Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)
Nr. 217 Ersrode (Ludwigsau), Evangelische Kirche 1589
Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]
Beschreibung
Epitaph des Georg Riedesel von Eisenbach. Das an den Formen der Ädikula orientierte Denkmal aus hellem Sandstein steht an der Südwand der Kirche. In der Nische steht die nach links gewendete, gerüstete Figur des Verstorbenen ohne Helm, der neben dem linken Bein liegt. Die linke Hand liegt an der Hüfte, die erhobene Rechte hielt früher vermutlich einen Kommandostab, der heute fehlt. Das von zwei Säulen gestützte vorspringende Gebälk trägt sechs Vollwappen mit Beischriften, die auf kleinen Tafeln unterhalb der Wappen angebracht sind. Die Ahnenprobe wird links und rechts auf der Einfassung der Nische mit jeweils fünf Vollwappen mit Beischriften fortgesetzt (W). Im Aufsatz, der von einem Muschelbogen bekrönt wird, befindet sich eine Rollwerktafel mit dem Grabgedicht (B) und dem Bibelzitat (C); Aufsatz und Bogen werden von schildhaltenden Putten flankiert. Die Tafel wird von zwei Halbfiguren eines Mannes und einer Frau flankiert, die aus den Pilastern herauswachsen. Den Sockel bilden drei Säulen, hinter denen sich eine an der Wand angebrachte Rollwerktafel mit der Grabinschrift (A) befindet. Die Buchstaben der Inschriften sind mit goldener Farbe gefaßt.
Maße: H. ca. 600, B. 267, Bu. 5,2 (A), 2–2,5 (W) cm.1)
Schriftart(en): Fraktur (A, W); Kapitalis (B, C).
- A
Anno Domini 1589. den 6. Februarii. / Ist in Gott sehliglich Entschlaffen dena) Gestrenge / Edle vnd Ehrnvest Georg Riedtesell zu Eÿ=/senbach Erbmarschalck Zu Hessen, dessen / sehle Gott der allmechtige eine / Fröliche aüfferstehüng verleÿhen / wolle. amenn.
- B
CONIVGIBVS BINIS CONVIXI, PECTORIS IMISVISCERIBUS SPACIO TEMPORIS EXIGUOALTERA RAUINI GENERIS FUIT : ALTERA CLARIE BONABURGANI SANGUINE CRETA VIRI.ILLA SUI CITIUS ME, CLAUSIT MUNERIS ANNOSHAC CITIUS MORIENS IPSE, QUIETE FRUORDADb) (COMM)UNE SIMUL SIMULAC TRINUNA POTESTASLAETITIAE STAMEN FINE CARENTIS AMEN.
- C
MATH(EI) II. / VENITE AD ME OMNES QUI / LABORATIS ET ONERATI ESTIS, / ET EGO REFOCILLABO VOS.2)
- W
Riedtessell zu Eyssenbach Waldtbott zu Bassenheim Hopffgartten Greiffeklaw Hatzfellt drachenfelss Brandenstein ∙ Eltz Rorenfürtt Gülpen g(e)n(ann)t heideshim. Wangenheim Ratzenhaüssen nesselrott Walldeck. Wangenheim Reiffenbergk.
Übersetzung:
(B) Mit zwei Frauen habe ich zusammengelebt, in innigster Liebe für einen kurzen Zeitraum. Die eine ist aus dem Geschlecht der Rau (von Holzhausen) gewesen, die andere war aus dem Blut eines berühmten Mannes aus dem Geschlecht der Boineburg entsprossen. Jene beschloß schneller als ich die Jahre ihres Dienstes, und schneller als diese starb ich und genieße diese Ruhe. Die dreieinige Gewalt gibt uns gemeinsam zugleich den Lebensfaden der Glückseligkeit, die des Endes entbehrt, Amen.
(C) Matthäus 2: Kommt zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch erquicken.
Versmaß: Vier elegische Distichen (B).
Riedesel zu Eisenbach | Waldbott von Bassenheim3) |
Hopfgarten4) | Greiffenklau zu Vollrads5) |
Hatzfeld6) | Drachenfels7) |
Brandenstein8) | Eltz9) |
Röhrenfurth10) | Gülpen gen. von Heddesheim11) |
Wangenheim12) | Rathsamhausen13) |
Nesselrode14) | Boos von Waldeck15) |
Wangenheim | Reiffenberg16) |
Textkritischer Apparat
- Sic!
- Sic, wohl statt DAT; DET Becker.
Anmerkungen
- Die Buchstabengröße in (B) und (C) konnte aufgrund der Höhe des Denkmals nicht gemessen werden.
- Mt 11,28. Statt REFOCILLABO müßte nach der Vulgata REFICIAM stehen; es handelt sich hier also um eine Rückübersetzung aus Luther nach alttestamentlichem Vokabular (z. B. Ri 15,19).
- Zwölffach rot-silbern geständert; Helmzier: auffliegender Schwan, Flügel mit Schildbild belegt, vgl. Siebmacher 1, Taf. 132; Siebmacher, Nassau 1, 1 mit Taf. 1.
- Zwei schräggekreuzte dreizinkige Streitgabeln; Helmzier: goldener Hut, mit Hahnenfedern besteckt, vgl. Siebmacher 1, Taf. 141; Siebmacher, Sachsen 1, 2 u. 33 mit Taf. 2 u. 36.
- Quadriert von Greiffenklau (silbern-blau geteilt, darüber ein goldenes Glevenrad) und Ippelbrunn (in Schwarz ein silberner Schräglinksbalken; Helmzier: Greiffenklaue mit Gefieder vgl. Siebmacher 1, Taf. 123; Siebmacher, Nassau 1, 6 f. mit Taf. 7, hier gewendet.
- Quadriert von Hatzfeld (in Gold schwarze Doppelhafte) und Wildenburg (in Silber drei rote 2:1 gestellte Mispelblüten); Helmzier: offener Flug mit Schildbild Hatzfeld, dazwischen Rumpf mit Hut – Mispelblüten tragend von den Wildenburg, vgl. Siebmacher 1, Taf. 130; Siebmacher, Nassau 1, 2 mit Taf. 2.
- In Rot ein silberner Drache nach links; Helmzier: Drache in offenem Flug, vgl. Siebmacher 2, Taf. 105; Siebmacher, Bayern 31 f. mit Taf. 28, hier gewendet.
- In Blau(?) ein silberner (?) raubender Fuchs nach links, trägt eine schreiende Ente im Maul, vgl. Siebmacher 5, Taf. 138; andere Farben im Brechtelschen Wappenbuch und auf der Homepage der Familie, so auch Siebmacher, Bayern 70 mit Taf. 77: in Gold ein natürlicher Fuchs; Helmzier: Schildbild.
- Rot-silbern geteilt, oben ein goldener Löwe wachsend; Helmzier: in offenem Flug wachsender Löwe, vgl. Siebmacher 1, Taf. 123; Siebmacher, Nassau 1, 2 mit Taf. 1.
- Drei Rauten balkenweise; Helmzier: offener Flug mit Schildbild.
- Im Bord ein Schild mit geschachtem, hier gerautetem Schrägbalken; Helmzier: Kugel mit Federbusch, vgl. Zobel, Wappen, Taf. 123.
- Gespalten, vorn silbern mit einem roten aufspringenden Windhund mit goldenem Halsband, hinten in Gold sechs schwarze Balken oder Fäden; Helmzier: Hut mit offenem Flug, vgl. Siebmacher 1, Taf. 127; Siebmacher, Hessen 29 mit Taf. 33; Siebmacher, Bayern 62 mit Taf. 66, hier gewendet. Die Position im Stammbaum wurde nicht geprüft.
- In Rot ein silbernes Schildchen, mit einem grünen Balken belegt; Helmzier: silberner Brackenrumpf mit goldenem Halsband, vgl. Siebmacher 1, Taf. 192; Siebmacher, Elsaß 17 mit Taf. 21.
- In Rot silberner Wechselzinnenbalken; Helmzier: Brackenrumpf mit Schildbild belegt, Zinnen nicht wechselnd bei Siebmacher 1, Taf. 125; Zobel, Wappen, Taf. 241; Siebmacher, Bayern 48 mit Taf. 49.
- In Rot drei schrägrechts aneinandergereihte silberne Rincken; Helmzier: geschlossener Flug mit rundem Schirmbrett und Schildbild, vgl. Siebmacher 1, Taf. 125; Zobel, Wappen, Taf. 40; Siebmacher, Bayern 7 mit Taf. 2. Die Einordnung im Stammbaum bisher nicht bestätigt.
- In Rot drei silberne Schrägbalken oder sechsmal rot-silbern schräggeteilt; Helmzier: auf einem Polster zwei Eselsohren, darüber ein Turnierkragen, vgl. Siebmacher 5, Taf. 131; Zobel, Wappen, Taf. 268; Siebmacher, Nassau 2, 9f. mit Taf. 12.
- Humbracht, Stammtafeln, Taf. 117; Biedermann, Geschlechtsreg. Rhön und Werra Taf. CXXXII; Buttlar-Elberberg, Stammbuch, Riedesel von Eisenbach Taf. II, der Katharina Rau von Holzhausen mit Anna Rau von Holzhausen verwechselt. Zur Karriere vgl. auch Gundlach, Zentralbehörden III 209.
- Buttlar-Elberberg, Stammbuch, Boineburg Taf. VI; Becker 205.
- Kramm, Andreas Herber 29; vgl. Dehio, Hessen 216; Dehio, Hessen I (2008) 215.
Nachweise
- Becker, Riedesel 207.
Addenda & Corrigenda (Stand: 17. Oktober 2022):
Hinweis zu den Wappen: Die Ahnenprobe findet sich exakt übereinstimmend auf dem Epitaph der Eltern in der ev. Kirche zu Lauterbach (Vogelsbergkreis), vgl. „Volpert I. Riedesel, gest. 1563, und seine Frau Apollonia geb. Waldbott von Bassenheim, gest. nach 1571, Lauterbach“, in: Grabdenkmäler https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/1745 (Stand: 17.12.2009).
Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 217 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0021707.
Kommentar
Georg war ein Sohn des Volpert Riedesel zu Eisenbach und der Apollonia Waldbott von Bassenheim. Er war studierter (Marburg und Padua) Rat und später Erbmarschall der Landgrafen von Hessen. Georg heiratete zunächst Katharina Rau von Holzhausen (Nr. 191) und nach ihrem Tod Margaretha,17) eine Tochter Walrabs I. von Boineburg und Judiths von Hundelshausen.18)
Das Denkmal wird von Kramm aus formalen Gründen Andreas Herber zugeschrieben.19) Das wäre an der weit entwickelten und zierhaften Fraktur, aber auch an Besonderheiten der Kapitalis zu prüfen, von denen die nach unten stark verbreiterten Schrägschäfte des A, die stark geschwungene und lange Cauda des Q und die zumeist (aber unregelmäßig) stark gekrümmten und unter die Grundlinie geführten Cauden des R und die Verwendung des U (hier gebildet aus zwei unten umgebogenen Schäften) gehören.