Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)
Nr. 287† Rotenburg, Schloß 1610
Beschreibung
Zwei Gedenkinschriften am Hauptportal des Schlosses, durch das man vom Vorhof den Schloßplatz betrat. Die Inschrift (I) war in goldenen Buchstaben über dem Tor auf der Seite des Vorhofs angebracht. Inschrift (II) befand sich ebenfalls in goldenen Buchstaben auf der Seite des Schloßplatzes.1)
Nach Winkelmann.
- I
Fundamenta mihi Ludovicus prima secundusIecit et ad Fuldae littora me posuit.Auxit opus sapiens Guilelmus in ordine quartusHortorum et templi condidit ille decus.Et tria constituens in me caenacula totamAulam fundantisa) cinxit ad usque domum.Tandem Mauritius primus conformat eandem,Lignea quae fuerat, saxea finit opus.Sic tres Hessiaci me perfecere dynastae,Auspiciis quorum floreo celsa domus.Horum ad longaevos quo sim servata nepotesDet, qui dat terras, oppida, regna, domos.
- II
Arcis huius Rotenbergae prima fundamenta Ludovicus Magnanimus nominis istius secundus Hassiae landgravius, cuius coniux Mechtildis comes Wirtenbergica, iecit anno Christi 1470. Hanc postea ampliavit et auxit Guilelmus quartus cognomento sapiens, cui supradicti stemmatis piissima coniux Sabina dux Wirtenbergica, anno Christi 1573. Absolvit et perfecit denique eandem dictorum haeres successor et filius Mauritius primus, cui coniuges prima Agnes Solmensis, secunda Iuliana Nassovica comites, anno 1610.
Übersetzung:
(I) Die ersten Fundamente legte Ludwig II. für mich, und er baute mich an den Ufern der Fulda. Wilhelm der Weise, in der Reihe der vierte, vermehrte das Werk, und jener begründete den Schmuck der Gärten und der Kirche. Er baute in mir drei Stockwerke und umgab den ganzen Hof mit festen Fundamenten bis zum Schloß. Schließlich hat Moritz I. eben das, was aus Holz gewesen war, in Stein errichtet, und er hat das Werk beendet. So haben drei hessische Dynasten zu meiner Vollendung beigetragen, nach deren Willen ich als erhabenes Haus blühe. Daß ich für lange Zeit den Nachkommen dieser bewahrt bleibe, möge der geben, der die Länder, Städte, Königreiche und Häuser (den Menschen) gibt.
(II) Die ersten Fundamente dieser Burg zu Rotenburg legte Ludwig der Freimütige, der zweite Landgraf von Hessen dieses Namens, dessen Gattin Mechthild Gräfin von Württemberg war, im Jahre Christi 1470. Diesen Bau hat später Wilhelm IV. mit dem Beinamen der Weise erweitert und vergrößert, der aus dem vorgenannten Geschlecht seine sehr fromme Frau Sabine Herzogin von Württemberg hatte, im Jahr Christi 1573. Fertiggestellt und vollendet hat den Bau der Erbe, Nachfolger und Sohn der genannten, Moritz I., der zwei Frauen hatte, nämlich zuerst Agnes Gräfin von Solms und dann Juliana Gräfin von Nassau, im Jahre 1610.
Versmaß: Sechs elegische Distichen (I).
Textkritischer Apparat
- Gemeint ist offenbar fundatis.
Anmerkungen
- Lucae 75.
- Vgl. zu ihm unter Ludwig IV. Europ. Stammtafeln NF I.2, Taf. 239.
- Vgl. zu ihnen Europ. Stammtafeln NF I.2, Taf. 240 und oben Nr. 224.
- Zur Baugeschichte vgl. Lucae 73 f. (68 f.); Dehio, Hessen 756; Dehio, Hessen I (2008) 787 f.; mit vielen Einzelheiten, Plänen, Kosten und Inventaren Ortmüller, außerdem Einleitung Kap. 2.3.
- Vgl. Europ. Stammtafeln NF I.2, Taf. 241.
- Vgl. die Literatur wie bei Anm. 4, außerdem bei Nr. 176.
- So nach Ortmüller 24.
Nachweise
- Winkelmann, Beschreibung 266.
- Lucae, Kleinod 75 f. (70 f.).
- Ortmüller, Geschichte 23 f.
Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 287† (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0028703.
Kommentar
Die ursprüngliche Stadtburg ersetzte Landgraf Ludwig II.2) 1470 durch einen Neubau, der bereits 1478 abbrannte und wiederhergestellt wurde. Unter Landgraf Wilhelm IV. und seiner Frau Sabine von Württemberg3) wurde in den Jahren 1570–1571 ein umfangreicher Neubau des Schlosses begonnen. Wilhelms Sohn Moritz ließ schließlich von 1603 bis 1606 die alte Burg vollständig niederreißen und vollendete den Neubau 1607.4) Seine erste Frau, Gräfin Agnes von Solms, die Moritz 1593 geheiratet hatte, war bereits 1602 gestorben, und im Mai 1603 heiratete Moritz Gräfin Juliana von Nassau-Dillenburg.5) Die in Inschrift (B) ans Ende und hinter die Erwähnung der Ehefrauen angefügte Jahreszahl 1610 bezieht sich auf die Fertigstellung des ganzen Neubaus, nicht nur des Tores, und seiner „schlüsselfertigen“ Übergabe; sie ist kaum geeignet, die in der Literatur auf Lucaes Beschreibung gründenden Daten zu relativieren, denn die angebliche Bauvollendung 1573 dürfte sich auch nur auf den ab 1750 barockisierten Westbau bezogen haben, da die Bauarbeiten am Gesamtkomplex auch nach 1573 weitergingen, die Schloßkapelle wurde erst 1581 begonnen. Außerdem datiert Lucae die Fertigstellung des Nordflügels wohl anhand einer Inschrift.6) Es fehlt zudem die Bezeichnung „im alten Haus“ für den Nordflügel im Inventar von 1607 und danach, während der Begriff in dem von 1603 noch vorhanden war.7)