Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 124 Oberthalhausen (Ludwigsau), Evangelische Kirche 1519 o. 1579?

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Datum auf dem zylindrischen Altarfuß, der aus rotem Sandstein gefertigt ist und ursprünglich als Fuß für einen Taufstein diente. Die Inschrift befindet sich direkt unterhalb der Mensa. Die Buchstaben und Ziffern sind mit roter Farbe nachgezogen.

Maße: Bu. 3–5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Minuskel.

© ADW Göttingen (Sabine Wehking) [1/5]

  1. ANNO OMNOa) 15[1]9b)

Kommentar

Das gedrungene trapezförmige A mit konkav nach innen gebogenen und unten verkümmerten Schäften trägt einen breiten geschwungenen Deckbalken, das M ist einem Minuskel-m mit unten zusammentreffenden geraden und schrägen Schäften nachempfunden, das N ist in derselben Bildungsweise retrograd und das O jeweils spitzoval. Diese Einzelformen entsprechen nicht dem Kapitalisstandard irgendeiner Zeit; es sind auch nicht nur Einflüsse der Frühhumanistischen Kapitalis dafür verantwortlich.

Eine eigenwillige Formgebung der Ziffern, die auffälligerweise mit exakteren Kerben gehauen sind als die Buchstaben davor, wird man gleichfalls nicht zwingend als Element der Modernität ansehen dürfen: Die ersten drei Ziffern sind unten mit einer sich nach rechts drehenden Schlinge versehen. Das ist für die 1 und die 5, hier rechtsgewendet und ohne Schaft, durchaus denkbar,1) nicht hingegen für die angebliche 2, da ein Balken nicht einfach durch diese Schlinge ersetzt werden kann, die länger ausgezogen erst viel später erscheint. Es scheint sich bei der dritten Ziffer um eine Variante der 1 zu handeln, wie sie in ähnlicher Weise, aber gegen eine Deutung als 7 analysiert, in Trier 1551 vorkommt.2) Dem frühen Ansatz entsprechen tendenziell der kurze Balken dieser dritten 1 und der fehlende Schaft bei der 5, auch die quasi experimentelle Gestaltung der Buchstaben, die so 1579, das wäre die alternative Lesung, kaum mehr denkbar sind. Im Gegenteil zeigen einige Jahreszahlen der weiteren Umgebung, nämlich die 1487 und die 1516 auf dem Herzberg (Nrr. 84/I, II), variable Ziffern 1 und Balkenansätze oben am Schaft der 1. Dennoch sind die drei Schlingen am unteren Ende der ersten drei Ziffern, die so in großem Kontrast zum stumpfen unteren Abschluß der letzten Ziffer stehen, eigentlich eine jüngere Erscheinung und in dieser Art der Region eher fremd, so daß man die Lesung der 1579, wiewohl gleichsam mit Konzessionen behaftet, nicht ganz ausschließen mag.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! Die O sind zu groß, um sie als Trenner um die Initialen M N zu deuten.
  2. Bisher immer als 1529 gelesen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Topitz, Ziffer-Jahreszahlen 146–148.
  2. Vgl. DI 71/1 (Trier II) Nr. 460.

Nachweise

  1. Kemp, Kulturdenkmäler II 546 (erw.).
  2. Dehio, Hessen I (2008) 731 (Jz.).
Addenda & Corrigenda (Stand: 19. Juli 2022):

Hinweis zum Kommentar: Mittlerweile wertet der Bearbeiter R. Fuchs die Schlingen an den unteren Ziffernenden als stärkeres Indiz für die Spätdatierung zu 1579, weil sie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts extrem selten sind und der Balken der Ziffer 7 schon seit den 1550er Jahren gelegentlich kurz ist und mehrfach waagerecht liegt, vgl. Nrr. 148, 149/1, 167, 178, 247/A.

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 124 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0012401.