Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 23 Duderstadt, kath. Kirche St. Cyriakus um 1394, 1490, um 1490

Beschreibung

Leisten zwischen den Gewölberippen und Schlußsteine. Im Chor der Kirche St. Cyriakus, der laut Bauinschrift (Nr. 22) etwa 100 Jahre vor der Einwölbung der Kirchenschiffe fertiggestellt wurde, sind eine Reihe von Schlußsteinen mit figürlichen Darstellungen und Wappen angebracht, die aus der Zeit um 1394 stammen und sich stilistisch deutlich von den Schlußsteinen der Kirchenschiffe abheben. Die figürlichen Darstellungen der Schlußsteine im Chor sind sehr viel feingliedriger als die der übrigen 100 Jahre jüngeren Schlußsteine. Im Osten des Hauptchors sind um eine Darstellung der Strahlenkranzmadonna herum die jeweils mit Tituli auf Schriftbändern (A) versehenen Evangelistensymbole angeordnet sowie eine Darstellung der Mantelteilung durch den heiligen Martin und nach Westen hin ausgerichtet ein Schlußstein mit der Darstellung des heiligen Cyriakus. In gleicher Linie folgen in den beiden nächsten Jochen nach Westen Schlußsteine mit der Darstellung der Heiligen Servatius und Laurentius. In den drei Jochen des Nordchors von Osten nach Westen ein Christuskopf, ein Wappenschild und eine Rosette, im westlichen Joch des Südchors ein weiterer Wappenschild.

Im Gewölbe zwischen dem ersten und zweiten Pfeiler des nördlichen Seitenschiffs auf den zu einem Quadrat angeordneten Leisten zwischen den Gewölberippen, die einen Schlußstein in Form eines Vollwappens umschließen, die Inschrift B. Am Ende der ersten Rippe und am Beginn der nächsten einander zugewandt ein Männer- und ein Frauenkopf, die sich auf der gegenüberliegenden Seite wiederholen, an den beiden anderen Ecken des Quadrates Pflanzenornament vor bzw. hinter der Inschrift.

Die Gewölbe der Kirchenschiffe weisen eine große Zahl von mit Halb- oder Ganzfiguren geschmückten Schlußsteinen aus der Bauzeit um 1490 auf, von denen ein Viertel mit Tituli – zumeist auf Schriftbändern – bezeichnet ist.1) Die südliche Reihe der Schlußsteine im Mittelschiff zeigt von Osten nach Westen: Laurentius mit Rost; Christus als Schmerzensmann; Paulus? mit Schwert und Buch; Maria Magdalena mit Salbgefäß; Johannes Evangelista mit Kelch und Schlange; Petrus mit Schlüssel und Buch; Thomas mit Buch und Winkelmaß; der Erzengel Gabriel; Gero als Abt in Ordenstracht mit Krummstab, Buch und dem Titulus C; bartloser Bischof mit Buch und Krummstab; Katharina mit Krone und Rad; Barbara mit Kelch und Krone; Margaretha mit Stabkreuz und Drachen; bärtiger Bischof mit Buch; heute irrtümlich mit falsch restauriertem Titulus D als Barbara bezeichnete Dorothea mit Blütenkranz und Blumen in der Hand2); Lucia mit Buch, Kreuzstab und Titulus E; Valentin in Priesterkleidung mit Kelch, Kind und dem Titulus F; weitgehend durch die Orgelaufbauten verdeckt Ottilia mit Krone und dem Titulus G.

In der mittleren Reihe im Mittelschiff von Osten nach Westen: Judaskuß; Kreuztragung; Auferstehung; Pieta; Andreas mit Andreaskreuz und Titulus H; Bartholomäus mit Messer und Titulus I; Simon und Judas Thaddäus mit Tituli J; Gregor der Große mit Tiara, Kreuzstab, Buch und dem Titulus K; Franziskus mit den Wundmalen; Sebastian mit Titulus L; Fabian mit Tiara, Kreuzstab und Titulus M; Georg als Drachentöter; Severus als Bischof mit Wollbogen, Buch und Titulus N; Nikolaus als Bischof mit Krummstab, drei goldenen Kugeln und Titulus O; Antonius mit T-Stab und Titulus P; Christophorus mit dem Christuskind.

In der nördlichen Reihe von Osten nach Westen: Christus an der Geißelsäule; Johannesschüssel; Märtyrer mit Palme und Buch; Halbfigur einer Frau mit großem leeren Schriftband; Johannes Baptista mit Agnus Dei; Servatius als Bischof mit Krummstab und Schlüssel; Jacobus minor mit Wollbogen und Buch; bärtiger Heiliger mit Lanze; Matthäus mit Beil und Buch; Augustinus als Bischof mit Krummstab und durchbohrtem Herzen; bartloser Mann mit Hut und Buch; Dionysius mit abgeschlagenem Kopf in Händen; Abt mit Krummstab (Benedikt?); gekrönte Märtyrerin mit Palme; Livinus als Bischof mit Krummstab, Zange mit ausgerissener Zunge und heute nicht mehr sinnvoll lesbarem Titulus Q; Kolumba von Sens mit Bär; Mauritius mit Fahne und Titulus R; Wolfgang als Bischof mit Kirchenmodell, Axt und Titulus S.

Die Darstellungen im südlichen Seitenschiff von Osten nach Westen: Mantelteilung durch den heiligen Martin; Heiliger mit Lanze und Buch; Bernhard von Clairvaux als Abt zwischen zwei Kreuzen; Erasmus als Bischof in einem Kessel; der Erzengel Michael als Drachentöter; Bischof mit Krummstab.

Die Darstellungen im nördlichen Seitenschiff von Osten nach Westen: Papst mit Kreuzstab und Buch; Wappen mit Inschrift B (s. o.); Heinrich II. mit Krone und Reichsapfel; Papst Urban I. mit Tiara, Krummstab und Weinrebe; Maria mit Christuskind; Jacobus maior mit Buch und Pilgerstab.

Alle Inschriften sind erhaben gehauen und farbig gefaßt.

Maße: Bu.: ca. 5 cm (A), ca. 12 cm (B), ca. 7–10 cm (C–S).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Sabine Wehking [1/4]

  1. A

    s(anctvs) lvcas // s(anctvs) mathevs // s(anctvs) marcvs // s(anctvs) johanes

  2. B

    anno d(omi)ni m cccc xc / condidit in vitaa) / heinric(vs) helmolt . de gotti(ngen) / hoc fecit . ita

  3. C

    gero

  4. D

    s(ancta) Barbarab)

  5. E

    sancta lvcia ·

  6. F

    s(anctvs) vale(ntinvs)

  7. G

    s(an)c(t)a // ottliac)

  8. H

    andre(as)

  9. I

    bartol(omaevs)

  10. J

    simo(n) // ivd[as]d)

  11. K

    gregori//vs

  12. L

    bestia(n)

  13. M

    s(anc)t(vs) fabian(vs)

  14. N

    s(anctvs) severv(s)

  15. O

    s(anctvs) nycola(vs)

  16. P

    s(anctvs) anto(n)i(vs)

  17. Q

    [livinvs]e)

  18. R

    mori(tivs)

  19. S

    wolf//ga(ng)f)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1490 stiftete Heinrich Helmolt aus Göttingen zu Lebzeiten (das Gewölbe), dieser hat (es) so ausgeführt. (B)

Versmaß: Reimvers (B), der zweite Vers in Form eines Hexameters.

Wappen:
Nigerode3)?4)
Helmolt5)

Kommentar

Der Sinn der Inschrift B ist nicht ganz eindeutig, was sich schon daraus entnehmen läßt, daß Heinrich Helmolt in der Literatur bisher lediglich als Baumeister angesehen wurde.6) Dagegen spricht jedoch die Ausführung der Inschrift, die einen großen Wappenschild umgibt, ebenso wie der Text. Mit einiger Sicherheit läßt sich annehmen, daß es sich bei Heinrich Helmolt um den Stifter des Gewölbes handelte, der daher sein Wappen an zentraler Stelle anbrachte. Die Familie Helmolt ist in Duderstadt seit dem Einsetzen der Annalen Ende des 14. Jahrhunderts mit vielen Mitgliedern nachzuweisen, ein Teil der Familie wurde in der Stadt Göttingen ansässig. Ihre Angehörigen waren vorwiegend Kaufleute.7) Gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts lassen sich in Göttingen verschiedene Familienmitglieder mit dem Vornamen Heinrich nachweisen.8) Aus den Quellen geht jedoch nicht hervor, daß einer von ihnen Baumeister war. Denkbar wäre daher eine Interpretation von hoc fecit im Sinn von ‚ließ dieses errichten’. Auch die beiden anderen Wappen auf den älteren Schlußsteinen des Chors dürften für Stifter stehen, die den Kirchenbau förderten. Einer von ihnen stammte dem Wappen nach aus der in den einschlägigen Duderstädter Schoßlisten verschiedentlich genannten Familie Nigerode.9)

Textkritischer Apparat

  1. Zwischen in und vita endet das leicht vertiefte Inschriftenfeld mit einer Randleiste und setzt auf einem anderen Stein mit einer weiteren Randleiste neu an.
  2. Barbara] Vermutlich ehemals dorodea, falsch restauriert.
  3. ottlia] Eventuell falsch restauriert und ursprünglich otilia.
  4. ivd[as]] Farbig gefaßt ist nach dem d nur eine Haste, es ist aber deutlich zu erkennen, daß weitere Buchstabenbestandteile bei der Fassung unberücksichtigt blieben.
  5. Die Inschrift ist völlig entstellt.
  6. Nach dem a das Kirchenmodell, das der Heilige in Händen hält.

Anmerkungen

  1. Die im folgenden aufgeführten Reihen folgen der Numerierung von Erich Steffen, Die Schlußsteine der St.-Cyriakus-Kirche zu Duderstadt (Sonderdruck aus: Die Goldene Mark 1988, Heft 1–4), Plan S. 35/36. Die Identifizierung der Heiligen bei Steffen ist in einigen Fällen nicht mit deren Attributen in Einklang zu bringen, daher weichen die Identifizierungen hier von Steffen ab.
  2. Blütenkranz und Blumen sind keine für Barbara belegten Attribute.
  3. Wappen Nigerode (drei Äste mit Blättern, 2:1). Vgl. Meyermann, Hausmarken, S. 61 u. Tafel 16, Nr. 371, dort: von Ästen herabhängende Blätter.
  4. Wappen ? (drei Rüben, 2:1).
  5. Wappen Helmolt (Schrägbalken mit Wellen darauf). Vgl. Meyermann, Hausmarken, S. 43 und Tafel 11, Nr. 243ff.
  6. Jaeger, St. Cyriakus, S. 13. Jaeger, Alt-Duderstadt, S. 63f. Engelhard, Cyriacuskirche, S. 14.
  7. Der älteste Nachweis in den Annalen stammt aus dem Jahr 1396/7 und bezieht sich auf den Weber Hans Helmolt, der im Sackviertel ansässig war (StA Duderstadt, AB 3, fol. 2r). Zu der Familie allgemein: Ritter, Ratsherren, S. 117.
  8. Heinrich Helmolt, Ratsherr in Göttingen 1451–1492, seit 1489 Bürgermeister (UB Göttingen 2, S. 437–441); Heinrich Helmolt, Ratsherr in Göttingen 1513–1530 (Urkunden Göttingen, S. 400–405); Heinrich Helmolt, Ratsherr in Göttingen 1528–1541 (Ritter, Ratsverfassung, S. 8).
  9. StA Duderstadt, AB 1ff.

Nachweise

  1. UB Duderstadt, Nr. 492, S. 306 (A).
  2. Engelhard, Cyriacuskirche, S. 30 (A).

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 23 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0002304.