Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 271 Bad Hersfeld, Museum, aus Stiftskirche/Stiftsruine o. Ev. Stadtkirche 1605

Beschreibung

Grabplatte der Anna Winter. Die Platte aus gelbgrauem Sandstein steht vor dem Museum. Die Grabinschrift (A) läuft auf dem erhöhten Rand um, das Grabgedicht (B) und der Nachtrag zur Grabinschrift (C) befinden sich untereinander im Feld. Außer auf der linken Leiste weist die Platte überall starke Abwitterungsspuren auf; das untere Drittel war weggebrochen. Einige der selten bestimmbaren Worttrenner sind Quadrangel.

Maße: H. 181, B. 83, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Escherich) [1/1]

  1. A

    ANNA ∙ ANTONI ∙ WINTERI ∙ / CONSILIARII ∙ HASSIACI ∙ VXOR ∙ PIA CASTA ∙ [H]O[NE]/STA MATRONA ∙ OBIIT ∙ 14 ∙ OCTO/BRIS ∙ A(NNO) ∙ D(OMINI) ∙ 1605 ∙ QVAM ∙ 2 ∙ FILIAE ∙ SECVTAE

  2. B

    TECTA IACENT ANNA[E] / WINTERI HIC CON=/IVGIS OSSA ∙ /QVAE FVIT IN VITA / CASTA PIA ATQVE / PROBA ∙ /CHRISTE TVO FIDIT / SINCERO PECTORE / VERBO ∙ /COELICA CVM NATIS / NVNC TVA DIGNA / TENET ∙

  3. C

    DVAE FILIAE / ANNA IVLIANA / ELISEBETA

Übersetzung:

(A) Anna, die Ehefrau des hessischen Rates Anton Winter, eine fromme, züchtige und ehrenhafte Frau, starb am 14. Oktober im Jahre des Herrn 1605, und ihr folgten zwei Töchter.

(B) Hier liegen bedeckt die Gebeine der Ehefrau Anna Winter, die in ihrem Leben züchtig, fromm und redlich war. Mit reinem Herzen vertraute sie auf dein Wort, Christus. Nun besitzt sie mit ihren Kindern würdig dein himmlisches Reich.

(C) Zwei Töchter: Anna Juliana, Elisabeth.

Versmaß: Zwei elegische Distichen (B).

Kommentar

Anton Winter aus Rotenburg, wohl 1539 geborener Sohn des Superintendenten Julius Winter, war 1556 als „Anthonius Hybernius Rotenburgensis“ in Marburg immatrikuliert und trat ab 1562 in landgräfliche Dienste; über einfache Schreiber- bzw. Sekretärstätigkeiten stieg er zum Amtmann in Frauensee und Hauneck und zum hessischen Schultheißen von Hersfeld auf; als solcher ist er 1598 letztmals belegt. 1614 heißt er „Füerstlich Hessischer bestellter Kammerrat“ in Hersfeld und war auch bestellter Rat des Abtes Joachim Roell (1592–1606).1)

Die beiden Töchter starben offenbar kurz nach der Mutter und waren auch ziemlich jung, da die bisher nicht datierte Eheschließung erst nach dem Todesfall von Anton Winters erster Frau Catharina Hesberg am 22. März 1591 erfolgt sein kann.2) Am 13. April 1611 starb Anton Winters Tochter Juliana, ohne daß man Alter und Mutter kennt.3) Auch sie wird eine Tochter der Anna gewesen sein, da Winters erste Eheschließung mit Catharina Hesberg 1570 erfolgte.4)

Die sehr schlanke Kapitalis schließt nur einen mäßig breiten Buchstaben, nämlich S, ein; daher sind die O in extremer Weise spitzoval geschrieben. Einen gewissen Wiederkennungswert besitzt nur das kleine, fast kreisrunde Q, dessen Cauda senkrecht nach unten geführt und auf der Grundlinie im rechten Winkel nach rechts umgeknickt ist.5)

Anmerkungen

  1. Ziegler, Territorium 177; ausführlich Gundlach, Zentralbehörden III 300 auch zum folgenden, vgl. auch Falckenheiner, Personen- und Ortsregister 83 zu Marburg; zum Schultheißenamt in Hersfeld Demme, Nachrichten I 79, 81, 85, 87. Witzel, Hersfeld 302 gibt als Eckdaten des Schultheißenamts 1575 bis 1602 und bezieht sich auf Ziegler, a.a.O. 177 ff.; Görlich, Räte 40: noch 1622 Kammerrat.
  2. Vgl. Gundlach, Zentralbehörden III 300, Anm. 11.
  3. Kirchenbuch Hersfeld 1/1611.
  4. Görlich, Räte 40.
  5. Keinesfalls so elegant wie eine ähnliche Form im Rhein-Mosel-Raum, vgl. DI 71/1 (Trier II) Nr. 550. Stärker stilisiert ist das Q auf der Grabplatte eines 1683 geborenen Mannes im Bad Hersfelder Museum.

Nachweise

  1. „Anna Winter 1605 und ihre Töchter Anna Juliana und Elisabetha, Hersfeld“, in: Grabdenkmäler <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/1099> (Stand: 19. 10. 2021, Bearb. Andreas Schmidt, HLGL).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 271 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0027101.