u. 213). Dagegen wurden seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die Grenzen zum Fürstentum Calenberg wie auch zum Stift Corvey vertraglich festgelegt und u. a. durch Grenzsteine markiert (vgl. Nr. 58, 59, 60, 61, 62, 107 u. 245).

Das 16. und die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts

Die inneren Entwicklungen des Landes gewinnen im heutigen Kreis Holzminden erst seit dem 16. Jahrhundert an Bedeutung für die Produktion von Inschriften. Kern der Geschichte dieser Zeit war der Ausbau des Territorialstaates, in dem eine Zentral- und eine Lokalverwaltung entstanden, der Steuern erhob und das römische Recht schrittweise einführte. Die Ämter erhielten dabei über das Ökonomische hinaus rechtliche Aufgaben. Diese Intensivierung der staatlichen Tätigkeit rief Konflikte hervor, unter denen die der Herrscher mit dem Adel im Vordergrund stehen (vgl. Nr. 97). Anders als mit dem selbstbewußten Braunschweig ist von Auseinandersetzungen mit den kleinen Landstädten im Weserdistrikt nichts zu sehen.11) Drei bedeutende Herzöge von Heinrich d. J. bis zu seinem Enkel Heinrich Julius hatten in den einhundert Jahren von 1514 bis 1613 einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung. Sie traten in den westlichen Gebieten des Herzogtums inschriftlich in Erscheinung als Bauherren, als Initiatoren von Grenzfestlegungen oder als Stifter; in anderen Fällen finden sie ehrende Erwähnung in Inschriften (vgl. bes. Nr. 172).

Der genannte Zeitraum zerfällt in zwei deutlich voneinander geschiedene Hälften. Die erste, kürzere Periode war von Streit und Kämpfen bestimmt. Nach der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) war die Ursache dafür vor allem die Reformation, die früh in den größeren Städten, in Braunschweig seit 1528, Fuß faßte, der sich Herzog Heinrich d. J. (1514–1568) aber zeitlebens widersetzte. Höhepunkt der Auseinandersetzung war die Eroberung und Besetzung des Landes durch die im Schmalkaldischen Bund zusammengeschlossenen evangelischen Fürsten von 1542 bis 1547. Herzog Heinrichs Rückkehr in sein Land und an die Regierung wurde 1547 ermöglicht durch seinen Anschluß an Kaiser Karl V. und dessen Sieg bei Mühlberg. Das Ende der Kriegsphase war mit der Schlacht von Sievershausen 1553 und dem Augsburger Religionsfrieden 1555 erreicht, der für das Reich und für Norddeutschland über fünfzig Jahre Frieden sicherte und die Entwicklung eines gewissen Wohlstands ermöglichte. Sievershausen, eine der blutigsten Schlachten des 16. Jahrhunderts, hatte für das Herzogtum in zweierlei Hinsicht Bedeutung: Zum einen fielen in der Schlacht die zwei älteren Söhne des Herzogs, der daraufhin seinen ungeliebten dritten Sohn, den späteren Herzog Julius, als Nachfolger akzeptieren mußte, was erst nach längeren Kämpfen um 1560 der Fall war. Zum anderen sind etwa 250 Angehörige des landsässigen Adels gestorben, was eine Folge des vermehrten Schußwaffengebrauchs war, der langfristig auch die militärische Bedeutung des Adelsaufgebots in den Hintergrund treten ließ.12) Eine direktere Folge war das Aussterben von mehreren Adelsfamilien. Dies ermöglichte es den Herzögen, heimgefallene Lehen neu auszugeben. So ist nach dem Aussterben der von Frenke Fritz von der Schulenburg, der als „Kriegsunternehmer“ reich geworden und zu Einfluß gekommen war, 1558 in den Besitz von Hehlen gelangt (vgl. Nr. 67).

Nach der Einigung mit seinem Sohn setzte die innere Beruhigung des Landes bereits in den letzten Lebensjahren Heinrichs d. J. ein, dessen Herrschaft für die Wesergegenden noch aus einem anderen Grund folgenreich war. Es lag gerade dort ein Schwerpunkt der Siedlungspolitik des Herzogs, der die Wiedererstehung mehrerer im Spätmittelalter wüst gefallener Ortschaften zu verdanken ist;13) in einem Fall nimmt eine spätere Hausinschrift darauf Bezug (Nr. 121). Auch der Neubau oder die Wiedererrichtung von Kirchen in diesem Zusammenhang ist inschriftlich dokumentiert (Nr. 83 u. 84). In Deensen waren die von Campe den Bestrebungen des Herzogs bereits Ende des 15. Jahrhunderts vorangegangen (vgl. Nr. 44 u. 45).

[Druckseite 14]

Die Reformation, die Herzog Julius (1568–1589) kurz nach seinem Regierungsantritt einführte, zog einen Schlußstrich unter eine bereits eingetretene Entwicklung; jedenfalls ist von neuen Konflikten nichts zu sehen, und auch im Kloster Amelungsborn schloß sich die Mehrheit der Mönche zusammen mit ihrem Abt den neuen Verhältnissen an. Herzog Julius, der sich in besonderem Maß als Landesvater mit Fürsorgefunktion für seine Untertanen verstand, entfaltete eine breit angelegte Förderung des Landes. Den Klöstern wies er neue Aufgaben in der Bildung zu; in Amelungsborn entstand eine Klosterschule.14) Die Gründung der Universität Helmstedt 1576 sollte den wachsenden Bedarf an Pastoren und Juristen aus dem Land selbst decken. Ihre Absolventen sind als Pfarrer in Amelungsborn und anderen Orten des Kreises seit dem Ende des 16. Jahrhunderts anzutreffen; lateinische Inschriften auf Grabdenkmälern von Geistlichen dokumentieren ihren Bildungsstand.

Nachdem durch die Vereinigung mit der Grafschaft Hoya (1582/84) und dem Fürstentum Calenberg (1584) der Machtbereich der Wolfenbütteler Herzöge bereits zur Zeit von Herzog Julius erheblich angewachsen war, erreichte er unter dessen Sohn Heinrich Julius (1589–1613), der seit dem Säuglingsalter auch Bischof von Halberstadt war (vgl. Nr. 125), den Höhepunkt territorialer Ausdehnung durch den Anfall von Grubenhagen 1596 und von Blankenburg/Regenstein 1599.15) In Calenberg kam es bald nach 1584 zu einem Konflikt mit einer Adelsgruppierung um drei Brüder von Saldern, der in den 1590er Jahren mit einer Niederlage für die Adeligen endete (vgl. Nr. 86). Der Bau von Schloß Hehlen, den ihre Schwester Ilse von Saldern vorantrieb, läßt auch etwas vom Selbstbehauptungswillen dieser Familie erkennen.16) Mit dem Landtag von Salzdahlum 1597 kam etwa gleichzeitig eine, von der Adelsminderheit bekämpfte, Bauernschutzpolitik der Herzöge zu einem Abschluß, die das ursprüngliche Pachtverhältnis der bäuerlichen Meier wesentlich verbesserte und den bäuerlichen Besitz faktisch vererbbar machte.17) Die Bauern, die seit dem Ende des Jahrhunderts ihre Namen in Inschriften an Häusern anbrachten (zuerst Nr. 106, 1588) und als Kirchenvorsteher auf Glocken und kirchlichen Ausstattungsstücken neben Pastoren und Amtmännern inschriftlich erscheinen, trugen damit ein gehöriges Selbstbewußtsein zur Schau.

Um die Jahrhundertwende setzte allerdings ein Rückgang an finanzieller Solidität ein, vor allem seitdem sich Herzog Heinrich Julius ab 1602 hauptsächlich am Hof Kaiser Rudolfs II. in Prag aufhielt.18) Rudolf II. ist der einzige Kaiser, der in Inschriften des Kreisgebietes erwähnt wird (Nr. 83, 174 u. 181). Die eigentliche ökonomische Verschlechterung setzte aber erst unter der Herrschaft von Herzog Friedrich Ulrich (1613–1634) ein, der die Regierung einer kleinen Adelsgruppe, den sogenannten „ungetreuen Landdrosten“, überließ. Die von ihnen verursachte Münzverschlechterung, die sogenannte „Kipper- und Wipperzeit“, zu deren Ausführung im Land mehrere neue Münzstätten entstanden, darunter auch eine im Kloster Amelungsborn, störte den Kreislauf von Geld und Kredit nachhaltig.19) Diese Störung besiegelte auch das Schicksal des erfolgreichsten Unternehmers aus dem Adel, Statius von Münchhausen (1555–1633), der seit den 1580er Jahren zahlreiche Wirtschaftsbetriebe, Grundbesitz und Schlösser erworben hatte – darunter Meinbrexen und Bevern –, die er mit seinem Konkurs 1619 wieder verlor. Schloß Bevern, das er von 1603 bis 1612 zum prachtvollen Repräsentationsobjekt ausgebaut hatte, blieb ihm dank der Fürsprache seiner Frau bei Herzog Friedrich Ulrich zwar erhalten; diese mußte das Schloß nach seinem Tod, von Gläubigern und Gefolgsleuten des neuen Herzogs August bedrängt, 1651/52 schließlich doch noch aufgeben.20)

In den Dreißigjährigen Krieg wurde Braunschweig-Wolfenbüttel hineingezogen durch den Ehrgeiz und das Ungestüm des Bruders von Herzog Friedrich Ulrich, Christian von Halberstadt, der als einer der militärischen Führer der Protestanten agierte. Nachdem er 1621/22 das Bistum Paderborn verheert hatte, überschritt er im Juli 1623, verfolgt von dem Feldherrn der katholischen Liga, Tilly, bei Bodenwerder erneut die Weser nach Westen. Seit dem Frühjahr 1625 wurde die Region noch intensiver in den Krieg hineingezogen. Während die Wolfenbütteler Seite den Versuch unternahm, [Druckseite 15] die Weserübergänge und Straßenverbindungen nach Osten bei Lauenförde, Meinbrexen, Fürstenberg, Boffzen und Holzminden zu sichern, griff Tilly am 26. Juli 1625 Bodenwerder an; im Amt Wickensen und in den benachbarten Ämtern wurde geplündert, Holzminden, Stadtoldendorf (vgl. Nr. 231) und andere Ortschaften besetzt. Die schwerste Belastung für die Einwohner waren die erzwungenen Lieferungen von Lebensmitteln sowie Plünderungen. Mit dem Sieg Tillys bei Lutter am Barenberge über den König von Dänemark und Herzog Christian am 27. August 1626 richtete sich das Heer der katholischen Liga dauerhaft an der Oberweser und in den südlichen welfischen Gebieten ein. Der Friede von Lübeck vom 2. Juni 1629 ratifizierte die Niederlage der welfischen Herzöge gegenüber dem Kaiser. Gravierender für den Weserdistrikt aber war das kaiserliche Restitutionsedikt vom März 1629, in Folge dessen die ehemaligen Klöster Amelungsborn und Kemnade in katholische Hand kamen. Den erneuten Umschwung brachte das Eingreifen Schwedens unter König Gustav Adolf II. im Jahr 1631. Der Sieg von Hessisch Oldendorf im Juni 1633 hatte den Rückzug der katholischen Kräfte zur Folge; dafür wurden die umherziehenden Schweden im Land in den folgenden Jahren zu einer wachsenden Belastung. 1640 wurden Fürstenberg und Bevern noch einmal durch kaiserliche Einheiten besetzt. Bei diesem Vorstoß kam es zum Brand Holzmindens, der fast die gesamte Stadt zerstörte.21)

Mit dem Tod von Herzog Friedrich Ulrich starb im August 1634 die Wolfenbütteler Linie der Welfen aus. Über die Nachfolge kam es zu einem Konflikt zwischen der Celler und der Dannenberger Linie des Hauses, der erst im Dezember 1635 mit der Trennung der seit 1584 verbundenen Fürstentümer Calenberg und Wolfenbüttel endete. Im Fürstentum Wolfenbüttel trat Herzog August der Jüngere aus der Dannenberger Linie (reg. bis 1666) die Nachfolge an. Der in Goslar 1642/43 mit dem Kaiser geschlossene Frieden beinhaltete den Verzicht auf das 1523 erworbene „Große Stift“ Hildesheim, der das Fürstentum Wolfenbüttel weiter verkleinerte. Eine Folge war, daß mit dem Verlust von Alfeld der Sitz der Generalsuperintendentur, die seit der Organisation der Kirchenverwaltung unter Herzog Julius für den Weserdistrikt zuständig war, verloren ging und eine neue in Holzminden eingerichtet wurde.22)

Wenn auch die direkten Bevölkerungsverluste durch den Krieg vermutlich geringer waren, als vielfach angenommen, so sind doch regional erhebliche Rückgänge zu verzeichnen. Dafür sind vor allem Seuchenzüge verantwortlich, die auf eine geschwächte Bevölkerung trafen; so wütete 1625/26 und 1636 die Pest, was in einzelnen Dörfern 30–40% Bevölkerungsverluste zur Folge hatte. Die wichtigste Begleiterscheinung des Kriegs aber waren die Plünderungen, die auch vor den Kirchen nicht Halt machten, wie das Beispiel Amelungsborn zeigt. Neue Stiftungen von Kirchenausstattungen wurden daher nötig, erfolgten aber erst allmählich. Auch der Wiederaufbau des 1640 fast vollständig abgebrannten Holzminden begann nur zögerlich. Dies schließt nicht aus, daß einzelne Orte oder Regionen, wie die niemals eroberte Stadt Braunschweig, durch Handel sogar von den Kriegsereignissen profitierten.23)

Die Inschriftenproduktion

Aus dem Mittelalter haben sich bis zum Jahr 1500 im Landkreis Holzminden nur 34 Inschriften erhalten; auch wenn man bis zum Einsetzen der hier genau zwei Jahrzehnte umfassenden „reformatorischen Lücke“ geht, so sind es nur 51 Nummern; die letzte datierte Inschrift stammt aus dem Jahr 1529 (Nr. 46), danach folgen im Katalogteil noch fünf undatierte Inschriften aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts.

Die frühesten Inschriften stammen aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Sie finden sich auf einer Wandmalerei in Kirchbrak (Nr. 1) und einem Taufstein in Hohe (Nr. 2). In dem zwischen 1129 und 1135 gegründeten Zisterzienserkloster Amelungsborn haben sich nur elf Inschriftenträger [Druckseite 16] aus dem mittelalterlichen Bestand erhalten. Das früheste Stück aus Amelungsborn ist eine Piscine (liturgisches Waschbecken) aus der Mitte des 13. Jahrhunderts (Nr. 3), die im 19. Jahrhundert im Schutt des Kirchenraums aufgefunden wurde. Von der Ausstattung des um 960 gegründete Benediktinerinnenklosters Kemnade hat sich, mit Ausnahme der bereits erwähnten, um 1400 entstandenen Grabkapelle der Homburger (Nr. 14, 15, 16), kein Inschriftenträger erhalten.

Aus den Dorf- und Stadtkirchen liegen, nach den Nummern 1 und 2, inschriftentragende Stücke erst ab der Mitte des 15. Jahrhunderts vor. Dabei handelt es sich vor allem um Glocken, ein Altarretabel (Nr. 32) und acht Kelche, die aber, anders als der kunsthistorisch bedeutende Kelch aus Amelungsborn von 1478 (Nr. 29), nicht sicher zu datieren sind. Ein besonderer Bestand sind die neun Kreuz- und Gedenksteine aus der zweiten Hälfte des 14. und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Zahlenmäßig liegt der Schwerpunkt des Inschriftenbestandes auf den einhundert Jahren zwischen 1549 und 1650. Nach einem stockenden Beginn in den ersten zwölf Jahren dieses Zeitraums, aus dem elf Inschriften erhalten oder überliefert sind (davon allein fünf Grenzsteine), steigert sich die Anzahl zur Jahrhundertwende hin. Nach jeweils 13 Nummern in den beiden darauffolgenden Jahrzehnten (wobei in die erste Hälfte der 1570er Jahre nur die Nr. 78 aus dem Jahr 1571 fällt) steigt die Zahl zwischen 1581 und 1590 sprunghaft auf 27 Stück, um in der anschließenden Dekade mit 33 Nummern den Höhepunkt zu erreichen. Dem folgt ein langsamer Abstieg mit jeweils 31, 27 und 20 Inschriften in den ersten drei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts. Dabei fällt auf, daß die Inschriftenproduktion nach 1624 radikal zurückgeht; gibt es aus diesem Jahr noch fünf Nummern, so sind es 1626 lediglich drei, aus 1627 und 1628 liegt nur noch jeweils eine Inschrift vor, die Jahre 1629 und 1630 fallen ganz aus. Dies ist auf die Durchzüge des Dreißigjährigen Krieges zurückzuführen, die weder Zeit noch Geld für Bauten und Anschaffungen übrigließen. Aus den beiden folgenden Jahrzehnten liegen 13 bzw. 17 Stück vor, was eine gewisse Beruhigung, aber noch keinen Aufschwung anzeigt, auch wenn die 1640er Jahre bereits wieder erste Hausinschriften – aus dem 1640 durch einen Brand fast vollständig zerstörten Holzminden – aufweisen. Es gibt weiterhin Jahre ohne erhaltene Inschriften (1635, 1637 und 1641); auffallend ist der relativ hohe Anteil von Grabdenkmälern des Adels, die in Rückzugsorten wie Meinbrexen (Nr. 233, 234, 235 u. 259) oder dem verkehrstechnisch abgelegenen Kirchbrak (Nr. 241) entstanden. Der Höhepunkt der Inschriftenproduktion liegt aber eindeutig in den Jahren zwischen 1575 und 1624; in diesen Zeitraum fallen auch die beiden Jahre mit der höchsten Anzahl von Inschriften: 1588 mit sieben bzw. neun und 1610 mit acht, was aber im Einzelfall sicher auf Zufällen der Überlieferung beruht.

Fragt man nach den Ursachen für diesen Höhepunkt in den Jahrzehnten um 1600, so wird in erster Linie auf die seit dem Regierungsantritt des Herzogs Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (1568–1589) nach langer Unsicherheit geklärte konfessionelle Situation zu verweisen sein, die mit einem wirtschaftlichen Aufschwung einherging, der auch unter der Herrschaft seines Sohnes Heinrich Julius (1589–1613) anhielt. Dies schuf die Voraussetzungen für einen gewissen Wohlstand, der Neubauten von weltlichen und kirchlichen Gebäuden sowie die Stiftung von Kirchenausstattungen zuließ.

Damit ist aber noch nichts über die Triebkräfte hinter der Inschriftenproduktion gesagt. Blickt man zunächst auf den Adel, so tritt hier das Repräsentationsbedürfnis hervor, das eng mit dem Kampf um die Bewahrung bzw. den Neuaufbau einer Stellung im frühneuzeitlichen Fürstenstaat zusammenhängt.24) Nachdem Herzog Heinrich der Jüngere 1529 im öffentlichen Landgericht dem landsässigen Adel den Anspruch auf die Kriminalgerichtsbarkeit aberkannt hatte, gelang es diesem seit etwa 1560 andererseits, seine „Häuser“ zu von den Ämtern unabhängigen adeligen Gerichten auszubauen. Dies galt für eingesessene wie für neu belehnte Familien. Ihr Vermögen hatten die letzteren, wie Fritz von der Schulenburg in Hehlen und der Vater des Statius von Münchhausen, Hilmar, oftmals als „Kriegsunternehmer“ erworben.25) Andere Adelige gelangten als Pfandinhaber für ein, zwei oder drei Generationen in den Besitz eines Amtes bzw. Gerichtes.26) Erblichen und Pfandbesitz nutzte der Adel gleichermaßen als Mittel der Statuserhöhung oder -konservierung. [Druckseite 17] Durch Bauten, durch Grabdenkmäler und die Ausstattung von Kirchen stellten sie sich repräsentativ dar. Kirchen wurden dadurch ein Zentrum des Gedenkens und der Selbstdarstellung einer Adelsfamilie.27) Pfandbesitzer, die in dieser Weise agieren, sind die Wrede und ihre Angehörigen in Polle (vgl. Nr. 55, 57 u. 77) und Lauenförde (vgl. Nr. 92 u. 120) sowie die Steinberg (Nr. 98, 99, 100) und Landsberg (Nr. 160 u. Anhang 1, 1607) in Ottenstein. Dies gilt aber auch für die erblich ansässigen Campe in Stadtoldendorf (Nr. 118 u. 211) und Deensen (Nr. 97),28) sowie für die Grone in Kirchbrak.29) Durch Grabdenkmale erfahren wir auch etwas über die von den Adeligen eingesetzten bürgerlichen Amtmänner (Nr. 146, 194 u. 200), die kaum Spuren in den Akten hinterlassen haben.

3. Inschriften, Inschriftenträger und Überlieferung

Von den 276 Inschriften des Landkreises Holzminden sind 198 im Original erhalten, wobei in zwei Fällen zumindest die Lesungen nach älteren Photos im Niedersächsischen Landesdenkmalamt in Hannover ergänzt wurden (Nr. 18 u. 194). Die übrigen sind vollständig oder weitgehend verloren. Die kopiale Überlieferung ist zersplittert; es fehlt ein zentraler Bestand.

In einigen wenigen, aber bedeutsamen Fällen sind die Aufzeichnungen heranzuziehen, die Johannes Letzner (1531–1613) in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts anfertigte. Letzner, der als Pastor in Lüthorst, Iber und Strodthagen im heutigen Landkreis Northeim amtierte, kannte die Orte der benachbarten Wesergegenden aus eigener Anschauung; mit vielen seiner Amtsbrüder stand er in brieflichem Kontakt. Neben der 1596 gedruckten „Dasselischen und Einbeckischen Chronica“ finden sich Inschriften überliefert in seiner „Braunschweig-Lüneburgischen Chronik“, die in mehreren, zum Teil voneinander abweichenden Abschriften des späten 17. Jahrhunderts in Göttingen und Hannover sowie in einzelnen Fragmenten in Wolfenbüttel vorliegen (s. Literaturverzeichnis).30) Letzner galt lange als notorisch unzuverlässig, und tatsächlich ist jede seiner Nachrichten mit Vorsicht zu benutzen; insbesondere bleibt immer die Frage, ob von ihm überlieferte Grabinschriften ausgeführt waren. Andererseits hat die Freilegung einer Bauinschrift in der Kirche von Derental den von Letzner überlieferten Text bestätigt (Nr. 83).

Besonders wichtig ist die kopiale Überlieferung im Fall des Klosters Amelungsborn, aus dem elf erhaltene Nummern neun kopial überlieferten gegenüberstehen. Die Ursachen dafür liegen in der wechselhaften Geschichte der Reformation, den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges (Nr. 126) und der Vernachlässigung der Klosteranlage nach der Verlegung der in der Reformationszeit eingerichteten Schule in der Mitte des 18. Jahrhunderts.31) Erneuerungsmaßnahmen des 19. Jahrhunderts fielen noch die Reste des Kreuzgangs zum Opfer und damit auch zahlreiche Grabplatten, von denen eine noch um 1750 zu sehen war (Nr. 4).

Außer Letzner sind im Hinblick auf Amelungsborn noch heranzuziehen die 1710 erschienene Klostergeschichte von Johann Georg Leuckfeld32) und ein Bericht aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.33) Eine entsprechende Überlieferung fehlt für das Kloster Kemnade, bei dem die komplizierte Säkularisierungsgeschichte und ein vollständiger Funktionsverlust seit der Mitte des 17. Jahrhunderts eine noch stärkere Zerstörung und Entleerung zur Folge hatten. Selbst an den Pfandinhaber des Klosters zwischen 1618 und 1646, Christoph Friedrich von Esleben, und seine Familie erinnert nur ein originales Stück, ein Epitaph für eine Tochter (Nr. 217), während die von ihnen gestiftete Kirchenausstattung zum großen Teil verstreut wurde (vgl. Nr. 256 u. 257). Weitere, heute in der früheren Klosterkirche aufgestellte Grabdenkmäler sind erst im 19. Jahrhundert aus der untergegangenen Dorfkirche des Ortes verlagert worden. Für die Grabdenkmäler von regionalen Adelsfamilien, die es in Kemnade – mindestens zwölf Gräber der Hakes mit Grabplatten34) – wie in Amelungsborn in großer Zahl gegeben haben wird, fehlt dagegen mit wenigen Ausnahmen (Nr. 4, 27, 70 u. 89) eine kopiale Überlieferung.35)

Im Hinblick auf die Ausstattung von Stadt- und Dorfkirchen sind die Corpora bonorum die wichtigste Quelle kopialer Überlieferung. Diese wurden aufgrund einer herzoglichen Anweisung von 1746 zwischen 1749 und 1753 im ganzen Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel als Verzeichnisse der Gebäude, Ausstattungen und Besitztitel der Kirchengemeinden angelegt; die unterschiedliche Ausführung läßt den Quellenwert von Ort zu Ort allerdings stark schwanken.36) Für Hausinschriften ist neben verstreuter Heimatliteratur der ausgezeichnete Band der Bau- und Kunstdenkmäler [Druckseite 19] von Karl Steinacker aus dem Jahre 1907,37) der überhaupt die Basis bei der Erarbeitung der vorliegenden Edition bildet, selbst zu einer Quelle der kopialen Überlieferung geworden, da gerade in diesem Bereich die Verluste durch Brände, Modernisierung und Abbruch seit einhundert Jahren groß sind. Kriegszerstörungen des 20. Jahrhunderts spielen dabei, anders als in den Städten Hannover, Braunschweig oder Hildesheim, keine Rolle. Neufunde seit dem Erscheinen des Werkes von Steinacker sind vor allem bei Grabplatten zu verzeichnen, die jahrhundertelang als Fußbodenbelag gedient hatten und inzwischen wieder aufgedeckt wurden.

Die Grabinschriften und die Inschriften auf Kreuz- und Gedenksteinen

Den Grabinschriften und den Inschriften auf Kreuzsteinen gemeinsam ist, daß sie der Erinnerung dienen. Während bei den ersteren die Person des Verstorbenen im Vordergrund steht, so ist es bei den letzteren ein Ereignis: soweit sich das erkennen läßt, eine gewaltsame Tötung, ein Mord oder auch ein Unfall.

Von den Kreuzsteinen mit Inschriften finden sich acht auf dem Gebiet des heutigen Kreises Holzminden; eine noch größere Zahl ist inschriftenlos. Diese Steine sind ausnahmslos nicht mehr an ihrem ursprünglichen Standort situiert; sie wurden häufig bereits zweimal versetzt und finden sich heute an Kirchen, in Museen oder in einem Gutspark. Verwitterung und Zerstörungen erschweren die Lesung der Inschriften. Der Aberglaube, daß Steinmehl von den Kreuzsteinen bei Krankheiten, insbesondere Kinderlosigkeit helfe, hat dazu geführt, daß vielfach die obere Kante der Steine abgeschlagen ist. (Sagen, die sich regelmäßig um die Kreuzsteine gebildet haben, finden in den Kommentaren im allgemeinen keine Berücksichtigung, da sie sich von dem Textbefund weit entfernt haben.) Die Verlustrate dürfte bei den Kreuzsteinen insgesamt hoch sein. Dafür sind in erster Linie Flurbereinigungen sowie der Straßenbau seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts ausschlaggebend, bei denen sie im Wege waren. In zwei Fällen haben Kreuzsteine zeitweise als Brücken über Bäche gedient (Nr. 11 u. 13), in einem als Treppenstufe (Nr. 23); sie sind so zwar erhalten, aber auch abgetreten worden. Wohlmeinende Restaurierungen haben in einem Fall nicht zur Verbesserung beigetragen (Nr. 12, Abb. 56). In einem anderen Fall ermöglicht dagegen eine Abzeichnung des 17. Jahrhunderts eine weitgehende Rekonstruktion der Inschrift (Nr. 13, Abb. 57 u. 58). Ursprünglich waren die Kreuzsteine vermutlich am Ort der Tat oder in der Nähe einer Hinrichtungsstätte aufgestellt. Hinter ihrer Aufstellung können vor allem zwei Motive stehen: Sühne des Täters bzw. seiner Angehörigen oder ein Auftrag der Verwandten des Getöteten.37)

Die äußere Form der inschriftentragenden Kreuzsteine im Landkreis ist bestimmt durch ein großes, nasenbesetztes Scheiben- oder Radkreuz; in zwei Fällen kommt auf einer Seite eine Kreuzigungsszene hinzu. Die Inschriften sind kurz, lassen aber, soweit dies noch möglich ist, die Erinnerung an einen gewaltsamen Tod, für den die Ausdrücke fuit interfectus, occisus est oder „ließ sein Leben“ stehen, erkennen; in einem Fall ist ausdrücklich von einem Überfall durch Räuber die Rede (Nr. 11, Abb. 54 u. 55). Eine Besonderheit ist der heute in Holzminden aufgestellte doppelte Kreuzstein, auf dem aber nur noch ein Name und Fürbitten sicher zu entziffern sind (Nr. 24, Abb. 66). Die Inschriften sind, mit einer Ausnahme, in Latein abgefaßt; einmal ist Niederdeutsch die Sprache (Nr. 17), in einem Fall beschränkt sich die Inschrift auf einen Namen (Nr. 25, Abb. 68). Wappenschilde deuten in zwei Fällen auf einen Getöteten aus dem Adel oder der städtischen Oberschicht hin (Nr. 12 u. 25); eines der Opfer war offenbar auf einer Reise (Nr. 11). In drei Fällen zeigt die Abbildung von Pflugschar und Sech (Pflugmesser) vermutlich die bäuerliche Herkunft des Opfers an (Nr. 13, 23 u. 24); ein Kräuel deutet auf den Beruf des Schlachters hin (Nr. 17).

Zwei Gedenksteine von 1429 und 1445, beide heute in Bodenwerder, weichen in der äußeren Form deutlich von den Kreuzsteinen ab, in deren Inventar sie auch nicht aufgenommen wurden. [Druckseite 20] Sie ähneln einander durch die Darstellung des Verstorbenen in Bethaltung unterhalb einer Kreuzigungsszene und durch ein Schriftband mit dem miserere, einmal in deutscher und einmal in lateinischer Sprache (Nr. 18 u. 19, Abb. 64 u. 65). Der Stein von 1429 erinnert ebenfalls an einen gewaltsamen Tod. Ein weiterer Gedenkstein von 1585 trägt zwar auf der Rückseite ein nasenbesetztes Kreuz, auf der Vorderseite aber eine mit dem spätmittelalterlichen Typus nichts mehr gemein habende Gedenkinschrift für einen tödlichen Jagdunfall (Nr. 96).

Die insgesamt 73 Grabinschriften machen den größten Komplex des Bestandes aus. Außer fünf spätmittelalterlichen Grabdenkmälern handelt es sich um 42 Grabplatten aus der Zeit nach 1550, von denen fünf kopial überliefert sind; hinzu kommen zwei Fragmente und die ebenfalls nur kopial überlieferten Inschriften auf zwei Särgen. Die 20 Epitaphien – von 18 erhaltenen sind 15 in Stein ausgeführt – unterscheiden sich von den Grabplatten, die zur Abdeckung des Grabes dienen, durch Aufstellung an einer Wand; dies konnte in größerem Abstand zum Begräbnisort geschehen oder auch an einem völlig anderen Ort; vgl. Nr. 143 u. 144. In einem Fall (Abt Andreas Steinhauer, Amelungsborn) ist ein früheres Epitaph beseitigt und durch die ursprüngliche Grabplatte ersetzt worden; vgl. Nr. 101, 102 u. 273.

Unter den fünf Grabdenkmälern aus dem Spätmittelalter ragt die um 1400 entstandene Homburger-Tumba durch die Bedeutung der Auftraggeber und die Qualität ihrer Ausführung heraus (Nr. 14, Abb. 59–62). Drei mittelalterliche Grabdenkmäler, alle aus Amelungsborn, sind nur kopial überliefert. Sie verdienen dennoch Aufmerksamkeit: Die erstere, weil die Person des Verstorbenen den Blick auf die bisher nicht beachtete Ritterfamilie Hoye öffnet; zudem ist mit der Inschrift ein Beleg bereits aus dem frühen 14. Jahrhundert für das Grabdenkmal eines Ritters in einem bedeutenden Kloster gegeben (Nr. 4). Die Grabplatte des Martin bzw. Ernst Hake von 1466/67 ist das früheste Grabdenkmal einer im heutigen Kreisgebiet ansässigen Adelsfamilie und zugleich ein Beispiel für Formen spätmittelalterlicher Frömmigkeit, hier die Hinwendung zum klösterlichen Leben kurz vor dem Tod (Nr. 27). Die Grabschrift für den Abt Werner de Insula von 1498 ist sprachlich bemerkenswert (Nr. 31). Schließlich gehört noch das in Amelungsborn gefundene Fragment einer Grabplatte für eine Frau bürgerlichen Standes, das aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts stammen dürfte (Nr. 47), in den spätmittelalterlichen Kontext.

Die beiden frühesten sicher datierten Grabdenkmale nach 1550 sind zwei anspruchsvolle Renaissance-Epitaphien in Polle, geschaffen von dem niederländischen Künstler Arend Robin für Gordt Ketteler (1553, Nr. 57) und Anna von Meschede (1569, Nr. 77). Arend Robin, der bis Anfang der 1570er Jahre vorwiegend für Familien des Landadels und Bürgertums in Hameln und Alfeld arbeitete (vgl. den Kommentar zu Nr. 57), fand einen Nachfolger in Ebert Wolf d. J. Dieser fertigte nach 1586 drei Grabplatten, die in der Qualität der Ausführung den Epitaphien in nichts nachstehen, für Angehörige der Familie Steinberg an, die das Amt Ottenstein als Pfandinhaber besaßen (Nr. 98, 99, 100, Abb. 107–111). Ebert Wolf und seine Werkstatt haben um 1597 zudem in Hehlen ein großes Erinnerungsensemble für Fritz von der Schulenburg (1518–1589) geschaffen, der in Braunschweig begraben worden war. Auftraggeber war dessen Witwe Ilse von Saldern, die neben dem Andenken ihres Mannes damit offenbar auch eine Rechtfertigung ihrer selbst im Erbstreit mit den Verwandten ihres Mannes beabsichtigte. Dazu gehören zwei Epitaphien, jeweils mit Standbildern des Verstorbenen im Mittelpunkt, die in ihrer Haltung an Roland-Statuen erinnern (Nr. 143, 144, 145, Abb. 28–30 u. 137–139). Zwei Bilder, die Reste eines Epitaphs des kinderlosen Paares aus Braunschweig sein dürften (Nr. 113 u. 114, Abb. 21–23), wurden aufgenommen, weil sie das Totengedenken des Paares in Hehlen, wo sie lange aufbewahrt wurden, und zugleich die Edition des Epitaphs im Band Stadt Braunschweig II ergänzen.38)

Bezeichnenderweise ist es ebenfalls ein „Zugezogener“, Wulbrand von Gülich, der seine als Offizier erworbene Stellung und sein Vermögen durch ein aufwendiges Epitaph dauerhaft für die Nachwelt darzustellen suchte (Nr. 165). Ähnliches gilt für das Epitaph, das Christoph Friedrich von Esleben, der sich in den Besitz des Klosters Kemnade gebracht hatte, für seine 1622 gestorbene Tochter Anna Sophia errichten ließ (Nr. 217).

Von den eingesessenen Familien sind nur aus der Familie von Grone drei Epitaphien erhalten, für Elisabeth von Helversen (1581, Nr. 93), das Kind Anna Maria von Grone (1590, Nr. 117) und [Druckseite 21] Simon von Grone (1610, Nr. 182). Von den früheren Grabdenkmalen der Familie von Bevern ist lediglich ein Gemälde erhalten, das den Rest eines vermutlich hölzernen Epitaphs bildet. Es zeigt ein Bild des Johann von Bevern und seiner Familie; die zugehörige Grabschrift wurde von Letzner überliefert (Nr. 69). Die ebenfalls von Letzner überlieferte Grabschrift für dessen Sohn Brun Arndt von Bevern dürfte ebenfalls auf einem hölzernen Epitaph angebracht gewesen sein (Nr. 112).

Epitaphien für Bürger finden sich mit zwei Ausnahmen nur in Bodenwerder bzw. dem benachbarten Kemnade. Dabei handelt es sich ausschließlich um Grabdenkmäler für Angehörige von Ratsfamilien. Dem frühen Epitaph für Katharina Bickhaber von 1592 (Nr. 127), eine Enkelin des in Ottenstein mit einer Grabplatte von Ebert Wolf geehrten Ernst Bickhaber (Nr. 100), steht das Epitaph gegenüber, das ihre Mutter etwa zwanzig Jahre später ihren beiden Ehemännern (einer war Bürgermeister in Bodenwerder, einer Amtmann in Grohnde) sowie mehreren Kindern setzen ließ (Nr. 194, 1613). Die anderen drei Epitaphien sind für den Stadtschreiber Franz Rust (Nr. 163, 1604) sowie für die Bürgermeister Anton Bötticher (1617, Nr. 203) und Hans Domes (Thumbs) (Nr. 210, 1619), jeweils mit ihren Ehefrauen, errichtet worden. Die beiden letzteren weisen in der Ausführung so große Übereinstimmungen auf, daß sie aus der gleichen Werkstatt stammen dürften.

Die Entstehung von zwei weiteren Epitaphien verdankt sich vermutlich weniger dem Rang der Verstorbenen, sondern tragischen Ereignissen – Unfällen oder Seuchenzügen. Ein schlichtes Gemälde in Ottenstein erinnert daran, daß zusammen mit Hans Althaus, der dort Amtmann gewesen sein dürfte, vier seiner Kinder am selben Tag verstorben sind (1598, Nr. 146). Die naive Darstellung einer Familie in Grave aus dem Jahr 1624 hält den Tod einer Frau zusammen mit drei ihrer Kinder am gleichen Tag in Erinnerung (Nr. 224, Abb. 194).

Nachdem die Wesergegenden von den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges erfaßt worden waren, wurden aufwendige Epitaphien nicht mehr errichtet. Die einzige Ausnahme davon findet sich in dem von der Durchgangsstraße im Lennetal abgelegenen Kirchbrak, wo 1634 eine Witwe für ihre zwei Ehemänner aus der Familie von Grone einen hölzernen Epitaphaltar errichten ließ, der im frühen 18. Jahrhundert zu einem Kanzelaltar umgebaut wurde, aber noch wesentliche Bestandteile seines ursprünglichen Aufbaus aufweist (Nr. 241). In Bevern fehlte es Statius von Münchhausen nach seinem Konkurs vermutlich an Geld, so daß für ihn und seine Frau 1633 jeweils „nur“ eine, heute stark überarbeitete Grabplatte angefertigt wurde (Nr. 237 u. 239).

An den 15 steinernen Epitaphien ist formal eine gewisse Reduzierung seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts auszumachen. Liegt bei den beiden frühesten, von Arend Robin gestalteten Beispielen (1553 u. 1569, Nr. 57 u. 77, Abb. 87 u. 95) eine klare Ädikula vor, die bei zwei weiteren in Kirchbrak gegen Ende des Jahrhunderts bereits freier interpretiert wird (1581 u. 1590, Nr. 93 u. 117, Abb. 103 u. 117), so zeigen nur noch zwei Epitaphien von 1604 (Nr. 165, Abb. 31) und 1613 (Nr. 194, Abb. 172) grundsätzlich diesen Aufbau. Die übrigen weisen – die vom zentralen Standbild dominierten Schulenburgschen Epitaphien in Hehlen bilden eine eigene Gruppe (Nr. 143 u. 144) – nur noch einzelne Bestandteile der klassischen Ädikulaform auf. Der von naiven, frontalen Personendarstellungen gekennzeichnete Stein in Grave (1624, Nr. 224, Abb. 194) läßt außer zwei Voluten in der Sockelzone jegliche architektonische Gestaltungsmerkmale vermissen, die sich umgekehrt auch auf einzelnen Grabplatten finden lassen. Die übrigen Epitaphien nähern sich der Gestalt von Grabplatten an, wofür die Übernahme von umlaufenden Inschriften (auch bei dem eben genannten Epitaph Nr. 165) ein deutliches Zeichen ist. Während bei den drei Epitaphien in Bodenwerder die Differenz zu Grabplatten durch die halbplastische Gestaltung der Figuren erreicht wird (Nr. 163, 203 u. 210, Abb. 152, 182 u. 183), so unterscheidet sich das Epitaph für Katharina Bickhaber in Kemnade (1592, Nr. 127, Abb. 120) vor allem durch seinen Aufsatz von der Grabplatte für den 1593 gestorbenen Johann von Grone (1593, Nr. 129, Abb. 121). Bei dem Epitaph für Simon von Grone (Nr. 182, Abb. 153) wird der Unterschied ebenfalls nur durch einen Aufsatz markiert, wie der Vergleich mit der Grabplatte für Heinrich von Grone (1617, Nr. 204, Abb. 181) zeigt. Aufsatz und Unterhang weist nur das Epitaph für das Kind Anna Sophia von Esleben auf, das 1622 oder später entstanden ist (Nr. 217, Abb. 32 u. 33).

Die überwiegende Mehrzahl der Epitaphien, wiederum außer den Schulenburgschen und den drei zuletzt genannten, aber auch die beiden gemalten (Nr. 69 u. 146), zeigen den oder die Verstorbenen, zum Teil mit ihren Familien, in Seiten- oder Dreiviertelansicht kniend in Bethaltung unter einem Kruzifix; dies gilt auch für die beiden Kinderepitaphien Nr. 117 u. 127. Diese Art der Darstellung [Druckseite 22] findet sich außerdem nur noch auf zwei Grabplatten von 1591 und 1593 (Nr. 120 u. 129) und einer nicht datierten (Nr. 269, 1. H. 17. Jh.). Bemerkenswert ist, daß sich die Adeligen (und ein bürgerlicher Amtmann, der zuvor vermutlich Offizier gewesen war: Ernst Bickhaber) zunächst alle in Rüstung darstellen ließen, vgl. Nr. 55, 57, 69, 77, 99, 100 u. 120. Seit dem letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts geschah dies nur noch in Ausnahmefällen; bei den früheren Kriegsunternehmern Fritz von der Schulenburg (1597, Nr. 143 u. 144) und Wulbrand von Gülich (Nr. 165, Abb. 31) sowie bei dem 1617 mit 105 Jahren gestorbenen Heinrich von Grone, der in jüngeren Jahren als kaiserlicher Rittmeister in Ungarn gekämpft hatte (Nr. 204, Abb. 181). Bei Statius von Münchhausen, der keine bedeutende Rolle als Soldat gespielt hatte, bleibt es bei Degen und Helm als Zeichen seiner Adelsqualität (Nr. 237). Zwei andere Adelige lassen sich dagegen seit Anfang der 1590er Jahre mit knielangen Mänteln abbilden (Nr. 129 u. 182, Abb. 121 u. 153), eine Kleidung, die sich von derjenigen bürgerlicher Amtmänner und Bürgermeister (Nr. 163, 200, 203, 210, 224 u. 227) nur durch den angedeuteten Degen unterscheidet. Der im Dreißigjährigen Krieg nach Kemnade verschlagene Bannerträger Balduin von Zerbst ist im Soldatenrock der Zeit mit Pluderhosen, ursprünglich einem Degen und Fahne dargestellt (Nr. 264, Abb. 218). Die nicht in Gebetshaltung abgebildeten Männer, Frauen und Kinder nehmen eine frontale, meist breitbeinige Position ein, bei der allenfalls der Kopf leicht gedreht ist. Die Ausnahme bilden die von Ebert Wolf nach 1586 gestalteten Männer und Frauen (Nr. 98, 99, 100 Abb. 107–109), die in einer lockeren Haltung in Dreiviertelansicht abgebildet sind.

Von den Geistlichen wird nur etwas mehr als die Hälfte auf den Grabplatten figürlich dargestellt: frontal, mit langem Mantel (Habit) und zumeist einem Buch in der Hand, wie Abt Andreas Steinhauer auf seiner später als Epitaph verwendeten Grabplatte, die 1588 von dem Mindener Bildhauer Johannes Barckhausen angefertigt wurde (Nr. 101, Abb. 112); ähnlich auch 1626 bei dem Haller Superintendenten David Meibom (Nr. 230, Abb. 195), während dessen Vorgänger Tilemann Lensen, wie Bürger und Adelige, Handschuhe in der Rechten hält (1623, Nr. 218, Abb. 187). Der mit 91 Jahren verstorbene Rühler Pastor Barthold Albrecht ist nur in Dreiviertelansicht abgebildet (1648, Nr. 261, Abb. 34), ebenso wie Anna Maria Lensen, die Ehefrau des Pastors von Bodenwerder und Kemnade (1642, Nr. 247, Abb. 205). Drei weitere Pastoren begnügen sich mit einem jeweils in Ritzzeichnung ausgeführten Kreuz (1610 u. 1628, Nr. 183 u. 233, Abb. 166 u. 201) bzw. Kelch (1598, Nr. 147, Abb. 142) auf ihren Grabplatten.

Über einen langen Zeitraum verzichtete dagegen nur einziger Adliger – der 1590 gestorbene Bartold von Campe in Stadtoldendorf – auf die Abbildung seiner Person und ließ sich unter einem in der Form mittelalterlich anmutenden, auf einen Bogensockel gestellten Kruzifix auf seiner Grabplatte begraben (Nr. 118, Abb. 119). Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß die aufwendigeren Stücke mit einer Darstellung des Verstorbenen sicher eine größere Chance auf Erhaltung hatten. Ab 1631 waren es möglicherweise die Bedrängnisse des Krieges, die jetzt in Meinbrexen und Deensen mehrere Grabplatten von Adeligen entstehen ließen, auf denen ein zentrales Bibelzitat von vier, teilweise durchaus aufwendig gearbeiteten Wappen, begleitet wird (Nr. 234, 235, 236 u. 259, Abb. 202, 200, 203 u. 213).

Adelige, Pastoren und bürgerliche Beamte haben auch Wickel- und Kleinkindern Grabdenkmäler gesetzt. Ausführlicher erwähnt wurden bereits drei Epitaphien für im Alter von 43 Wochen bis sechs Jahre verstorbene Kinder (Nr. 117, 127 u. 217, Abb. 117, 120 u. 32). Die übrigen zeigen in Frontalansicht die zeitgenössischem Gebrauch entsprechend eng gewickelten Säuglinge (Nr. 105 u. 192, Abb. 113); soweit die Angaben in den Inschriften dies erkennen lassen, sind die auf Kissen gelegten Wickelkinder nur wenige Tage alt geworden (Nr. 193, 211 u. 240, Abb. 171, 184 u. 198). Ältere Kinder, die ein Alter von einigen Monaten erreicht haben, werden im Kleid dargestellt; dies gilt, wie es zeitgenössischem Usus entspricht, auch für Jungen (Nr. 127 u. 205, Abb. 120 u. 179). Die doppelte Grabplatte für zwei Geschwister aus der Familie von Campe in Stadtoldendorf (Nr. 211) illustriert dies besonders deutlich. Halbplastisch sind die Kinder des Amtmannes Johann Stein dargestellt (1613 u. 1618, Nr. 193 u. 205). In zwei Fällen sind die Platten nur mit Wappen und geflügelten Engelsköpfen versehen (Nr. 169 u. 251, Abb. 158 u. 206).

Alle erhaltenen Grabdenkmäler weisen mindestens einen Sterbevermerk auf; weitere Inschriften kommen in einem unterschiedlichen Ausmaß hinzu. Während auf den Grabplatten der Sterbevermerk immer umlaufend angebracht ist, ist dessen Position wie die Zahl und Art weiterer Inschriften auf den Epitaphien je nach Aufbau und Größe variabler. So ist bei dem frühesten erhaltenen [Druckseite 23] Epitaph von 1553 in Polle der – sehr knappe – Sterbevermerk auf einem Schriftband im Giebelfeld angebracht; in der Sockelzone findet sich ein längeres Bibelzitat auf einer Rollwerkkartusche (Nr. 57, Abb. 87). Bei dem sechzehn Jahre später vom selben Bildhauer angefertigten Gegenstück am selben Ort haben beide Inschriftenarten ihren Platz getauscht. Der Sterbevermerk ist nun zu einem ausführlicheren Prosa-Grabspruch erweitert; in der Giebelzone findet sich dafür ein stark verkürztes Bibelzitat auf einem Schriftband (Nr. 77, Abb. 95). Diese Verteilung bestimmt grundsätzlich alle Epitaphien mit architekturähnlichem Aufbau, wobei das Bibelzitat den Giebel je nach Gestalt teilweise (Nr. 93, Abb. 103) oder vollständig einnehmen kann (Nr. 117 u. 182, Abb. 117 u. 153). Eine Ausnahme bildet das Kinderepitaph Nr. 217 (Abb. 32 u. 33), bei dem ein Bibelzitat auf dem Unterhang, ein zweites aber umlaufend angebracht ist. Über gemalte Epitaphien läßt sich nur wenig sagen, da diese mit einer Ausnahme, bei dem der Sterbevermerk auf einer Tafel unter dem Bild angebracht ist, gar nicht oder nur in Resten, d. h. den Gemälden, erhalten sind.

Bei der Mehrzahl der Grabplatten mit einer figürlichen Darstellung blieb es bei dem umlaufend angebrachten Sterbevermerk. In Einzelfällen kommt noch eine unterhalb des Dargestellten angebrachte Grabschrift hinzu, wie bei der später als Epitaph aufgestellten Grabplatte für Abt Andreas Steinhauer (Nr. 101, Abb. 112); ebenso bei dem als Epitaph anzusehenden Grabdenkmal für Franz Rust in Bodenwerder (Nr. 163, Abb. 152). Bei den Grabplatten ohne figürliche Darstellung nimmt ein Bibelzitat die zentrale Position auf der Platte ein (Nr. 147, 169, 198, 234, 235, 236, 251, 259 u. 272); auf der Platte für den gelehrten Pastor Andreas Compertus sind es drei Zitate (Nr. 183, Abb. 166). Nach 1633 wird auch eine Darstellung des Verstorbenen mit einem darunter angebrachten Bibelzitat kombiniert (Nr. 237, 239, 240, 247, 261 u. 267). Alle Bibelzitate sind, mit einer Ausnahme (Nr. 165),39) mit Stellenangaben versehen, zu der nur in zwei Fällen aus den Jahren 1632 und 1633 (Nr. 236 u. 237) die bis dahin ungebräuchliche Angabe des Verses kommt. Das häufigste Bibelzitat ist Mk. 10,14 (Lasset die Kindlein zu mir kommen ...), das sich auf den meisten Grabdenkmälern für Kinder findet. Je dreimal erscheint Hi. 19,25 (Ich weiß, daß mein Erlöser lebt ...) und Wsh. 3,1 (Der Gerechten Seelen sind in Gotts Hand ...), je zweimal Rö. 14,7–8, Jh. 14,19 und 2. Ti. 4,7–8.40)

Zu den Grabschriften lassen sich auch die kopial überlieferten Inschriften auf zwei Särgen rechnen (Nr. 238 u. 258). Diese trugen beide längere Inschriften mit biographischen Angaben zum Verstorbenen; von dem Sarg des Statius von Münchhausen ist zudem ein umfangreiches Programm mit zwei geistlichen Gedichten und zehn Bibelzitaten überliefert (Nr. 238).

Das auf den wenigen spätmittelalterlichen Grabdenkmälern sehr knappe Formular des Sterbevermerks, das sich auf das Jahr, den Namen und eine Fürbitte beschränkt, wird allenfalls durch Epitheta wie strenuus famulus für einen Adeligen (1466/67, Nr. 27) oder de Erbar Vnde veldo[gentsame] für eine bürgerliche Frau (Nr. 47) erweitert. Nur eine kopial überlieferte Grabschrift für den Amelungsborner Abt Werner de Insula von 1498 (Nr. 31) ist in lateinischen Versen abgefaßt. Dies Formular bleibt in seiner Grundform auch nach der Mitte des 16. Jahrhunderts bestehen.

Den Kern des Formulars dokumentiert der früheste, äußert knapp gehaltene Sterbevermerk, der auf einem relativ kurzen Schriftband Platz hatte: AN(NO) 1553 IST DER EDLE VND ERENVEST GORDT KETLER IM HERN SALIGLICH ENTSLAFEN (Nr. 57). Die Grundelemente bleiben ausnahmslos erhalten: Der Beginn mit „Anno“ oder „Anno Domini“, auch in den deutschsprachigen Inschriften, von denen nur eine mit der verknappt übertragenen Formel 1590 IAR einsetzt (Nr. 118), ist fast immer gegeben. Die weitgehend feststehenden Epitheta lassen im Fall teilweiser Zerstörungen der Inschrift eine Zuordnung des Sterbevermerks zu einem Adeligen, einem Bürger oder einem Pastor zu (vgl. Nr. 147).41) Über die Variationen der Sterbeformel informiert das Register 6.42) Ab den 1560er Jahren kommt die Angabe des Todestages hinzu, die nur in ganz wenigen Fällen fehlt: Die Grabplatte für den 1617 mit 105 Jahren gestorbenen Heinrich von Grone war vermutlich zu seinen Lebzeiten angefertigt worden und dabei der Platz für das Datum nicht freigelassen (Nr. 204, Abb. 181); in anderen Fällen wurde das Todesdatum auf einer zu Lebzeiten anfertigten Grabplatte nicht mehr nachgetragen (Nr. 236, 261); einmal war das Todesdatum der 40 Jahre vor ihrem Mann gestorbenen Ehefrau offenbar nicht mehr bekannt (Nr. 210). Der [Druckseite 24] 1647 oder 1648 gestorbene Johann von Falkenberg wurde, vermutlich wegen des Krieges, nicht an seinem Wohnort begraben (Nr. 259). In einem weiteren Fall sind zwar Todestag und Todesstunde angegeben, nicht aber das Jahr, was auf einem Fehler des Steinmetzen beruhen dürfte (Nr. 264). Die Angabe der Todesstunde tritt erstmals 1586 auf (Nr. 99); danach erscheint sie häufig, besonders regelmäßig auf den für die Familie von Grone angefertigten Grabdenkmalen.43)

Das Formular wird außerdem erweitert bei verstorbenen Frauen um die Nennung des Ehemannes – zumeist in der Form „des N. N. eheliche Hausfrau“ –, bei Kindern um die Angabe der Eltern. Aber auch bei erwachsenen Adeligen wird seit dem späten 16. Jahrhundert öfter der Vater genannt (Nr. 99, 144, 165 u. 237); dies gilt auch für den im Methusalem-Alter gestorbenen Heinrich von Grone (Nr. 204). Adelige lassen sich einige Male als Erbherr (Nr. 204) bzw. haereditarius (Nr. 259 u. 264) eines Besitzes oder auch als Pfandherr des Klosters Kemnade (Nr. 258) bezeichnen. Bürgerliche geben ihr Amt – Bürgermeister (Nr. 194, 203 u. 210), Amtmann (Nr. 193, 194, 200, 205) oder Pastor (Nr. 183, 218, 223, 230, 231, 233, 240, 247 u. 261) – an, leider nicht immer mit Angaben zur Wirkungsstätte. Die Anführung des Geburtstages oder Geburtsjahres (Nr. 204, 264) kommt seit Ende des 16. Jahrhunderts gelegentlich hinzu (Nr. 144, 165, 182, 237, 238, 239 u. 259); mit nur zwei Ausnahmen – verstorben sind eine Tochter und die erste Frau des Pastors Johannes Schwanflügel, der mit Amtsantritt auch ein Kirchenbuch zu führen begann (Nr. 240 u. 247) – nur bei Adeligen. Eine Fürbitte beschließt fast immer das erweiterte Formular.44)

Einige Sterbevermerke verlassen das Formular und nähern sich durch eine freiere Stellung der Elemente und deren Erweiterung (Nr. 93, 237 u. 239) den ausführlichen Grabschriften an, die sich auf mehreren Epitaphien finden. Beide Inschriftentypen erscheinen auf der ursprünglichen Grabplatte des Abtes Steinhauer (Nr. 101), dem Epitaph des Stadtschreibers Franz Rust (Nr. 163) und der Grabplatte des Pastors Georg Krebs (Nr. 223) nebeneinander. Anlaß für die Erweiterung des Sterbevermerks ist oftmals ein besonderes Ereignis, über das berichtet wird: zweimal der Tod eines Elternteils zusammen mit mehreren Kindern (Nr. 146 u. 224) oder ein Mord (Nr. 129). Die eigentlichen Grabschriften sind noch wesentlich ausführlicher, freier in der Form und gelegentlich auch in Versen verfaßt: Die Musterbeispiele finden sich, außer im Fall des Abtes Steinhauer, auf den Epitaphien für Fritz von der Schulenburg, zu deren umfangreichem Programm außerdem jeweils eine Bauinschrift und eine – durch die lateinische Sprache und Kapitalis-Schrift – hervorgehobene Stifterinschrift der Ehefrau Ilse von Saldern – gehört (Nr. 143 u. 144), sowie dem Grabdenkmal für Wulbrand von Gülich und seine Frau, zu dem außer einer lateinischen Grabschrift in elegischen Distichen auch noch ein Chronodistichon gehört (Nr. 165). Eine Devise findet sich auf einem der Schulenburgschen Epitaphien (Nr. 143), der Grabplatte des Johann von Falkenberg (Nr. 259), aber auch dem Grabmal des Pastors Andreas Compertus (Nr. 183).

Eine Ausnahme bildet in inhaltlicher wie formaler Hinsicht die sekundäre Grabplatte für Abt Andreas Steinhauer aus dem 17. Jahrhundert (Nr. 273, Abb. 222), die als einzigen Schmuck eine Grabschrift trägt, die auf die frühere Grabplatte, das nunmehrige Epitaph (Nr. 101), verweist.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der erhaltenen Grabdenkmäler sind die Wappen, die sich auf fast allen in Stein ausgeführten Epitaphien und den meisten Grabplatten finden. Alle Grabdenkmäler des Adels weisen Wappen auf, was die Bedeutung der Grabdenkmäler für die Darstellung des Standes, der sich nicht zuletzt an der Abstammung beweist, unterstreicht. Standard ist eine Ahnenprobe von vier Wappen, die zumeist in den Ecken der Grabplatte angeordnet sind; auf den Epitaphien ist die Verteilung freier (vgl. z. B. Nr. 117). Lediglich zwei Wappen finden sich auf der Doppelgrabplatte für zwei Kinder der Familie von Campe (Nr. 169) und bei einem anderen Mitglied der Familie, dessen Mutter eine Bürgerliche war (Nr. 118), weswegen vermutlich darauf verzichtet wurde, auf frühere Generationen Bezug zu nehmen. Die Wappen eines Ehepaares zieren zwei besondere Objekte: das Epitaph im Hof von Schloß Hehlen (Nr. 144) und den Sarg des Statius von Münchhausen (Nr. 238). Ahnenproben mit acht oder sechzehn Wappen dokumentieren ein noch einmal erhöhtes Repräsentationsstreben. Sie finden sich daher auch nur auf aufwendiger gestalteten Grabplatten oder Epitaphien.45) Acht Wappen zieren die von Ebert Wolf geschaffene [Druckseite 25] Grabplatte der Maria von Bortfeld (Nr. 98),46) sechzehn die ihres Sohnes August von Steinberg (Nr. 99), Heinrich von Grones (Nr. 204) sowie die für Statius von Münchhausen und seine Frau Dorothea von Bothmer (Nr. 237 u. 239). Sechzehn Wappen finden sich auch auf dem Epitaph für Fritz von der Schulenburg im Schloß Hehlen (Nr. 143); Anna von Wechsungen ließ 1634 für sich und ihre beiden verstorbenen Ehemänner drei Ahnenproben dieser Dimension auf dem von ihr in Kirchbrak gestifteten Epitaphaltar anbringen (Nr. 241). Einen Sonderfall bildet das Epitaph für den Obersten Wulbrand von Gülich, dessen etwas überladener Versuch der Statussicherung ihn ebenfalls acht Wappen anbringen ließ, von denen aber nur eines auf eine alte Adelsfamilie unter den Vorfahren verweisen konnte (Nr. 165). Die Wappen der großen Ahnenproben sind, mit Ausnahme derjenigen auf der Grabplatte für Heinrich von Grone (Nr. 204), mit Beischriften versehen, die der kleineren seltener. Vermutlich waren die ersteren erläuterungsbedürftiger.

Anders sehen die Verhältnisse bei den Verstorbenen bürgerlichen Standes aus. Wappen fehlen nur auf den beiden zur Erinnerung an außerordentliche Todesfälle gestifteten schlichten Epitaphien (Nr. 146 u. 224) und auf einer Grabplatte für einen Pastor aus dem Jahr 1598 (Nr. 147). Die überwiegende Zahl der Grabdenkmale, im 17. Jahrhundert auch die der Pastoren oder ihrer Angehörigen, trägt zwei Wappen, die entweder für ein Ehepaar stehen oder für die Eltern jung verstorbener Kinder; in einem Fall werden die Elternwappen auf dem Epitaph eines Paares angebracht (Nr. 210). Auf der Grabplatte für Abt Steinhauer steht sein eigenes Wappen dem des Klosters gegenüber. Lediglich einmal wird für ein Kind aus der Familie Bickhaber, das unter seinen Großmüttern immerhin eine geborene von Bortfeld aufweisen konnte, eine Vierer-Ahnenprobe angebracht (Nr. 127). Das Vorbild des Adels hat die Verwendung (und Erfindung) von Wappen für standesbewußte Bürgerliche (Amtmänner, Bürgermeister, Pastoren) fast unumgänglich gemacht; diese verweisen aber zuerst auf die Person und nicht die Familie, weswegen die Beischriften auch zumeist nur Initialen sind, einmal auch der ganze Name (Nr. 163), was beim Adel seltener vorkommt.

Die Hausinschriften

Von den 60 Hausinschriften des Katalogs, dem zweitgrößten Bestand des Bandes, ist nur die Hälfte erhalten. Unter den drei Städten weist Bodenwerder die größte Zahl (11) und auch die beiden frühesten Inschriften – die einzigen Hausinschriften aus dem 15. Jahrhunderts von 1481 (Nr. 30) und 1484 (Anhang 1, 1484) – auf. In Holzminden sind es nur sieben, weil die Stadt 1640 fast vollständig abbrannte; aus der Zeit davor sind nur Inschriften aus einem etwas abseits gelegenen Haus (Nr. 172) und Spolien (Nr. 173 u. 199?) erhalten. Der Wiederaufbau begann nur langsam; auch aus den Jahren 1640 bis 1650 liegen nur vier Nummern vor. Mehrere undatierte Inschriften, die zweifelsohne aus dem 17. Jahrhundert stammen, wurden nicht aufgenommen, weil die Ortsgeschichtsschreibung zeigen konnte, daß diese Häuser erst nach 1650 entstanden sind.47) Wie bei Bodenwerder fallen damit einige interessante Inschriften aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus dem Bestand heraus.48)Aus Stadtoldendorf liegen nur fünf Nummern vor; demgegenüber weist der unter der Regie des Statius von Münchhausen ab 1590 sich schnell entwickelnde Flecken Bevern sogar sechs Inschriften auf. Der Rest verteilt sich auf insgesamt 22 Dörfer und Flecken, in denen sich jeweils eine oder zwei Inschriften finden; nur in einem Fall (Warbsen) sind es drei.

Die äußere Gestalt der städtischen wie der dörflichen Häuser ist schlicht; der Schmuck ist zumeist ornamental (Taubandfriese u. ä.); hinzu kommen allenfalls Handwerkszeichen. Zeitlich setzen die städtischen und dörflichen Hausinschriften – mit Ausnahmen der beiden genannten aus Bodenwerder – erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein (1549, 1550); der Schwerpunkt liegt auf den Jahren zwischen 1580 und 1627. Nach einem Einzelfall (1636) kommt es erst ab 1640 wieder zu einer gewissen Neubautätigkeit, an der Holzminden und Bodenwerder den größten Anteil haben.

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Der erste Zweck der Hausinschriften ist die Selbstdarstellung des oder der Bauherren, die sich mit ganz wenigen, zumeist früheren Ausnahmen (Nr. 54, 63, 72 u. 201) mit Name und Jahreszahl an den von ihnen erbauten Häusern nennen. Bei den übrigen Fällen von Hausinschriften ohne Namensnennung handelt es sich offenbar um spätere Teilverluste (vgl. Nr. 254, 270, auch Nr. 154?). Die Inschriften, die an 42 Häusern über Name und Jahreszahl hinaus angebracht wurden, haben zumeist einen religiösen Inhalt. Neben solche Inschriften, die dabei auf das Bauen selbst Bezug nehmen, treten diejenigen, die allgemein der Frömmigkeit des Bauherrn Ausdruck verleihen. Für erstere stehen sowohl Bibelzitate – Ps. 120,8 (lat.: Nr. 140 u. 202) bzw. 121,8 (dt.: Nr. 178) – wie das häufige Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut (Nr. 149, 150, 177 u. 185), das in zwei Fällen in einer längeren, auf ein Kirchenlied zurückgehenden Version erscheint (Nr. 189, 191, auch 253?); einmal wird der Text mit der Nennung des Bauherrn verknüpft (Nr. 187), an anderer Stelle erscheint er als Aufforderung formuliert: Auf Gott laßt uns bauen ... (Nr. 178 u. 225). Die in vielen Orten häufige, fromme Distanzierung vom Stolz auf das neu erbaute Haus, ausgedrückt in dem Gedanken, nur zeitweiliger Bewohner des Hauses und auf Erden überhaupt zu sein, findet sich nur zweimal (Nr. 250 u. 270). An erster Stelle der allgemein Frömmigkeit ausdrückenden Inschriften steht auch im Landkreis Holzminden die protestantische Devise Verbum domini manet in aeternum (zuerst 1575, Nr. 79; 148, 207), die sich außerdem an einem Kirchenbau von 1577 und auf einem Taufstein von 1581 findet (Nr. 81, 91); auch An Gottes Segen ist alles gelegen kommt öfter vor (Nr. 199, 209 u. 246). Bibelzitate in lateinischer (Nr. 72 u. 197) und deutscher Sprache spielen dabei eine große Rolle, wobei das ungewöhnliche Sir. 19,21 (Nr. 54, Abb. 39, 1550) auffällt. Nur wenige Häuser zeichnen sich durch die Anbringung von mehreren Inschriften aus, vor allem Nr. 162 (Abb. 42 u. 43) in Bodenwerder von 1604, das eine (unvollständige) Prosainschrift, deutsche Reimverse und lateinische Hexameter, darunter ein als Sprichwort gängiges Ovid-Zitat, aufweist und damit neben der Frömmigkeit des zweimal genannten Bauherren-Paares auch dessen Bildungsanspruch präsentiert. Ähnliches dürfte für das lateinisch zitierte Sprichwort Recte faciendo neminem timeas gelten, das neben einem Liedtext und deutschsprachigen Bibelzitaten angebracht wurde (Nr. 189, ebenfalls Bodenwerder, Abb. 168–170). In einem Fall aus Stadtoldendorf finden sich neben einem religiösen Spruch Verse, die die Möglichkeit von Freundschaft vor dem Hintergrund der Schönheit der Ehefrau thematisieren (Nr. 186, Abb. 44–46). Für die sonst (nur in größeren Städten?) häufigeren Neidsprüche findet sich nur ein Beispiel (Nr. 123).

Die frühesten Inschriften, die protestantische Frömmigkeit dokumentieren, finden sich in Bodenwerder (Nr. 54, 63 u. 72), das zum Fürstentum Calenberg gehörte, in dem die Reformation bereits in 1540er Jahren faktisch durchgesetzt war. In den übrigen Ortschaften setzen solche Inschriften erst einige Jahre nach dem Regierungsantritt von Herzog Julius (1568) ab 1575 (Nr. 79, unsicher) bzw. 1580 ein. Die Inschrift von 1549 in Forst (Nr. 53) ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Formal, weil sie an einem Amtsgebäude angebracht wurde, und inhaltlich, weil der Amtmann des katholischen Herzogs Heinrich d. J. neben einer in einen Hexameter gefaßten religiös-politischen Klage, die sich eindeutig gegen die Reformation richtet, ein lateinisches Bibelzitat anbringen ließ (Ps. 127,1), das zu einer der bevorzugten protestantischen Bauinschriften im norddeutschen Raum wurde.

Einige Inschriften beziehen sich auf historische Ereignisse oder überliefern historische Informationen. Von zwei Hausinschriften in Wangelnstedt aus demselben Jahr (1591) erinnert die eine an die Wiederbesiedlung des Dorfes und greift damit auf ein über 70 Jahre zurückliegendes Geschehen (1518 laut Inschrift) zurück (Nr. 121), die andere berichtet von trockenen Sommern und guter Mast in den zurückliegenden Jahren (Nr. 122). Eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen der Stadt Braunschweig und dem Herzog im Jahre 1606 hinterließ soviel Eindruck, daß ein Bauherrenpaar in Emmerborn in seiner Inschrift darauf Bezug nahm (Nr. 167). An Pfarrhäusern wird wiederholt über die Umstände ihres Baus berichtet. In Derental informierten elegische Distichen des zweiten Hausherrn darüber, daß das Haus auf Kosten und unter Mithilfe der Einwohner des Ortes gebaut worden war (Nr. 95, nach 1584); dasselbe besagte, in schlichteren Worten, eine Inschrift von 1618 in Deensen (Nr. 207). Ebenfalls in elegischen Distichen präsentierte ein Pfarrer um 1620 in Stadtoldendorf seine Bildung (Nr. 215). Der Pastor in Heinsen nahm 1614 mit einem lateinischen Bibelzitat auf sein Amt Bezug (Mal. 2,7; Nr. 197). Wiederum in elegischen Distichen feierte der Amtmann Nikolaus Thesmar 1609 seinen Herzog und Gönner Heinrich Julius mit einer zweispaltigen Inschrift auf einer Steintafel, die auch in ihrer eleganten Ausführung in einer humanistischen Minuskel beeindruckt (Nr. 172, Abb. 155).

Die Glocken

Von insgesamt 27 Glockeninschriften sind 15 nur kopial überliefert, von denen wiederum drei lediglich Jahreszahlen (s. Anhang 1) aufwiesen. Die Verluste haben sich überwiegend bereits zwischen dem 17. und frühen 20. Jahrhundert ereignet, wie die bereits von Steinacker ausgewerteten Nachrichten in den um 1750 entstandenen Corpora bonorum und ein Abgleich mit dem Zustand um 1900 bzw. zu Anfang des 21. Jahrhunderts zeigt.

Die beiden frühesten Glocken datieren in das Jahr 1447, die früheste erhaltene stammt aus dem Jahr 1471. Aus vorreformatorischer Zeit liegen bis 1529 insgesamt zehn Glocken vor. Nach einer von Herzog Heinrich d. J. 1564 für Eimen gestifteten Glocke stammen 13 aus der Zeit zwischen 1588 und 1623, davon allein vier aus dem Jahr 1610. Von drei nicht datierten gehört eine der Inschrift nach ins 15. Jahrhundert (Nr. 35), eine weitere ist durch einen frühen Kaufvertrag (Nr. 26) zeitlich einzuordnen; die dritte ist nur ungefähr in das 16. oder 17. Jahrhundert zu datieren (Nr. 271). Auf den früheren Glocken finden sich bekannte Glockensprüche jeweils zweimal: Das seit dem Hochmittelalter bekannte Gebet O rex gloriae veni cum pace (Nr. 21 u. 22) sowie der ähnlich verbreitete, einem Gedicht über die Bestimmungen der Glocken entstammende Hexameter vox mea vox vitae voco vos ad sacra venite (Nr. 35); in einem Fall ist dieser mit dem derselben Quelle entnommenen, ebenfalls verbreiteten Glockenspruch defunctos plango vivos voco fulgura frango verbunden (Nr. 28). Die Bitte um Erhalt der Glocke det Deus ut sana permaneat ista campana erscheint ebenfalls doppelt (Nr. 36 u. 40). Maria, Jesus sowie Heilige, Patrone der Kirche oder Kapelle, für die die Glocke gegossen wurde, werden durch Anbringung ihrer Namen auf der Glocke angerufen: St. Urban in Brevörde (Nr. 40), St. Nikolaus in Holzen (Nr. 46). Auf einer Glocke wird außer Maria die personifizierte „Hilfe Gottes“ angerufen: helff got weß ik begynne (Nr. 26). Bis auf zwei sind alle Glocken vor 1529 durch Inschriften datiert, von denen wiederum zwei auch den Tag des Gusses nennen (Nr. 20 u. 21). Der Gießer nennt sich in vier Fällen: Meister Dietrich goß 1447 eine Glocke (Mester didreck me fecit, Nr. 21), Hans Arnemann goß 1503 und 1508 zwei Glocken (Nr. 36 u. 39), eine weitere von 1516 könnte der Schriftgestaltung nach ebenfalls seiner Werkstatt entstammen (Nr. 40). Auf der ersteren spricht die Glocke in einem Vers: maria het ick /mester hans arneman ghod meck. Auf einer Glocke, die durch die kopiale Überlieferung auf 1447 datiert ist, nennt diese in einem niederdeutschen Gedicht ihren gleichnamigen Gießer: han[es] arneman mi gegoten had (Nr. 20). Eine Verlesung der Jahreszahl 1447 für 1497 ist möglich, aber nicht sicher zu beweisen. Beide Gießer waren überregional tätig; von Meister Dietrich ist noch eine Glocke im Landkreis Hameln-Pyrmont bekannt, von Hans Arnemann zwei weitere in den Landkreisen Göttingen und Northeim (vgl. den Kommentar zu Nr. 36).

Die 1564 für die Kapelle in Eimen gegossene Glocke trägt eine längere Inschrift, in der diese ihren Stifter Herzog Heinrich d. J. nennt. Als Gießer ist durch stilistische Übereinstimmungen Cordt Mente zu identifizieren, der seit Beginn der 1530er Jahre tätig war (vgl. Nr. 66, Abb. 90). Auf den nach 1588 entstandenen Glocken, die komplette Inschriften tragen, nennen sich die Gießer selbst. Zu diesen gehört ein weiteres Mitglied der bedeutenden Gießerfamilie Mente, Dietrich, der 1610 zwei Glocken goß (Nr. 181 u. 184). Weitere Gießer sind 1588 Johann Poick aus Petershagen an der Weser (Nr. 103 u. 104), 1595 und 1597 der sonst unbekannte Harmen (Hermann) Bincke (Nr. 132 u. 142), 1603 und 1610 der im ganzen südlichen Niedersachsen tätige Joachim Schrader (Nr. 159, 168 u. 180), 1610 Friedrich Bielefeld aus Einbeck (Nr. 179) sowie 1623 Heinrich Korver, der ebenfalls im heutigen Landkreis Northeim tätig war (Nr. 219).

Der Schwerpunkt der Glockeninschriften nach 1588 liegt auf der Nennung von Amtsträgern zur Zeit des Gusses: des Pastors oder Superintendenten, der Altar- oder Älterleute als Vorsteher der Kirchengemeinde, zweimal auch des Amtmannes (Nr. 103). Dahinter mögen sich in Einzelfällen auch Stifter verbergen, die Beiträge zu den Kosten des Gusses geleistet haben – wie der ansässige Adelige Simon von Grone (Nr. 168); ausdrücklich gesagt wird dies nur von einem Amtmann im benachbarten Salzderhelden (heute Lkr. Northeim), der 1623 in seinem Heimatort Heinade eine Glocke stiftet (Nr. 219). Aus dem Rahmen fällt die lange, in lateinischer Sprache abgefaßte Inschrift, die das Jahr des Gusses zusätzlich mit der Angabe der Regierungsdaten des Kaisers Rudolf II., des Herzogs Heinrich Julius, des Abtes von Amelungsborn und des Amtmannes von Fürstenberg angibt. Außerdem erwähnt die Inschrift ausdrücklich, daß die Kosten der Glocke durch Beiträge der Einwohner bestritten wurden (Nr. 181). Nur auf dieser und auf einer weiteren Glocke (Nr. 180) wurde außerdem ein Bibelzitat angebracht.

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Die einzige Ausnahme von diesen Beobachtungen stellt die Glocke dar, die Statius von Münchhausen für sein Schloß in Bevern gießen ließ und die lediglich seinen Namen und das Jahr des Gusses (1614) trägt (Nr. 195).

Sonstige kirchliche Ausstattungsstücke

Die insgesamt 56 Inschriftenträger decken einen weiten Bereich von Objekten zwischen hochmittelalterlichen Wandmalereien und Oblatendosen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts ab, wobei die lokale Zuordnung und das Schicksal der beweglichen Objekte wie der Kelche vielfach besonders unsicher ist. Die durch die Reformation ausgelösten Veränderungen von Gottesdienst und Frömmigkeit haben gravierende Umgestaltungen in den Kirchengebäuden und an den Kirchenausstattungen bewirkt. Im Ergebnis zeigt sich dies besonders deutlich in Amelungsborn, wo seit den 1580er Jahren der Lettner abgebaut und eine Kanzel und ein Taufstein aufgestellt wurden.49) Viele Veränderungen dort wie in anderen Kirchen stehen offenbar nicht direkt im Zusammenhang mit der Reformation, sondern gehen vor allem auf spätere Ereignisse wie den Dreißigjährigen Krieg, die Vernachlässigung in Folge von Funktionsverlust im 18. Jahrhundert und Renovierungen des 19. Jahrhunderts zurück.50) Der Wechsel von Moden im Hinblick auf Kirchenausstattungen hat bei Renovierungen seit dem 18. Jahrhundert ein übriges getan. Übertünchungen haben andererseits Wandmalereien vermutlich bewahrt, so daß drei nach Freilegungen in den letzten Jahrzehnten wieder zu sehen sind (vgl. Nr. 1, 85 u. 108). Empfindliche Objekte wie Glasgemälde sind in Amelungsborn noch im 19. Jahrhundert erheblich dezimiert worden.51) Das größte, im Zuge des Historismus im späten 19. Jahrhundert restaurierte Fenster ist bis auf wenige Reste ein Opfer von Kriegshandlungen im April 1945 geworden (Nr. 7). Ein weiteres Glasgemälde aus Amelungsborn hat dagegen durch den Ausbau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und eine zweimalige Verlagerung in Teilen überdauert und ist schließlich in das Kloster zurückgekehrt (Nr. 6, Abb. 2 u. 3).

Die mittelalterlichen Ausstattungsstücke sind überwiegend als Einzelobjekte zu würdigen. Die ältesten Inschriften aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts in der Kirche von Kirchbrak gehören zu einem Bildtypus (Kreuzesabnahme), der als Wandmalerei selten in Niedersachsen ist; sie weisen zudem die einzigen griechischen Buchstaben (im Titulus) auf (Nr. 1, Abb. 1), die sich im Lkr. Holzminden in Inschriften finden. Der wenig spätere Taufstein aus Hohe ist bemerkenswert wegen seiner romanischen Schmuckformen, seiner Schrift (s. Abschnitt 5 der Einleitung) und wegen des Inhalts der Inschrift, die auf die Bedeutung des Taufsakraments verweist (Nr. 2, Abb. 47 u. 48). Herausragend ist auch die in Amelungsborn erhaltenen Piscine, ein Handwaschbecken für den Priester und für kirchliche Gerätschaften (vasa sacra). Sie wurde (erst am Ende des 16. Jahrhunderts?) entfernt, im Schutt vergraben und im 19. Jahrhundert wieder aufgefunden. Sie ist vermutlich das einzige Beispiel eines solchen Objektes mit einer Inschrift, die, soweit sie rekonstruierbar ist, auf dessen Funktion Bezug nimmt (Nr. 3, Abb. 49–51). Die Glasmalereien aus Amelungsborn illustrieren Formen der Christus- und Marienverehrung in einem Zisterzienserkloster in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts; die zu einem Marienleben gehörenden Inschriften verweisen auf die Kenntnis apokrypher Bibelbücher im Klosterleben (Nr. 6 u. 7). Während der prachtvolle steinerne Levitenstuhl, auf dessen Rückseite sich eine kurze Inschrift findet, ein Beispiel für ein wenig verändertes Stück der Ausstattung des Klosters ist (Nr. 9, Abb. 53), bilden die Inschriften auf vier Schlußsteinen der Vierung mit den Symbolen der Evangelisten im Gegensatz dazu den Musterfall einer totalen, teilweise sinnentstellenden Überformung des ursprünglichen Befundes durch Restaurierungen (Nr. 8). Die Marienfigur in Kemnade aus dem frühen 15. Jahrhundert wurde vermutlich im Zuge der Begründung einer Grablege der Edelherren von Homburg gestiftet (s. o.); die Inschrift auf der fest mit der Wand verbundenen Krone wurde in jüngerer Vergangenheit verlesen, was seitdem zu Verwirrung Anlaß gegeben hat (Nr. 15, Abb. 4 u. 5). Das hölzerne Altarretabel dort (Nr. 16, Abb. 6) ist mehrfach umgestaltet und restauriert worden, ein Schicksal, das es mit einem weiteren Retabel in Delligsen (Nr. 32, Abb. 73 u. 74) teilt. Eine Sakramentsnische mit einer Stifterinschrift von 1527 ist möglicherweise aus einem älteren Sakramentshaus umgearbeitet (Nr. 44, Abb. 77).

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Eine der Inschriften auf dem künstlerisch herausragenden Amelungsborner Kelch von 1478 (Nr. 29, Abb. 7–11) steht mit einem Zitat des Arnulf von Löwen in einer Tradition mystischer Frömmigkeit im Zisterzienserorden; die Auswahl der dargestellten Heiligen wie die künstlerische Gestaltung des Werkes deuten gleichzeitig den weiten Horizont der Beziehungen eines Zisterzienserklosters an. Dieser Kelch wird durch die Stifterinschrift des Abtes Johann von Dassel eindeutig datiert und lokalisiert. Dies unterscheidet ihn von den meisten anderen Kelchen im Bestand. Hinzu kommt, daß Kelche häufig repariert oder nach der Reformation umgestaltet und mit einer größeren Kuppa versehen wurden, um sie für den Gebrauch in der Abendmahlsfeier der Gemeinde verwendbar zu machen. Vielfach sind als die ältesten Teile nur die Schaftstücke oder die Rotuli des Nodus erhalten, auf denen sich häufig in einzelnen Buchstaben die Inschrift IHESVS findet. Viele der insgesamt 13 Kelche lassen sich nur über die Form dieser Buchstaben annähernd datieren (Nr. 33, 34, 51, 73 u. 74). Die Stifter- bzw. Stiftungsinschriften, sind, wie geseke (Nr. 42, Abb. 81) oder to deme hoge (Nr. 43), häufig sehr knapp. In einem Fall zeigt die Stifterinschrift des Rates von Bodenwerder aus dem Jahr 1589 nur eine Erneuerung an, während die Schaftstücke früher entstanden sind (Nr. 49, Abb. 84 u. 85); ein als Gegenstück anzusehender Kelch trägt eine längere Stifterinschrift, die aber leider nicht datiert ist (Nr. 48, Abb. 82 u. 83). Bei einer Umarbeitung eines anderen Kelches im Jahr 1642 durch einen Braunschweiger Goldschmiedemeister wurden die Rotuli verkehrt eingesetzt, so daß die Inschrift jetzt IEHSVS lautet. Nach der Reformationszeit angefertigt wurden nur zwei, durch Stifterinschriften auf 1576 (Nr. 80, Abb. 98) und 1591 (Nr. 119) datierte Stücke, von denen der letztere heute nicht mehr erhalten und damit der einzige kopial überlieferte Kelch ist.

Der Verlust an Kelchen und anderen liturgischen Geräten durch Diebstahl und Veruntreuung dürfte, vor allem im Dreißigjährigen Krieg, relativ hoch anzusetzen sein: In Amelungsborn, das für seine im Jahr 1409 zwölf Altäre eine reiche Ausstattung an Altargeräten besaß, veruntreute ein Verwalter bereits während der Finanzkrise vor bzw. zu Anfang des Krieges Altargeräte und Wertgegenstände, die ein früherer Abt 1542 während der Schmalkaldischen Herrschaft zu der dem Kloster verbundenen Familie Töbing nach Lüneburg ausgelagert hatte, wo sie erst 1617 wiederentdeckt worden waren; mindestens zwei Kelche verschwanden im Verlauf des Krieges.52) Andererseits könnten ein oder zwei Kelche auch als Kriegsbeute an den heutigen Ort gekommen sein, was sich aber nicht sicher belegen läßt (vgl. Nr. 33 u. 51).

Die übrigen Objekte der Kirchenausstattung sind zumeist ab etwa 1580 entstanden. Ursache dafür ist überwiegend die veränderte Form des Gottesdienstes nach Einführung der Reformation in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568; damit einher ging auch der Neubau oder die Erweiterung von Kirchen.

In zwei Kirchen sind Wandmalereien angebracht worden, die die Akzeptanz der Bilder in lutherischen Kirchen nach der Unterzeichnung der Konkordienformel 1577 widerspiegeln. Handelt es sich in der 1575/77 neu erbauten Kirche in Derental um eine naiv anmutende Kreuzigungsgruppe, die als Inschrift lediglich einen Titulus trägt (Nr. 85, Abb. 13), so entstand in Meinbrexen 1588 oder 1589 ein anspruchsvolles Programm mit heute noch acht biblischen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Die nur noch in Resten zu entziffernden Inschriften bestanden ursprünglich aus jeweils zwei lateinischen und vier deutschen Versen zu jedem Bild. Auftraggeber war Statius von Münchhausen, der an der Kirchenwand außerdem eine ursprünglich jeweils achtteilige Ahnenprobe seiner selbst und seiner Frau anbringen ließ (Nr. 108, Abb. 16–20). Münchhausen ließ außerdem von dem Maler Johann Hopfe aus Hildesheim ein Altarretabel mit einer Darstellung des Letzten Abendmahls für die Kirche anfertigen (Nr. 109, Abb. 14 u. 15). Gemalte Darstellungen des Letzten Abendmahls, das zum exemplarischen protestantischen Altarbild wurde, finden sich im Landkreis Holzminden noch zwei weitere aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Nr. 212 u. 257) sowie eine geschnitzte (Nr. 241). Auf den beiden Altarbildern (Nr. 109 u. 212) sind die Einsetzungsworte zum Abendmahl als Inschrift unter dem Bild angebracht. Bei dem heutigen Kanzelaltar Nr. 257 erläutern eine kurze lateinische Inschrift und ein deutschsprachiges Gedicht den Bildinhalt; bei dem früheren Epitaphaltar Nr. 241 stand dagegen das Totengedenken im Mittelpunkt.

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Die neun erhaltenen frühneuzeitlichen Taufsteine und ein hölzerner Taufständer sind ab 1581 entstanden. Zum Teil haben sie ein wechselhaftes Schicksal von Aussortierung, Entfernung aus dem Kirchenraum, Nutzung als Blumenkübel und Wiederaufstellung hinter sich (vgl. Nr. 161 u. 226). Die beiden frühesten, die vom selben, namentlich nicht bekannten Steinmetzen stammen, der auch im Landkreis Göttingen gearbeitet hat, erinnern mit ihrem relativ großen Durchmesser und ihrer wuchtigen Gestalt noch an vorreformatorische Taufbecken (Nr. 91 u. 92). Die späteren sind, mit einer Ausnahme (Nr. 226, 1625), alle schmaler, wie es dem gedrängteren Platz bei der nun vielfach üblich werdenden Aufstellung im Altarraum zusammen mit Kanzel und Altar entspricht.53) Auf den Taufen finden sich zwei Typen von Inschriften: Bibelzitate (ab 1597) und Auftraggeber- bzw. Stifterinschriften. Von den früheren Taufbecken trägt nur eines eine Inschrift mit inhaltlicher Aussage: die protestantische Devise V(ERBUM) D(OMINI) M(ANET) I(N) AE(TERNUM), die sich im Landkreis Holzminden sonst vor allem in Hausinschriften findet (s. dort). Unter den sechs Bibelzitaten auf fünf Taufen gibt es kein bevorzugtes; sie haben, wie zu erwarten, alle einen Bezug auf die Taufe (Nr. 141, 161, 226, 256 u. 268). Drei der Taufen tragen Namen und bzw. oder die Wappen ihrer adeligen Stifter (Nr. 92, 161, 256); in einem Fall handelt es sich um ein bürgerliches oder bäuerliches Paar (Nr. 226). In Amelungsborn, wo die Klosterkirche zur Gemeindekirche des benachbarten Dorfes Negenborn wurde, stehen die Wappen des Herzogs und des Abtes auf dem Stein (Nr. 125). Um das Taufbecken war ein Gitter mit den Namen und Wappen der überwiegend bürgerlichen Stifter aufgestellt, die mit dem Kloster in Verbindung standen; darunter war aber auch der katholische Abt von Corvey (Nr. 126). Auf zwei Taufen erscheinen die Initialen (Nr. 91) bzw. Namen (Nr. 161) von Personen, die vermutlich die amtierenden Kirchenvorsteher waren; auf einem nennt sich an sehr auffallender Stelle auf dem oberen Rand des Beckens der Steinmetz Meister Jürgen Bostt (Nr. 152). Die Mehrzahl der Taufen, mit Ausnahme des Taufsteins in Amelungsborn, an dessen Stiftung Herzog Heinrich Julius beteiligt war, und des hölzernen Taufständers, den Christoph Friedrich von Esleben stiftete, sind Produkte einer schlichten Handwerkskunst.

Kanzeln und Emporen, die mit einer Ausnahme nach 1589 entstanden, sind vielfach Umbauten und Moden unterworfen, so daß sich oftmals nur noch Teile der ursprünglichen Konstruktionen finden, die in neue Aufbauten integriert wurden. Auf zwei der drei erhaltenen Kanzeln sind bzw. waren die Evangelisten abgebildet; in einem Fall sind nur noch drei Tituli erhalten (Nr. 266), in dem anderen werden die Bilder der vier Evangelisten und des Moses von gemalten, aus den jeweiligen Büchern stammenden Zitaten begleitet, die Predigt und Glauben thematisieren (Nr. 110). Sie gehören damit zu der verbreitetesten Form der lutherischen Kanzeln.54) Auf den Teilen einer in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in einen Kanzelaltar integrierten Kanzel finden sich sechs Bibelzitate, die auf das biblische Wort und seine Verbreitung durch die Predigt Bezug nehmen (Nr. 257). Auf drei Kanzeln standen oder stehen inschriftliche Erinnerungen an die Stifter, in einem Fall ergänzt durch die Nennung des beteiligten Zimmermanns (Nr. 266). Auf der frühesten, nicht erhaltenen Kanzel aus dem Jahr 1565 wurden zwei Älterleute genannt (Nr. 68), ähnliches gilt für ein Brett, das vermutlich der Rest einer Empore war (Nr. 153). Gleich auf zwei Emporen in Dielmissen und Hunzen hat sich der zuständige Pastor als Initiator des Einbaus nennen lassen (Nr. 128 u. 139), der sich zudem in einer Bauinschrift an der Kirche in Dielmissen nennt (Nr. 131). Unter den Emporen fällt wiederum eine Stiftung des Statius von Münchhausen aus dem Rahmen, die zeitweise in ein Museum nach Braunschweig gebracht worden war, bevor sie in die Nachfolgekirche nach Bevern als Wandschmuck zurückgekehrt ist. Auf dieser beherrschen das Stuckrelief des Stifters und, neben Renaissance-Drolerien, zwei achtteilige Ahnenproben seiner selbst und seiner Frau den Eindruck. Eine Inschrift informiert über den Grundherrn des Ortes und seine weitverstreuten Besitzungen (Nr. 138, Abb. 24–27). Das Renaissance-Gestühl der Kirche in Ottenstein trug lediglich die Initialen des adeligen Pfandinhabers und eine Jahreszahl (Anhang 1, 1607). In Pegestorf wurde 1583 ein Bibelpult aufgestellt, das die Jahreszahl trug (Anhang 1, 1583).

Mit einer Ausnahme – ein Leuchter mit eingeritzten Initialen aus dem Jahr 1624 (Anhang 1, 1624 Grave) – sind Altarleuchter (drei) und Oblatendosen (zwei) im Lkr. Holzminden erst seit 1638 erhalten. Ursache dafür dürfte der Verlust von älteren Stücken durch Plünderungen im Dreißigjährigen Krieg sein, der durch Nachstiftungen seit 1638 ausgeglichen wurde. Inschriften auf den [Druckseite 31] Objekten nennen nicht nur die Stifter (Nr. 244) sondern ausdrücklich auch die bedachte Kirche (Nr. 243) bzw. sind gleich, wie bei einer Oblatendose in Bodenwerder, als Besitzvermerk formuliert (Nr. 262). Ein Pastor stiftete 1648 seiner Kirche in Meinbrexen ein Leuchterpaar mit den Worten „zur Ehre Gottes“, die bereits im 16. Jahrhundert in niederdeutscher Form zweimal in Stiftungsinschriften erscheinen (Nr. 48 u. 49), aber auch zur Erinnerung an den Friedenschluß vom Vorjahr, was dieses Stück heraushebt (Nr. 260). Eine Oblatendose ist undatiert (Nr. 274).

Bauinschriften an Kirchen, öffentlichen Gebäuden und Adelssitzen

Bauinschriften bieten oftmals die einzige Möglichkeit, einen Bau oder Umbau zu datieren. 20 solcher Inschriften an Kirchen sind erhalten, hinzu kommen sechs Jahreszahlen im Anhang 1. Die meisten dieser Inschriften sind in Stein ausgeführt und finden sich auf Tür- oder Fensterstürzen, auf Wand- oder Eckquadern oder auf in die Wand eingelassenen Inschriftentafeln. Jeweils eine Inschrift ist bzw. war als Wand- respektive als Glasmalerei (Nr. 83 u. 84) ausgeführt, eine weitere stand auf einem im Turm angebrachten Kupferblech (Nr. 124), zwei finden sich auf Wetterfahnen (Nr. 176, sowie Anhang 1, 1610). Die Entscheidung, ob mit der Inschrift an einen teilweisen oder vollständigen Neubau oder lediglich an eine Renovierung erinnert wird, ist in vielen Fällen allerdings nur schwer zu treffen.

Nur eine Bauinschrift an einer Kirche stammt aus vorreformatorischer Zeit: Der Stein von 1506 zeigt, daß die heutige Lutherkirche in Holzminden ursprünglich Maria geweiht war (Nr. 38, Abb. 75). Alle anderen sind zwischen 1569 (Nr. 76) und 1625 entstanden (Nr. 228). Die über Jahreszahlen hinausgehenden Inschriften verweisen auf den Baubeginn (Nr. 76), auf das Baujahr (Nr. 160 u. 208, Chronogramme), auf die Lage der Kirche durch ein entsprechend ausgewähltes Bibelzitat (Nr. 155) oder rufen Christus an (Nr. 196). In zwei Fällen berichten lange Versinschriften aus Derental (1577) und Halle (1609) in elegischen Distichen über die Zerstörung bzw. Schadhaftigkeit des Vorgängerbaus, die Herrscher im Reich und im Herzogtum Braunschweig, den lokalen Amtmann (nur Nr. 83) und den Pastor (Nr. 83 u. 174); eine Inschrift in deutschen Reimversen ergänzte die erstere. Die Holzmindener Lutherkirche trägt drei jüngere Inschriften von 1577 und 1595, in denen die jeweils amtierenden Bürgermeister und weitere Ratsherren genannt werden: in einem Fall zusammen mit der protestantischen Devise (nach 1. Pt. 1,25) VDMIAE (Verbum Domini manet in aeternum), in einem anderen zusammen mit einem elegischen Distichon, das auf die Erneuerung der Turmspitze verweist (Nr. 135). An anderen Stellen nennen sich der örtliche Schulmeister (Nr. 124), der Pastor – Conrad Vrithoff, der sich auch auf zwei Emporen verewigte (Nr. 131) – oder vermutlich ein Kirchenvorsteher (Nr. 133) selbst. Besonders ausführlich sind die Nennungen der Würdenträger im Amt und in der Gemeinde sowie des beteiligten Zimmermanns auf der 1609 angebrachten Wetterfahne von Delligsen (Nr. 176). Nur zwei Inschriften sind ausdrücklich Stifterinschriften, darunter eine, die Statius von Münchhausen an der Kirche in Bevern zu seinem und seiner Nachkommen Andenken (Nr. 134) anbringen ließ; die andere stammt vom Amtmann Conrad Schoppe aus Salzderhelden, der seiner Heimatgemeinde den Neubau der Kirche stiftete (Nr. 220). Nicht übersehen werden soll, daß in mehreren Fällen Inschriften ausdrücklich auf den Beitrag der Einwohner am Bau der Kirche (Nr. 83, Derental 1577), des Pfarrhauses (Nr. 95 u. 207, Derental und Deensen) bzw. dem Guß der Glocke (Nr. 181, Arholzen 1610) verwiesen wird; dieser wurde durch Sammlungen oder durch Mitarbeit erbracht.

Eine besondere Funktion in der öffentlichen Erinnerung nimmt eine an der Kirche in Bodenwerder angebracht Hochwasserinschrift von 1643 ein, die ein Chronogramm, ein elegisches Distichon und deutsche Reimverse miteinander vereint (Nr. 248, Abb. 207). Öffentliche Funktionen erfüllten auch zwei Sonnenuhren, die im 17. Jahrhundert an Kirchengebäuden in Holzminden und Polle angebracht wurden und von denen die erstere durch ein Ovid-Zitat über das Vergehen der Zeit auffällt (Nr. 275 u. 276).

Von den zehn Bauinschriften an öffentlichen Gebäuden sind acht an Amtshäusern oder landwirtschaftlichen Gebäuden von herzoglichen oder Kloster-Domänen angebracht. Das in der Mitte des 18. Jahrhunderts noch stehende Rathaus von Holzminden wurde nicht im Dreißigjährigen Krieg, aber später zerstört; es trug eine Bauinschrift, die aber nicht überliefert ist.55) Die Rathäuser [Druckseite 32] in den beiden anderen Städten waren nicht bedeutend, von ihnen sind keine Inschriften überliefert.56) In Holzminden ist lediglich ein Inschriftenstein von einem Stadttor erhalten (Nr. 188); aus Stadtoldendorf ist die bruchstückhafte lateinische Inschrift am Quellhaus der städtischen Wasserleitung überliefert (Nr. 265). Länger sind nur die Inschriften an Gebäuden der Domäne Wickensen, die an Herzog Heinrich d. J. sowie an dessen Sohn, Herzog Julius, erinnern (Nr. 75 u. 78; vgl. auch Nr. 52). In Fürstenberg stehen dagegen neben einer Jahreszahl nur die Initialen von Herzog Heinrich Julius und seiner Frau an dem Torhaus (Anhang 1, nach 1590). Bemerkenswert sind die beiden Inschriften, die Abt Vitus Busch 1595 an dem von ihm erbauten Schweinestall und Schweinepferch beim Kloster Amelungsborn anbringen ließ: Hexameter und elegisches Distichon stehen in ihrer klassischen Form in einem interessanten Kontrast zu dem Zweck der Bauten (Nr. 136 u. 137). In Allersheim, das vom Kloster Amelungsborn über den Herzog zeitweise in die Hand eines Adeligen wechselte, hinterließen alle drei Besitzer seit 1516 Inschriften an Gebäuden (Nr. 41, 56 u. 213).

Im gleichen Maße haben seit 1527 auch Adelsfamilien Inschriften an landwirtschaftlichen Gebäuden hinterlassen, die von Initialen eines Paares mit einer Jahreszahl in Deensen (1527, Nr. 45) bis zu langen Bauinschriften reichen. Außer von der Familie von Campe in Deensen 1599 und 1613 (Nr. 151 u. Anhang 1, 1613) sowie den Grone in Kirchbrak (Nr. 116, 1590), stammen allein sechs der einschließlich der Jahreszahlen elf Inschriften aus Hehlen. In Reimversen ließ Fritz von der Schulenburg bereits 1564 den Bau einer Scheune verewigen (Nr. 67); 1579 hielten er und seine Frau Ilse von Saldern den Beginn des Schloßbaus fest (Nr. 88). Nach 1589 ließ die kinderlose Witwe ihr Wappen an einer Mühle anbringen (Nr. 115). Vor allem aber dokumentierte sie den in Erbauseinandersetzungen mit Verwandten ihres Mannes umstrittenen Bau von Schloß und Wirtschaftsgebäuden auf den beiden Epitaphien, die sie ihrem Mann errichten ließ (Nr. 143, 144, 145). In Bevern, wo Statius von Münchhausen, sich in seinem Schloß sicher ähnlich repräsentativ dargestellt hatte, erinnert nur noch eine Jahreszahl an einer Scheune an den Erbauer (Anhang 1, 1591).

Grenzsteine

Die sieben erhaltenen von acht Grenzsteinen stellen, ähnlich wie die Kreuzsteine, ein großes Problem für die Entzifferung dar, da sie seit über 400 Jahren der Witterung ausgesetzt sind und oftmals bis ins frühe 19. Jahrhundert wiederholt erneuert und ergänzt wurden. Die Steine ersetzten teilweise die ältere und lange noch üblichere Form der Grenzfestlegung durch Schneisen (Schnede, Schnat) und markierte Bäume; sie dokumentieren bis heute die Verfestigung von Grenzen durch Verträge und gemeinsame Kommissionen der Beteiligten. Zu diesen gehörten die beiden welfischen Linien in Wolfenbüttel und Calenberg (Nr. 58, 59, 60, 61, 62 u. 245), in einem Fall aber auch der Abt von Corvey (Nr. 107). Innerhalb des Landes wurden durch eine Steinsetzung die Grenzen zwischen drei Ämtern festgelegt, womit zugleich Rechte des Adels tangiert wurden (Nr. 97).

4. Die Sprache der Inschriften

Von den 276 Inschriften des Katalogteils sind 119 durchgängig in deutscher Sprache abgefaßt – wobei die Formel Anno Domini unberücksichtigt bleibt – und 80 in Latein; 32 Nummern enthalten Inschriften in deutscher und lateinischer Sprache, in einem Fall kommen zu deutschen zwei hebräische Inschriften. Dies ergibt ein Verhältnis Deutsch–Latein von knapp sechzig zu gut vierzig Prozent. Inschriften, die nur Namen, Zahlen oder Kreuzestituli enthalten, sind dabei nicht berücksichtigt. Die früheste Inschrift in deutscher Sprache ist ein niederdeutsches Mariengebet, das vermutlich zwischen 1400 und 1410 an der Krone einer Marienfigur in Kemnade angebracht wurde (Nr. 15). Die übrigen fünf niederdeutschen Inschriften aus dem 15. Jahrhundert verteilen sich auf verschiedene Träger: ein Kreuzstein aus dem ersten Viertel des Jahrhunderts (Nr. 17), ein Gedenkstein von 1429 (Nr. 18), zwei Glocken aus der Mitte des Jahrhunderts (Nr. 20 u. 26) sowie Gewichts- und Kostenangaben auf einem ansonsten lateinisch beschrifteten Kelch von 1478 (Nr. 29, Abb. 8). [Druckseite 33] Dem stehen im 15. Jahrhundert 14 Inschriften in lateinischer Sprache gegenüber. Für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts ist das Verhältnis, allerdings auf einer statistisch kleinen Basis, etwa ausgeglichen: Fünf lateinische und sechs deutschsprachige Inschriften, eine Nummer vereinigt beide Sprachen; neun Katalognummern enthalten dagegen nur Namen, Jahreszahlen oder Initialen.

Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts kehrt sich das Verhältnis zugunsten des Deutschen um, wofür im Landkreis Holzminden die Hausinschriften und die Grabschriften von Adel und Bürgern ausschlaggebend sind. Von 42 Hausinschriften, die mehr als Namen oder Jahreszahl enthalten, sind elf lateinisch, sechs sind zweisprachig, die übrigen 25 deutsch.

Waren die Grabinschriften bis 1550, mit Ausnahme eines niederdeutschen Fragments (Nr. 47), alle in lateinischer Sprache verfaßt, so liegen nach 1550 die Inschriften auf Grabdenkmälern von Adeligen und Bürgern überwiegend in deutscher Sprache vor. Ausnahmen machen nur die Grabplatten von drei Adeligen – Nr. 120 (1591), 259 (1647/48) u. 264 (2. V. 17. Jh.) – und das Epitaph eines Stadtschreibers in Bodenwerder (Nr. 163, 1604). Drei Epitaphien von Adeligen enthalten neben längeren Inschriften in deutscher Sprache lateinische Verse (Nr. 165, 1604) oder lateinische Stifterinschriften (Nr. 143 u. 144). Umgekehrt ist das Verhältnis bei den Geistlichen, die mit einer Ausnahme (Nr. 261, 1648) alle lateinisch beschriftete Grabdenkmäler erhalten haben.

Die an Kirchen angebrachten Bauinschriften bestätigen den Befund der Kirchennähe des Lateinischen. Diese sind – mit Ausnahme einer von Letzner überlieferten Glasmalerei, die sich vermutlich besonders an die Gemeinde richtete (Nr. 84) – alle in Latein verfaßt. Dies gilt auch für zwei Bauinschriften, die ein Abt von Amelungsborn 1595 an einem Schweinestall und an einer Mauer um den Schweinepferch (Nr. 136 u. 137) anbringen ließ. Demgegenüber fallen die wenigen längeren Inschriften an weltlichen Gebäuden kaum ins Gewicht. Die einzige städtische Bauinschrift ist ebenfalls lateinisch (Nr. 265). Eine Hochwasserinschrift von 1643 an der Kirche in Bodenwerder enthält lateinische und deutsche Bestandteile (Nr. 248). Bauinschriften an Domänen und Gebäuden des Adels bestehen häufig nur aus Namen oder Initialen und Jahreszahlen. Die wenigen längeren sind dagegen, mit einer Ausnahme (Nr. 116, 1590), in deutscher Sprache verfaßt. Diese stammen fast alle von Fritz von der Schulenburg und seiner Frau Ilse von Saldern aus Hehlen (Nr. 67 u. 88, Teile von Nr. 143 u. 144), sowie von den Herzögen Heinrich d. J. (Nr. 75, vor 1568) und Julius (Nr. 78, 1571).

Im 15. und im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts sind von neun Glocken drei niederdeutsch (Nr. 20, 26 u. 39) beschriftet, die übrigen lateinisch. Die zwischen 1564 und 1623 entstandenen Kirchenglocken tragen Inschriften, die nur selten allein der deutschen (Nr. 66, 1564) oder lateinischen Sprache (Nr. 132 u. 142) zuzuordnen sind. Die Nennung der Gießer geschieht im letzteren Fall noch mit der alten Formel me fecit. Häufig anzutreffen ist die Kombination von Inschriften beider Sprachen (Nr. 159, 180, 181 u. 184). Noch öfter werden deutsche (Nr. 104, 179 u. 180) oder lateinische Inschriften (Nr. 103, 159 u. 219) begleitet von Namenslisten, in denen lateinische Amtsbezeichnungen (hauptsächlich von Pastoren und Amtmännern) mit deutschen Amtsbezeichnungen von Kirchenvorstehern oder der Nennung des Glockengießers als „Meister“ gemischt erscheinen. Solche Namenslisten treten auf einer Glocke (Nr. 168) auch ohne weiteren Text auf. Die sprachliche Mischform einer nur bruchstückhaft überlieferten Glockeninschrift erscheint so symptomatisch (Nr. 271).

Ähnliches gilt in sprachlicher Hinsicht auch für andere Teile der Kirchenausstattung. Auftraggeber- oder Stifterinschriften sind von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts etwa zur Hälfte in lateinischer (Nr. 80, 124, 128, 139, 244 u. 260) bzw. in deutscher Sprache (Nr. 49, 68, 119, 138, 243 u. 262) verfaßt. Auf einer Wetterfahne finden sich wiederum Namen mit Amts- oder Berufsbezeichnungen in beiden Sprachen (Nr. 176). Die Einsetzungsworte zum Abendmahl, die sich auf zwei Altarbildern finden, sind deutsch; vgl. Nr. 109 u. 212. Ähnliches gilt für die Bibelzitate auf Taufsteinen, die (ab 1597) ebenfalls in deutscher Sprache angebracht wurden (Nr. 141, 161, 226, 256 u. 268).

An den Hausinschriften der drei kleinen Städte und der Dörfer des Kreisgebietes läßt sich eine zeitliche Entwicklung im Verhältnis Latein – Deutsch nicht ablesen. Die lateinische Sprache wird einerseits für alte Formeln verwendet: Zwischen 1588 und 1602 erscheint allein sechsmal me fieri fecit, überwiegend im ländlichen Bereich; außerdem werden die Devise verbum domini manet in aeternum (Nr. 79?, 148 u. 207) sowie Bibelzitate in Latein angebracht (Nr. 140, 197 u. 202). In [Druckseite 34] einigen Fällen sind Pfarrhäuser die Träger der lateinischen Inschriften (Nr. 106, 197, 207 u. 215). Programmatische Absichten stehen offenbar nur bei zwei Amtmännern bei der Wahl des Lateinischen im Vordergrund: Einer verkündet 1549 eine politisch-religiöse Aussage (Nr. 53), der andere präsentiert sich als Günstling des Herzogs (Nr. 172). Das Prunken mit Bildung steht bei den Bürgern der Kleinstädte, anders als bei den stärker vom bürgerlichen Späthumanismus geprägten größeren Städte wie Hameln oder Hann. Münden,57) nicht hoch im Kurs. Mit einer Ausnahme, einem Ovid-Zitat als Teil eines etwas größeren Programms (Nr. 162), findet sich sonst nur noch ora et labora an zwei Häusern (Nr. 54 u. 249).

Alle deutschsprachigen Inschriften vor der Mitte des 16. Jahrhunderts sind niederdeutsch. Ein hochdeutscher Einfluß findet sich vorher nur auf einer Glockeninschrift, die bereits 1458 kopial überliefert wurde (Nr. 26); eine sprachliche Anpassung ist also nicht anzunehmen. Die Worte helff got am Anfang einer ansonsten niederdeutschen Fürbitte begegnen auch im Landkreis Göttingen auf Glocken und Kelchen aus dem 15. oder frühen 16. Jahrhundert.58)

Hochdeutsche Inschriften – als Beleg herangezogen werden nur die original erhaltenen, da bei den kopial überlieferten eine Veränderung des ursprünglichen Sprachstandes nicht auszuschließen ist – finden sich im Landkreis Holzminden seit etwa 1550; dann aber sind sie bald vorherrschend. Dies gilt zunächst für die Inschriften auf Grabdenkmälern, die die früheste sicher datierte hochdeutsche Inschrift überhaupt stellen (Nr. 57, 1553; vgl. auch Nr. 55). Später finden sich nur noch drei Beispiele für niederdeutsche Inschriften auf Grabdenkmälern aus den Jahren 1581, 1588 und 1590, wobei im letzteren Fall auch ein Bibelzitat niederdeutsch ist (Nr. 93A, 105 u. 117). Einzelne Wörter lassen aber noch bis in das erste Drittel des 17. Jahrhunderts niederdeutschen Einfluß erkennen, so hillige(n), Dodet und ehelike, abgescheden, frede (Nr. 93 C u. D, 1581); entslapen (Nr. 169, 1607); vf (Nr. 193, 1613); in veltugentsame liegt eine Mischung von hoch- und niederdeutschen (vel) Elementen in einem Wort vor (Nr. 267).

Dagegen vollzieht sich der Übergang vom Niederdeutschen zum Hochdeutschen bei den Hausinschriften langsamer, was Beobachtungen an den bisher edierten Inschriftenbeständen niedersächsischer Städte bestätigt. Da im Landkreis Holzminden der direkte Einfluß einer herzoglichen Kanzlei, der in Hann. Münden den Übergang zum Hochdeutschen beschleunigte,59) fehlte, setzt dieser hier später ein und verläuft allmählicher. Die erste, wenn auch sehr kurze, hochdeutsche Hausinschrift wurde 1567 bezeichnenderweise vom Pfandinhaber eines Amtes, der als „Kriegsunternehmer“ und als herzoglichen Rat mit der hochdeutschen Kanzleisprache vertraut war, an einem Gebäude der Domäne in Forst angebracht (Nr. 71, 1567). Erst aus dem Jahr 1580 ist die nächste hochdeutsche Hausinschrift (im Flecken Eschershausen) erhalten (Nr. 90); ab 1604 (Nr. 162) werden sie häufiger, ab 1610 ist das Hochdeutsche fast allgemein die Sprache der Hausinschriften. Niederdeutsch ist bis in das erste Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts die bevorzugte Sprache der Hauseigentümer, die auch neben lateinischen Inschriften auftritt; vgl. Nr. 54 (1550), 123, 148 u. 207. Wie sich auch bei der letzten rein niederdeutschen Inschrift aus dem Jahr 1610 zeigt (Nr. 185) sind es vor allem Reimverse (Nr. 207B, 1618) oder auch nur einzelne Reimwörter wie bvwen, vortrvwen, gervwen (Nr. 225, 1625), die die niederdeutschen Formen länger konservieren. Auf einzelne Wörter beschränkt sich der Einfluß in einem anderen Fall (Nr. 186A).

Bauinschriften aus Hehlen bestätigen diesen Befund. Während Fritz von der Schulenburg, der sich zeitlebens und auf allen Grabdenkmälern „Fritze“ (Frize, Fritse) nannte, seine beiden ersten Bauinschriften 1564 und 1579 noch in niederdeutscher Sprache anbringen ließ (Nr. 67 u. 88), so sind die zwischen 1589 und 1597 von seiner Frau in Auftrag gegebenen Inschriften (Nr. 115 u. 143, 144, 145) hochdeutsch verfaßt, ebenso wie eine Stifterinschrift des Paares von 1591 auf einem Kelch (Nr. 119). Ein Erneuerungsvermerk von 1589 auf einem anderen Kelch (Nr. 49) weist zwar niederdeutsche Einflüsse auf (ere gades, heft), die aber möglicherweise darauf zurückzuführen sind, daß dabei die ältere Stifterinschrift auf dem Parallelstück Nr. 48 als Vorbild gedient hat.

Bibelzitate auf Taufsteinen, die ab 1597 in deutscher Sprache angebracht wurden, sind, bis auf eine Ausnahme im Jahre 1603 (Nr. 161, Deensen) hochdeutsch; in einigen Fällen finden sich ebenfalls niederdeutsche Einflüsse (Nr. 268).

[Druckseite 35]

Bemerkenswerte sprachliche Formen weist die 1564 von Herzog Heinrich d. J. für Eimen gestiftete Glocke auf, deren Inschrift neben niederdeutschen Formen (hynrick, brvnsvych, lvneburch) hyperkorrekte Anpassungen ans Hochdeutsche (herzuck, geysen) aufweist (Nr. 66).

5. Die Schriftformen

Romanische Majuskel

Die romanische Majuskel ist gekennzeichnet durch ein wesentlich von Formen der Kapitalis bestimmtes Schriftbild, in das runde Formen – vor allem aus der Unzialis, aber auch aus anderen Schriftarten – neben eckigen Sonderformen (vor allem eckige C und G) integriert werden.60) Sie ist im allgemeinen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts im Gebrauch und wird um 1250 von der Gotischen Majuskel abgelöst.

Die Beispiele im vorliegenden Bestand beschränken sich auf eine nicht datierte Wandmalerei (Nr. 1, Abb. 1) und eine erhaben ausgehauene Inschrift auf einem Taufstein (Nr. 2, Abb. 47 u. 48). Die zuletzt genannte, ebenfalls undatierte Inschrift ist unproportioniert gehauen und weist den für diese Schrift typischen Wechsel von eckig-spitzen und runden Formen nur bei E und T auf. A und auffallenderweise auch T sind variantenreich gestaltet. Einzelne E zeigen die Tendenz zum Abschluß durch ausladende Sporen und in einem Fall durch einen ausgeprägten Abschlußstrich.

Gotische Majuskel

Bei der gotischen Majuskel handelt es sich um eine Mischschrift aus kapitalen und runden Buchstaben mit einem zunehmenden Anteil runder Formen. Charakteristisch sind keilförmige Verbreiterungen an den Enden von Schäften, Balken und Bögen sowie Bogenschwellungen. Hinzu kommt die Vergrößerung der Sporen an Schaft-, Balken- und Bogenenden, die insbesondere bei E und C zu einem Abschlußstrich zusammenwachsen und damit den Buchstaben vollständig abschließen können. Die gotische Majuskel setzt sich ab dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts in den niedersächsischen Beständen allgemein durch – einzelne Inschriftengattungen wie Glasmalereien und Objekte der Goldschmiedekunst weisen diese Schriftart bereits gegen Ende des 12. Jahrhunderts auf. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wird sie allmählich durch die gotische Minuskel abgelöst, nach 1400 tritt sie immer mehr zurück, bleibt aber für Versalien und sonstige Zierschriften im Gebrauch.

In den Inschriften des Landkreises Holzminden haben sich sieben Beispiele für die gotische Majuskel erhalten, davon sind sechs in Stein ausgeführt, die siebte als Glasmalerei der Chorfenster in Amelungsborn (Nr. 6, Abb. 2 u. 3). Die Glasmalerei-Inschrift präsentiert sich als klassische Ausprägung der gotischen Majuskel mit starken Schwellungen und einer ausgeprägten Tendenz zu runden, meist abgeschlossenen Formen.

Die wahrscheinlich älteste (2.–3. Viertel 13. Jahrhundert) gotische Majuskel in Stein (Nr. 3, Abb. 49–51) wurde auf der Piscine des Klosters Amelungsborn angebracht. Sie zeigt, wie bei den frühen Formen dieser Schrift häufig zu beobachten ist, einzelne E mit einem Abschlußstrich, während C offen ist. Die übrigen Beispiele für die gotische Majuskel finden sich sämtlich auf Kreuzsteinen,61) die in der 2. Hälfte des 14. bzw. zu Beginn des 15. Jahrhunderts entstanden sind. Sicher datiert auf das Jahr 1404 ist nur der weitgehend zerstörte Scheibenkreuzstein aus Holzen (Nr. 13, Abb. 57 u. 58). So weit die Buchstaben der meist stark verwitterten Steine noch erkennbar (Nr. 5 u. Nr. 11 Abb. 52 u. 54) und nicht durch Restaurierung (Nr. 12, Abb. 56) überformt sind, zeigen die Inschriften der Kreuzsteine keine über das klassische Formeninventar der gotischen Majuskel hinausgehenden Besonderheiten. Im Einzelfall sind auch eckig-spitze Formen (F, V) mit Abschlußstrichen versehen (Nr. 5, Abb. 52).

Gotische Minuskel

Die gotische Minuskel entspricht als epigraphische Schrift im Idealfall der Textualis der Buchschrift. Kennzeichen dieses Schrifttyps ist die Brechung der Schäfte und Bögen. Die im Mittelband stehenden Schäfte (z. B. von i, m, n, u, v etc.) werden an der Oberlinie des Mittelbandes und an der Grundlinie gebrochen, die Bögen durch stumpfwinklige Brechung oder spitzwinkliges Abknicken in senkrechte und schräge Bestandteile umgeformt. Die Umformung der Bögen in schräge und parallel ausgerichtete senkrechte Elemente gibt der Schrift vielfach einen von der Vertikalen dominierten, gleichförmigen Charakter, der den Eindruck einer gitterartigen Buchstabenfolge vermitteln kann. Typische Buchstabenformen für diese Schrift sind d mit nach links abgeknicktem Schaft und doppelstöckiges a (vgl. Abb. 59 anno und dni).

Im niedersächsischen Raum setzt die gotische Minuskel um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein und wird bis ins 3. Viertel des 16. Jahrhunderts verwendet.62) Im vorliegenden Bestand bietet eine nur wenige Buchstaben umfassende Glasmalerei im Zisterzienserkloster Amelungsborn aus dem 3. Viertel des 14. Jahrhunderts (Nr. 7) den Erstbeleg für diese Schriftart. Das zeitlich nächstfolgende Beispiel aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts (Nr. 9, Abb. 53) stammt ebenfalls aus Amelungsborn und ist in die steinerne Rückwand des dortigen Levitenstuhls eingehauen. Eine erhabene Ausführung der gotischen Minuskel in klassischer Form zeigt die Tumbendeckplatte für Siegfried von Homburg aus dem Zeitraum von 1390 bis 1410 (Nr. 14, Abb. 59–62). In dieser Inschrift ist der rechte Schaft des u zur Unterscheidung von n ohne obere Brechung ausgeführt, das runde s ist mit einem Diagonalstrich versehen. Eine ähnlich qualitätvolle gotische Minuskel wurde auf der ebenfalls zum Homburger-Gedenken gehörenden Marienstatue (1400–1410) angebracht (Nr. 15, Abb. 4 u. 5). Keines dieser frühen Beispiele trägt ein exaktes Datum. Das älteste in seiner Entstehungszeit eindeutig festzulegende Beispiel bietet der 1429 entstandene Gedenkstein für Dietrich Busel in Bodenwerder (Nr. 18, Abb. 64) mit einer eingehauenen gotischen Minuskel in klassischen Formen. Auf einem Kelch von 1576 wurde diese Schriftart zum letzten Mal verwendet (Nr. 80: Kreuztitulus); eine später entstandene Hausinschrift aus Warbsen von 1591 (Nr. 123, Abb. 124 u. 125) zeigt lediglich einzelne Formen der gotischen Minuskel.

Die Hausinschriften des vorliegenden Bestands bieten wenig schriftgeschichtlich auswertbares Material für die gotische Minuskel. Ein besonders ausgeprägtes Beispiel, das aber nur aus einem Baudatum besteht, ist von einem Torsturz aus Bodenwerder überliefert (vgl. Anhang 1, 1484, Abb. 224). Alle übrigen (vgl. z. B. Nr. 71, Abb. 92) in Holz ausgeführten gotischen Minuskeln sind stark verwittert und infolgedessen mit einer neueren Farbfassung versehen worden, die den ursprünglichen Befund kaum noch erkennen läßt.

Auf Metall wurde die gotische Minuskel für vier Glockeninschriften (Nr. 28, 39, 40, 66) und sechs Inschriften auf Kelchen verwendet. Zwei der vier Glocken (Nr. 39 u. 40, Abb. 70–72) stammen aus der Werkstatt des Gießers Hans Arnemann. Es sind aber weniger die Buchstabenformen, die auf die gemeinsame Herkunft verweisen, als vielmehr der Ornamentfries aus Kreuzblumen. Die jüngste der vier Glocken (Nr. 66, Abb. 90) wurde wahrscheinlich von Cord Mente in Braunschweig im Jahr 1564 im Auftrag Herzog Heinrichs d. J. gegossen. Sie zeigt eine ornamentale Ausprägung der gotischen Minuskel mit differenzierter Gestaltung der Oberlängen. Zierstriche und -häkchen bis hin zu einer kleinen Blütenranke schmücken die Balken- und Bogenenden. Variantenreich gestaltete Worttrenner betonen außerdem die ornamentale Wirkung der Inschrift. Die gotischen Minuskeln der sieben Kelche sind ausführungstechnisch in zwei Gruppen zu teilen: zum einen die glatt erhaben vor bearbeitetem Hintergrund in einer typischen Goldschmiedeminuskel (Bandminuskel) gravierten Inschriften. Die vor den Schaft gelegten Brechungen, die noch durch Strichelung innerhalb der Kontur betont werden, lassen die Buchstaben leicht plastisch wirken (Nr. 34; Nr. 42, Abb. 81; Nr. 43). Die andere Gruppe (Nr. 29, 48, Abb. 7–11 u. 82) ist durch eingravierte, scharfzackig-spitze Formen charakterisiert, die sich besonders in den ausgeprägt spitz endenden Quadrangeln ausdrücken.

An Sonderformen sind innerhalb der gotischen Minuskel des vorliegenden Bestands einzelne Fälle von Kasten-a zu vermerken (Nr. 30, 1481; Nr. 48: Kelch, 1. Drittel 16. Jahrhundert, Abb. 82), auf einem Grabplattenfragment aus derselben Zeit (Nr. 47, Abb. 78) und in der 1591 entstandenen [Druckseite 37] Hausinschrift aus Warbsen. In letztgenanntem Beispiel ist der mittlere Balken des Kasten-a verdoppelt (Nr. 123, Abb. 124 u. 125). Auf dem genannten Kelch Nr. 48 aus Bodenwerder ist das Schluß-s in einer ungewöhnlichen Form ausgeführt: der untere Bogen ist rund und nicht gebrochen, der obere zu einem senkrechten Schaft mit Quadrangel reduziert. Bogen-r ist selten belegt (z. B. Nr. 47, Abb. 78; Nr. 55). Die Entwicklung der Versalien läßt sich wegen des spärlichen Befunds nicht nachzeichnen.

Frühhumanistische Kapitalis

Der Begriff „frühhumanistische Kapitalis“ bezeichnet eine Mischschrift, die auf das Formenrepertoire verschiedener Majuskelschriften zurückgreift und gelegentlich auch Buchstaben aus Minuskelalphabeten integriert. Dieser dekorative Formenwechsel wird durch Elemente wie Nodi an Schrägschäften und Balken (insbesondere bei H, I und N) und keilförmig verbreiterte Enden an Schäften und Balken gesteigert. In ihrer Idealform wurde diese Schriftart in den niedersächsischen Beständen vor allem für die besonders dekorativen, oft auf Goldgrund ausgeführten Inschriften der spätgotischen Altäre und auf Goldschmiedearbeiten vom Ende des 15. bis in das 1. Drittel des 16. Jahrhunderts verwendet.

Im vorliegenden Bestand ist die frühhumanistische Kapitalis äußerst spärlich vertreten, nicht zuletzt deshalb, weil die genannten typischen Träger dieser Schriftform im Bestand des Landkreises Holzminden weitgehend fehlen. Lediglich die auf den Rotuli am Nodus einzelner Kelche angebrachten Einzelbuchstaben IHESVS zeigen in der einschlägigen Zeit die charakteristischen Schmuckelemente wie epsilonförmiges E oder H mit Ausbuchtung am Querbalken.

Die älteste Verwendung dieser Schriftform deutet sich auf einem Inschriftenstein aus Allersheim (Nr. 41, Abb. 76) von 1516 an. In Holz hat sich die frühhumanistische Kapitalis an einem kleinen Bibelpult von 1583 (Anhang 1, 1583 Pegestorf, Abb. 226) und an einem Fachwerkhaus in Bodenwerder erhalten (Nr. 72, Abb. 40). Die auffallendsten Kennzeichen der letztgenannten Inschrift sind: offenes unziales D, das in Ligatur mit einem kapitalen E auftritt, und ein ungewöhnliches G, dessen rechtwinklige Cauda nicht mit dem Bogen verbunden ist.

Einzelne Elemente dieser Schrift wurden als ornamentale Formen innerhalb von Kapitalis-Inschriften verwendet, wie z. B. spiegelbildlich positionierte, offene D und G in einer Anfang des 17. Jahrhunderts entstandenen Stadtoldendorfer Hausinschrift (Nr. 186, Abb. 44–46), in einer Steininschrift von 1571 (Nr. 78, Abb. 94 im Wort GNADEN) und auch auf dem sog. Stuckenstein von 1585 (Nr. 96, Abb. 104). Ausbuchtungen und Nodi an Schrägschäften und Balken sind in zwei Glockeninschriften (Nr. 103, Abb. 105 u. 106; Nr. 179, Abb. 160 u. 161) zu beobachten.

Kapitalis

Die (Renaissance)-Kapitalis wird, abgesehen von drei früheren, aufgrund ihres geringen Buchstabenbestandes aber wenig aussagekräftigen Beispielen (Nr. 34; Nr. 44, Abb. 77; Nr. 45) in den Inschriften des Landkreises Holzminden – wie in den niedersächsischen Inschriftenbeständen allgemein üblich – ab der Mitte des 16. Jahrhunderts verwendet.63) Das früheste Beispiel für diese Schriftform findet sich auf dem Epitaph für Gordt Ketteler in Polle aus dem Jahr 1553 (Nr. 57, Abb. 87). Bis zum Ende des Erfassungszeitraums bleibt die Kapitalis auf sämtlichen Inschriftenträgern die dominierende Schriftform, wobei die auf Holz ausgeführten Beispiele, vor allem die Hausinschriften, durch starke Verwitterung und die dadurch bedingten mehrfachen Restaurierungen schriftgeschichtlich kaum noch auszuwerten sind (vgl. z. B. Nr. 79).

Die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstandenen Kapitalisinschriften sind mit wenigen Ausnahmen erhaben in Stein ausgeführt. Sie lassen sich in zwei Gruppen gliedern: Die eine Gruppe ist charakterisiert durch breite, einheitliche Strichstärke ohne Ausprägung von Haar- und Schattenstrichen. Bögen, Schäfte und Balken enden meistens stumpf, seltener schräg abgeschnitten, [Druckseite 38] aber weitgehend ohne Sporen; lediglich die Bögen des S lassen hin und wieder Sporen erkennen. Als Schmuckformen werden Elemente der frühhumanistischen Kapitalis verwendet. Charakteristische Beispiele auf Stein bieten der Inschriftenstein an der Kirche in Lauenförde von 1569 (Nr. 76, Abb. 93), die Inschrift an der Kirche in Vahlbruch (Nr. 155, Abb. 141) und eine der Bauinschriften an der Luther-Kirche in Holzminden von 1577 (Nr. 82, Abb. 97). Die im Jahr 1588 entstandene Glocke in Holzen (Nr. 103, Abb. 105 u. 106) zeigt diesen Schrifttyp in der gegossenen Variante. Zwei weitere für Kinder der Familie von Grone gestiftete Grabdenkmäler (Nr. 105 u. 117, Abb. 113 u. 117) zeigen den Typ der schlichten Kapitalis in einem ausgewogenen Schriftbild mit leicht keilförmig verbreiterten Schäften.

In diese erste Gruppe der ohne ausgeprägte Strichstärken-Varianz ausgeführten Kapitalis gehören auch zwei frühe Beispiele aus der Werkstatt des Weserrenaissance-Bildhauers Arend Robin: Das bereits als Erstbeleg der Kapitalis erwähnte Grabdenkmal für Gordt Ketteler (Nr. 57, Abb. 87) in Polle und das ebenfalls dort befindliche Grabdenkmal für Anna von Meschede (Nr. 77, Abb. 95). Beide Inschriften weisen zusätzlich zu den genannten Charakteristika der ersten Gruppe nach rechts durchgebogene Schäfte, u. a. bei W, E und F auf, und zwar besonders in solchen Fällen, wenn die Nachbarschaft zu einem Bogenbuchstaben – beispielsweise nach einem D – dies erfordert.

Die andere Gruppe der Kapitalisinschriften läßt sich bei wiederum überwiegend schmalen Proportionen durch einen Wechsel in der Strichstärke mit Haar- und Schattenstrichen, Linksschrägen- und Bogenverstärkungen definieren. Sie weist weiterhin ausgeprägte keilförmige Verbreiterung der Buchstabenenden und vielfach auch serifenartige Sporen auf. In besonders qualitätvoller Ausführung ist dieser Typ der Kapitalis auf dem 1588 von dem Mindener Bildhauer Johannes Barckhausen angefertigten Grabdenkmal für Abt Andreas Steinhauer in Amelungsborn verwirklicht (Nr. 101, Abb. 112). Auffällig ist an dieser Inschrift zudem die überwiegende Verwendung des runden U in vokalischer Position, während V konsequent den Konsonanten bezeichnet. In diesem Fall korrespondiert eine durchgebildete Form der Kapitalis mit einer inhaltlich und formal von Gelehrsamkeit geprägten Grabinschrift. Schlichter ausgeführte Beispiele für diesen zweiten Typus bieten die gegen Ende des 16. Jahrhunderts und später entstandenen Grabinschriften für Rab Otto de Wrede (Nr. 120, Abb. 118), das Epitaph für Wulbrand von Gülich von 1604 (Nr. 165, Abb. 31) sowie die Inschriften für Katharina Bickhaber (Nr. 127, Abb. 120) und Johann von Grone (Nr. 129, Abb. 121).

In die zweite Gruppe gehören auch drei Grabdenkmäler aus der Werkstatt des Hildesheimer Bildhauers Ebert Wolf d. J., unter denen die Wappenbeischriften auf zwei 1586 oder bald danach entstandenen Grabplatten in Ottenstein (Nr. 98 u. 99, Abb. 107 u. 108) zu den vor 1600 eher seltenen Beispielen für vertiefte Kapitalis zählen. Sie zeigen, wie auch die erhaben ausgehauenen Parallelbeispiele (Nr. 134 u. 144 D, Abb. 128 u. 137), die recht homogenen Buchstaben- und Zierformen der Wolf-Werkstatt: E mit sehr kurzem mittleren und langem, durch einen Sporn betonten unteren Balken sowie kleine Häkchen an den oberen Bögen von C, G und S.

Eine schon durch ihre Ausführung als Wandmalerei bedingte Sonderstellung kommt der durch die Verwendung von Haar- und Schattenstrichen ornamental gestalteten Kapitalis-Inschrift aus Derental zu (Nr. 83, Abb. 12).

In den nach der Wende zum 17. Jahrhundert entstandenen Inschriften nimmt die Zahl der mit Sporen und wechselnden Strichstärken gestalteten Inschriften erheblich zu; parallel dazu steigt auch der Anteil vertieft ausgeführter Inschriften. Typisch für die im vorliegenden Bestand verwendete Kapitalis der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts sind E mit kurzem Mittelbalken und einem ausgeprägten unteren Balken, der oft noch durch einen ausladenden Sporn betont wird; W besteht aus zwei verschränkten V, der Schrägschaft des N ist geschwungen und ragt geringfügig über die Schäfte hinaus; M ist vielfach in der konischen Form ausgeführt, der Mittelteil endet – auch bei geraden Schäften – oberhalb der Mittellinie.64) O hat normalerweise spitzovale Form.

Unter den vertieften Inschriften aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts ist die bestandstypische Kapitalis in einer besonders ästhetisch durchgebildeten Form in der im Jahr 1604 für den Stadtschreiber [Druckseite 39] in Bodenwerder, Franz Rust, angefertigten Grabinschrift (Nr. 163, Abb. 152) repräsentiert. Eine ähnlich klare Ausformung des Schrifttyps zeigen auch die Inschriften aus dem Umkreis der Familie von Campe (Nr. 161 u. 169, Abb. 148–150 u. 158). In erhabener Ausführungstechnik sind zwei für Bürgermeister gestiftete Grabplatten aus Bodenwerder (Nr. 203 u. 210, Abb. 182 u. 183) in vergleichsweise hoher Qualität geschaffen. Ihre figürliche Gestaltung korrespondiert mit der sorgfältigen Ausführung der Inschriften. Eine ähnlich ausgeprägte Kapitalis hat der renommierte Gießer Dietrich Mente auf einer Glocke in Arholzen verwendet (Nr. 181, Abb. 164 u. 165).

Häufige Sonderformen innerhalb der Kapitalis sind G mit eingestellter Cauda (z. B. Nr. 217, 211 u. 224, Abb. 32, 184 u. 194), A mit gebrochenem Mittelbalken (z. B. Nr. 164, Abb. 151) und epsilonförmiges E. Gegen Ende des Erfassungszeitraums werden hin und wieder einzelne Minuskeln in Kapitalis-Inschriften integriert (z. B. Nr. 164, 198 u. 261, Abb. 151, 198 u. 34). Eine durch zahlreiche Sonderformen auffallende Kapitalis ist auf drei Grabplatten aus Meinbrexen zu beobachten (Nr. 183, 233 u. 235, Abb. 166, 201 u. 203): epsilonförmiges E steht neben der kapitalen Form, hervorzuheben ist das eckige U mit breitem, spitz gebrochenen Verbindungsbogen neben spitzem V; außerdem finden sich retrograde N. In einer von diesen Inschriften (Nr. 183) sind – als einzige Beispiele im Bestand – neulateinische Zahlzeichen verwendet worden.

Fraktur und humanistische Minuskel

Charakteristisch für die Fraktur sind Schwellzüge und Schwellschäfte sowie die spitzovale Grundform der geschlossenen Bögen, a ist im Unterschied zum zweistöckigen a der gotischen Minuskel in der Regel einstöckig ausgeführt. Die Schäfte von f und langem s reichen deutlich bis unter die Grundlinie, die Oberlängen sind häufig in Zierschleifen ausgezogen. Den Schrifteindruck der Fraktur prägen neben den Gemeinen vor allem die in viele einzelne Schwellzüge oder Brechungen aufgelösten Versalien (z. B. Nr. 228, Abb. 199).

Das früheste Beispiel für die Verwendung der Fraktur ist eine erhabene Fraktur in Stein auf der 1581 entstandenen Grabplatte für Elisabeth von Helversen (Nr. 93, Abb. 103). Wenige Jahre später sind die von der Familie von Steinberg in Auftrag gegebenen drei Grabplatten (Nr. 98, 99, 100, Abb. 107–109) entstanden, die durch die charakteristische Signatur EBW (Abb. 110f.) der Werkstatt des Hildesheimer Bildhauers Ebert Wolf d. J. zugewiesen werden können. Wie bereits in Braunschweig und Hildesheim zu beobachten war, zeichnet sich die erhabene Fraktur dieser Werkstatt durch eine spezifische, einheitliche Buchstabengestaltung aus, die von schmalen Strichen über u und kleinen dreieckigen Dornen am Schaft von s, l, h und b charakterisiert ist.65) Bei den von der Familie von der Schulenburg in Hehlen in Auftrag gegebenen eingehauenen Fraktur-Inschriften fehlen die kleinen Dorne an den Schäften, gleichwohl sprechen die figürlichen Darstellungen wie auch die aufwendig gestalteten, in einzelne Schwellzüge aufgelösten Versalien (Nr. 143 u. 144, Abb. 28–30 u. 137) für eine Herkunft aus dieser Werkstatt. Die ältesten gemalten Fraktur-Inschriften sind 1588/89 in Meinbrexen als Wandmalerei, auf einem Altarretabel und einem Kanzelkorb entstanden (Nr. 108, 109, 110, Abb. 14, 15, 17, 19, 20 u. 115). Wie die meisten gemalten Fraktur-Inschriften sind auch diese im Laufe der Jahrhunderte mehrfach durch Restaurierungen überformt worden, so daß die Beobachtung der Einzelformen kaum für schriftgeschichtliche Erkenntnisse zu nutzen ist.66) Wie auch in anderen Beständen zu beobachten ist, bleibt die Verwendung der Fraktur an deutschsprachige Texte gebunden. Evident wird diese Sprachbindung an einem Kanzelaltar aus den Jahren vor 1646 (Nr. 257, Abb. 35–38). Dort sind die lateinischen Inschriften in Kapitalis ausgeführt, hingegen wurde für die deutschsprachigen Bibelzitate die Fraktur verwendet.

Die humanistische Minuskel, die wie die Fraktur in Inschriften allgemein seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Verwendung findet, kommt im Landkreis Holzminden nur in vier Beispielen vor. Generelle Merkmale dieser Schrift, die der Antiqua der Buchschrift entspricht, sind runde Bögen und ohne Brechung endende Schäfte. Das runde g, f und Schaft-s sowie h enden in der Regel auf der Grundlinie, d wird mit senkrechtem Schaft ausgeführt. Das früheste Beispiel für diese Schriftart sind die lateinischen Textteile innerhalb der Meinbrexener Wandmalerei-Inschriften von 1588/89 (Nr. 108). Wie auch andernorts zu beobachten, wird diese Schriftart vorwiegend für lateinische [Druckseite 40] Inschriften verwendet, wie z. B. in dem Grabgedicht auf dem Epitaph des Wulbrand von Gulich von 1604 (Nr. 165, Abb. 31) und in der versifizierten Inschrift am Thesmar-Haus von 1609 (Nr. 172, Abb. 155).67)

Zitationshinweis:

DI 83, Landkreis Holzminden, Einleitung (Jörg H. Lampe, Meike Willing), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di083g015e003.

  1. Vgl. www.inschriften.net/projekt/richtlinien/edition.html »
  2. Zur Entwicklung des Kreisgebiets vgl. zuletzt Pischke, Von Gauen zum Landkreis, hier S. 1f. u. 23–28. »
  3. Vgl. ebd., S. 5. Tacke, Landkreis, S. 15 u. Abb. 2. Geschichtlicher Handatlas Niedersachsen, Karte 32. »
  4. Vgl. Schnath, Herrschaften, S. 9–29. Tacke, Landkreis, S. 15–17. »
  5. Vgl. Kdm. Holzminden, S. 139f. »
  6. Vgl. Gehrmann, „slot“, bes. S. 14f. u. 19. »
  7. Vgl. Schubert, Geschichte Niedersachsens, S. 789–791. Huismann, Eversteinsche Fehde, passim. »
  8. Zu Holzminden vgl. Kdm. Holzminden, S. 55–61; zu Stadtoldendorf ebd., S. 199–203. Zu Bodenwerder vgl. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 5–8. »
  9. Vgl. DI 76 (Lüneburger Klöster), Nr. 48»
  10. Vgl. Pischke, Von Gauen zum Landkreis, S. 6f. u. 24. Tacke, Landkreis, S. 17. Geschichtlicher Handatlas Niedersachsen, Karte 26, 35a–c u. 36. »
  11. Vgl. Brüdermann, Glaubensspaltung, S. 441. »
  12. Vgl. ebd., S. 445–451. »
  13. Vgl. Tacke, Landkreis, S. 102f. Kerschbaumer, Wiederbesiedlungen, bes. S. 76f. »
  14. Vgl. bes. Mahrenholz, Abtsliste II, S. 106–139. Kieckbusch, Lateinschule, passim. »
  15. Zum Vorstehenden vgl. insgesamt Brüdermann, Glaubensspaltung, S. 451–473. »
  16. Vgl. bes. Neukirch, Adelskultur, S. 135–153. »
  17. Vgl. Kraschewski, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 488f. Neukirch, Adelskultur, S. 140f. »
  18. Vgl. Brüdermann, Glaubensspaltung, S. 454 u. 457f. »
  19. Vgl. ebd., S. 473f. Kraschewski, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 509. Neukirch, Adelskultur, S. 213f. »
  20. Vgl. Zadach-Buchmeier, Merians Beschreibung; ders., Statius von Münchhausen. Krämer, Bau-Herr, jeweils passim. Neukirch, Adelskultur, S. 182–218. Uhden/Sander, Bevern, S. 443–460. »
  21. Vgl. Jarck, Dreißigjähriger Krieg, S. 514–528. Eine Übersicht der regionalen und lokalen Ereignisse im Weserdistrikt und in Holzminden gibt Kieckbusch, Bürgerleben, S. 236–302 u. 336–346. Vgl. auch Rauls, Stadtoldendorf, S. 79f. Eggeling, Chronik, S. 219f »
  22. Vgl. Jarck, Dreißigjähriger Krieg, S. 525. Römer, Hochabsolutismus, S. 535–540. Geschichtlicher Handatlas Niedersachsen, Karte 33. »
  23. Vgl. Jarck, Dreißigjähriger Krieg, S. 528–532. Kieckbusch, Bürgerleben, bes. S. 241–335. Zu Amelungsborn vgl. Mahrenholz, Abtsliste IV, S. 142–168. »
  24. Vgl. Borggrefe, „Die vom Adel“. Hufschmidt, „Von uraltem Adel“; dies., „Sehliglich entschlafen“, jeweils passim. Zadach-Buchmeier, Statius von Münchhausen, S. 34–38. Neukirch, Adelskultur, S. 53ff. »
  25. Vgl. Angermann, Kriegshandwerk, passim. Neukirch, Adelskultur, S. 91–119. »
  26. Vgl. Lippelt, Hoheitsträger, S. 35–55. Samse, Zentralverwaltung, S. 25–30 u. 145ff. »
  27. Vgl. Hufschmidt, „Sehliglich entschlafen“, bes. S. 262. »
  28. Vgl. Nr. 151, 161, 169, 236, 244 u. Anhang 1, 1613 Deensen»
  29. Vgl. Nr. 93, 105, 117, 129, 168, 182, 204 u. 241»
  30. Zu Letzner vgl. allgemein Klinge, Letzner, passim. »
  31. Vgl. Mahrenholz, Abtsliste IV, S. 142ff. Heutger, Kloster Amelungsborn, S. 224ff. Kieckbusch, Klosterschule, S. 83ff. »
  32. Vgl. Leuckfeld, Antiquitates. »
  33. Vgl. Braunschweigische Anzeigen 1757. »
  34. Vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 395f. Hake, Familiengeschichte, S. 214 u. ö. »
  35. Zu weiteren Gräbern der Hakes in Amelungsborn vgl. Göhmann, Spurensuche, S. 19. »
  36. Die zeitgenössischen Abschriften für die Kirchenverwaltung befinden sich heute im Landeskirchlichen Archiv in Wolfenbüttel; zit.: LkAW, Corpus bonorum von ... »
  37. Vgl. Kreuzsteine und Steinkreuze, S. 2f. Vielfach spekulativ: Görlich, Kreuzsteine. »
  38. Vgl. DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 621»
  39. Nr. 272 ist an der Stelle vermutlich zerstört. »
  40. Vgl. Reg. 7a, Bibel. »
  41. Vgl. Reg. 4. »
  42. Vgl. Reg. 6, s. v. Sterben. »
  43. Vgl. Reg. 10, s. v. Datum in der Inschrift. »
  44. Vgl. Reg. 6, s. v. Fürbitte. »
  45. Vgl. z. B. Tebbe, Epitaphien, S. 324–327. »
  46. Auf dem Epitaph für Anna von Meschede (Nr. 77) sind zwei Vierer-Ahnenproben für die Verstorbene und ihren noch lebenden Ehemann Franz von Wrede angebracht. »
  47. Vgl. Kieckbusch, Bürgerleben, S. 325–335.  »
  48. Vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 72–79. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 29–48. »
  49. Vgl. Mahrenholz, Abtsliste III, S. 200f. »
  50. Für Amelungsborn vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 120f., 133, 136 u. 138. »
  51. Vgl. Elena Kozina, Art. Amelungsborn, in: CVMA Deutschland, Bd. VII,1 (in Vorbereitung). »
  52. Vgl. Mahrenholz, Abtsliste III, S. 212f.; ders., Abtsliste IV, S. 148–166. Göhmann, Abendmahlskelch, S. 6–9; ders., Kelche, passim. »
  53. Vgl. Mathies, Taufbecken, bes. S. 13–17. Poscharsky, Kanzel, S. 64–71 u. 89–101. »
  54. Vgl. Poscharsky, Kanzel, S. 112–114. »
  55. Vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 69f. »
  56. Der Rat von Stadtoldendorf traf sich lange im Ratskeller; Kdm. Kr. Holzminden, S. 208f. Vgl. Nr. 214. Keine Erwähnung eines Rathauses in: Kdm. Bodenwerder/Pegestorf. Heute dient das ehemalige Herrenhaus der Münchhausen von 1603 als Rathaus; ebd., S. 24f. »
  57. Vgl. DI 28 (Stadt Hameln), S. XXIVf. DI 66 (Lkr. Göttingen), S. 18»
  58. Vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), S. 25»
  59. Vgl. ebd. »
  60. Zu den Charakteristika der einzelnen Schriftformen vgl. Deutsche Inschriften. Terminologie, S. 28.  »
  61. Vgl. Nr. 5, Abb. 52; Nr. 11, Abb. 54 u. 55; Nr. 12, Abb. 56; Nr. 13, Abb. 57 u. 58; Nr. 17, Abb. 63.  »
  62. Erstbeleg DI 66 (Lk Göttingen), Nr. 9 (Hann. Münden, Hochwasserinschrift von 1342). »
  63. Vgl. DI 66 (Landkreis Göttingen), Einleitung S. 29 mit einzelnen Beispielen aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Das älteste Beispiel für die Verwendung der Kapitalis im Landkreis Hildesheim bietet die im Jahr 1550 für Siverd von Steinberg gestiftete Grabplatte in Lamspringe. Vgl. DI 88 (Lkr. Hildesheim; in Vorbereitung). »
  64. Vgl. DI 56 (Stadt Braunschweig II), S. XXXIX. DI 58 (Stadt Hildesheim), S. 68»
  65. Zur Restaurierungsproblematik der gemalten Fraktur-Inschriften vgl. DI 76 (Lüneburger Klöster), S. 36»