Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)
Nr. 13 Bad Hersfeld, Stiftskirche/Stiftsruine 10. Jh.
Beschreibung
Memorienstein des Priesters Hartwin. Der Quader aus rotem Sandstein ist in Zweitverwendung in der Nordwand des Langchors außen im dritten Entlastungsbogen von Osten vermauert. Sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite des Steins sind Stücke abgebrochen, so daß der in zwei Zeilen angeordnete Text unvollständig ist. Als Worttrenner dienen Dreiecke.
Maße: H. 20, B. 31, Bu. 4 cm.
Schriftart(en): Kapitalis, nachkarolingische.
XIII K(A)L(ENDAS) ∙ SEP(TEMBRIS) ∙ OBI[IT] / [H]ARTVVINa) ∙ S(A)C[(ERD)O(S)]
Übersetzung:
Am 13. Tag vor den Kalenden des September (20. August) starb [H]artwin, Priester.
Textkritischer Apparat
- Die Ergänzung des Namens nach der Abbildung bei Bramm.
Anmerkungen
- Zur Entwicklung der karolingischen Inschriften vgl. DI 38 (Bergstraße) S. XXXIX–XLI u. Nrr. 1, 2, 3, 4 u. 5; Scholz, Karolingische Buchstaben 103–123; Scholz, Karolingische Inschrift 142–153.
- Bramm 63; zu dem Evangeliar vgl. Karl der Große Nr. 439, Abb. 67. Außerdem verwies Bramm 64 für die Frühdatierung wiederum auf Schenkungsurkunden für die Klöster Fulda und Hersfeld aus dem Ende des 8. und dem Anfang des 9. Jahrhunderts, in denen ein Hartuuin als Zeuge erscheint, den Bramm mit dem in der Inschrift genannten Priester gleichsetzt, vgl. Urkundenbuch Fulda 280, Nr. 185; 288, Nr. 190; 404, Nr. 278; Urkundenbuch Hersfeld 49, Nr. 28. Da der Name wie schon im Falle Egilhelms (Nr. 4) ohne nähere Kennzeichnung mitten in den Zeugenlisten steht, gelten auch hier die dort angeführten Einwände.
- Vgl. etwa Würzburg, Universitätsbibliothek, M.p.th.f. 69 (Würzburg, Ende 8. Jh.) und Oxford, Bodleian Library, Laud. lat. 108 (Würzburg, Anfang 9. Jh.) bei Weiner, Initialornamentik 188 f. mit Taf. 63 f. und 156 f. mit Taf. 115 und 117.
- Zur besonderen Bedeutung der Kapitalis innerhalb der Hierarchie der Buchstabenformen vgl. McKitterick, Text and Image 301–304.
- DI 70 (Trier I) Nr. 22 mit Abb. 20 und Nr. 23 mit Abb. 21.
- Vgl. etwa Kloos, Einführung 116; DI 70 (Trier I) Nr. 4 mit Abb. 5; Nr. 7 mit Abb. 8; Nr. 10 mit Abb. 9; Nr. 11 mit Abb. 9; Nr. 12 mit Abb. 11; Nr. 16 mit Abb. 14.
- Deschamps, Études sur la paléographie 65 ff., der vor allem Beispiele aus Südwestfrankreich anführt; Nisters-Weisbecker, Grabsteine Nrr. 109, 114, 120; Kloos, Einführung 124; DI 31 (Aachen Dom) Nr. 17 mit Abb. 9; DI 50 (Bonn) Nr. 4 mit Abb. 3, Nr. 7 mit Abb. 8, Nr. 11 mit Abb. 11–13.
- Vgl. dazu ausführlich bei Nr. 4.
Nachweise
- Bramm, HARTVVIN 14 mit Abb.
- May, Hersfelder Inschriften 24 (Abb.).
- Bramm, Inschriftenstein 63.
- Scholz, Bedeutung und Möglichkeiten 542 m. Abb. 4.
Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 13 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0001307.
Kommentar
Das A trägt eine Art Dreieckssporn an der Spitze, der sich aus einem Problem bei der Winkelbildung ergibt. Der Mittelbalken ist gebrochen. Der Schrägschaft des N ist eingezogen, das fast kreisrunde O zeigt noch Ansätze von Schattenachsen, und die Bögen von P und R sind geschlossen. Das R trägt eine leicht gebogene Cauda, und das S wurde als retrogrades Z gebildet. Die Form des A, das N mit eingezogenem Schrägschaft sowie das umgekehrt Z-förmige S lassen sich im 9. Jahrhundert nicht nachweisen.1) Bramm datierte den Stein noch ins Ende des 8. Jahrhunderts und verwies dabei besonders auf das umgekehrt Z-förmige S und dessen Verwendung in Handschriften des 8. Jahrhunderts wie dem um 780 geschriebenen Evangeliar aus Flavigny.2) Dieser Hinweis führt jedoch in die Irre, da das Evangeliar von Flavigny ebenso wie viele andere Handschriften dieser Zeit3) eine von insularen Schreibgewohnheiten beeinflußte Mischmajuskel aufweist, die nicht mit der Kapitalis der Hersfelder Inschriften vergleichbar ist, da es sich hier um zwei verschiedene Schriftebenen handelt.4) In den vor dem 9. Jahrhundert entstandenen Inschriften läßt sich das umgekehrt Z-förmige S in Deutschland nur sehr selten belegen, so etwa in zwei Trierer Inschriften aus dem 8. Jahrhundert, deren Buchstabenformen im Übrigen aber nicht mit denen der Hersfelder Inschrift vergleichbar sind.5) Die übrigen Formen wie A mit einer leichten Ausziehung der Spitze nach oben und gebrochenem Mittelbalken, N mit eingezogenem Schrägschaft und R mit gebogener Cauda lassen sich zwar durchaus in frühchristlichen und vorkarolingischen Inschriften belegen, doch zeigen die entsprechenden Inschriften insgesamt einen Schriftduktus, der sich deutlich von dem der Hersfelder Inschriften unterscheidet.6) Zudem sind die zuvor genannten Buchstabenformen einschließlich des umgekehrt Z-förmigen S auch noch in Inschriften des 10. und 11. Jahrhunderts vorhanden.7) Allein anhand der Paläographie läßt sich die Datierungsfrage kaum entscheiden. Betrachtet man jedoch zusätzlich die regelmäßige Verwendung von Worttrennern und das Formular, so weisen alle Faktoren auf eine Entstehung im 10. Jahrhundert hin.8)