Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 324 Oberellenbach (Alheim), Evangelische Kirche 1606? oder 1. V. 17. Jh.

Beschreibung

Grabstein des Kindes Jakob Scheid und ggf. weiterer Geschwister. Das Denkmal aus rotem Sandstein steht heute außen an die Ostwand des Chors gelehnt im Gras. Von dem kleinen ädikulaartigen Mal ist nur der obere Teil der flachen Nische erhalten geblieben; sie ist so flach, daß die Pilaster wie aufgelegte Leisten wirken. Sie gehen flach in ein Gebälk für den dreieckigen Giebel über, dessen Feld vom geflügelten Kopf eines schlafenden Puttos eingenommen wird. In dem Schriftfeld stehen heute noch fünf Zeilen einer Grabinschrift, die nicht viel länger gewesen sein muß, möglicherweise aber zusätzlich von einem Leichtext begleitet war. Trotz der Härte des körnigen Sandsteins sind die Kanten der Schrift verwischt; daher kann man die präzise Form der Worttrenner, Punkte auf der Zeilenmitte, nicht bestimmen.

Maße: H. (Fragm.) 40, B. 47, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Rüdiger Fuchs) [1/1]

  1. ANNO ∙ 1604 ∙ DEN / 27 ∙ SEPTTEMBRISa) / WARDT ∙ IACOB ∙ SCHEID / IVNIOR ∙ GEBOREN / ANNO ∙ 1606 ∙ DEN ∙ 7 / [– – –]

Kommentar

Obwohl in etwa gleich breit, gehört das Grabsteinfragment nicht zu benachbarten Steinen, die aus demselben Material bestehen; das erweisen unterschiedliche Maße des Schriftfeldes (26 cm gegen 34–37 cm) und Unterschiede der Schriftformen und Buchstabengrößen. Hier sind die Buchstaben breiter proportioniert, somit die Breiten der E-Balken besser abgestuft. Die Cauden des R sind geschwungen vom Bogen herabgeführt und gehen nicht gerade von verschiedenen Ansatzpunkten am Schaft in wechselnden Winkeln ab.

Es handelt sich offenbar um den Kindergrabstein eines Jakob Scheid, der 1604 geboren wurde; die nachfolgende Information bezieht sich entweder auf seinen Todestag 1606 oder nachgeborene Geschwister, denen zusammen kurz darauf dieser Stein gesetzt wurde. Dazu stimmen die geringe Größe und bescheidene Ausstattung sowie der Putto im Giebel. Das Attribut IVNIOR setzt voraus, daß der gleichnamige Vater noch lebte. Dabei könnte es sich um den Förster Jakob Scheid(t) gehandelt haben, der 1590 mit der Stadt Rotenburg wegen der schlechten Behandlung von Viehhirten im Streit lag.1) Gegen Überlegungen, nach den beiden Daten kämen noch mehr Informationen, die eine viel spätere Datierung begründen könnten,2) sprechen Format und Schriftformen.3) Ein Puttokopf kommt 1601 in Ronshausen vor, ein weiterer im Dreiecksgiebel findet sich 1597 in Alten-Buseck (Lkr. Gießen), 1598 in Kassel, 1610 in Bad Wildungen (Lkr. Waldeck-Frankenberg)4) und 1584 und 1610 in Willingshausen (Schwalm-Eder-Kreis)5) und vor 1632(?) in Niederaula (Nr. 337).

Der Name Scheid(t) kommt in den Sterbelisten des Kirchenbuchs von Oberellenbach, das im Jahr 1659 beginnt, nicht vor. Anscheinend verschwand der Name durch die Bevölkerungsverluste des Dreißigjährigen Krieges.

Textkritischer Apparat

  1. Sic.

Anmerkungen

  1. Vgl. HStA Marburg, Best. 17e, Nr. Rotenburg 75.
  2. Nach der Mitte des 17. Jahrhunderts setzt in Hersfeld eine Mode ein, der zufolge Grabplattenformulare mit Anno Domini und Geburtsdatum(!) beginnen, was bei verstümmelten Stücken zu Fehlplazierungen nach Gewohnheit des alten Anno Domini-Formulars führen kann.
  3. Vgl. zum Typus Einleitung Kap. 4.1.
  4. Erhoben mit Hilfe von LAGIS (Landesgeschichtliches Informationsystem) beim Hessischen Landesamt für Geschichtliche Landeskunde.
  5. Vgl. Azzola, Zwei frühe Monumente.

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 324 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0032405.