Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 298 Gimte, ev.-luth. Kirche St. Marien 1612

Beschreibung

Kanzel. Holz, farbig gefaßt, mit Gemälden. Vierseitige Kanzel mit oben weit vorspringendem Rand, darunter eine Zahnschnittleiste. Auf den vier Seiten der Wandung zwei vertiefte Felder übereinander. Nach Lotze1) handelt es sich bei den in die Felder eingebauten Täfelchen um Teile einer großen Gedenktafel, die 1839 in Stücke gesägt und als rückwärtige Verkleidung der Orgel verwendet wurde. Dieser Zustand, in dem Lotze die Inschriften verzeichnete, hatte noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg Gültigkeit, dann wurden die Tafeln bei einer Überholung der Orgel abmontiert.2) Seit 1961 sind die Tafelteile in die Bogenfelder der zwei Reihen von Blendarkaden eingelassen, die in den insgesamt acht Feldern der Kanzel angebracht sind. Lotze geht davon aus, daß ein Teil der ursprünglichen Tafel und damit auch ein Teil der auf ihr angebrachten Inschriften und Wappen zu seiner Zeit bereits verloren war. Das Grundgerüst der Kanzel stammt der Inschrift A zufolge, die auf der mittleren Rahmenleiste dreiseitig umläuft, wie die Gedenktafel aus dem Jahr 1612. Der Umstand, daß Lotze die zu seiner Zeit bereits unvollständige Inschrift A als Bestandteil der ehemaligen Tafel zitiert, deutet darauf hin, daß die Kanzelwandung aus Tafelbestandteilen zusammengesetzt wurde. Heute von links nach rechts: auf der 1. Seite der Wandung oben Tafel mit Inschrift B, unten Tafel mit Inschrift C; auf der 2. Seite oben Tafel mit Wappenschild, darüber die Inschrift D, auf der 2. Seite unten Tafel mit Inschrift E; auf der 3. Seite oben Tafel mit Wappenschild, darüber ein Engel, der eine Tafel mit der Inschrift F darauf hält, auf der 3. Seite unten Tafel mit Inschrift G; auf der 4. Seite oben Tafel mit Inschrift H, unten Tafel mit Inschrift I. Alle Inschriften sind in heller Farbe auf dunklem Grund gemalt. Die Fraktur-u teilweise mit diakritischen Häkchen. Die Namensinitialen sind nur teilweise aufzulösen.

Lotze überliefert die Inschriften A, C, F, G und H in normalisierter Form mit dem Vermerk, daß noch weitere „Sprüche mit Unterschriften“ folgten, sowie eine weitere Inschrift (J), die sich nicht an der Kanzel befindet.

Inschrift J nach Lotze.

Maße: H.: 113 cm; Bu.: 3,3 cm (A), 1–1,7 cm (Fraktur B–I), 3,5–4 cm (Frakturversalien B, C, E–I).

Schriftart(en): Kapitalis (A), Fraktur mit Frakturversalien (B–I).

Sabine Wehking [1/7]

  1. A

    DOROTHEA STOFREGEN DOMINA HOC SÜCa) ANNO . 1 . 6 . 1 . 2 .

  2. B

    1. Pet: 5. / Den got wider stehet / den hoffertigen, aber den demotigen gibt ehr / genade, 3) / G(ertrud) . W(rede) . V(izedomina) . Z(u) . H(ilwartshausen) .

  3. C

    Des minschen hertze / auff Rosen gehet / Wens mitten vnter / dem chreutze stehet, 4)/ A(nna) . G(erken) . S(chefferin) . Z(u) . H(ilwartshausen) .b)

  4. D

    Conuent wapen zu / hilwardeshaußen. / Anno . / 16 . 12 . den 24 . may .

  5. E

    Job am 5. / Salich ist der minsche den / gott strafferc) darvmb / weiger dich nicht der zuchtnug des almechtigen, 5) / L . W . E . Z(u) . H(ilwartshausen) .

  6. F

    [Go]ttes gnad weret ewich/leich. 6)

  7. G

    Ich weis nicht / bessers in himmel vnd / auff erden, den das wir / durch (Christum)d) Christum / selich werden, / B . J . A . M . R . R . / R . T.e) H . H . V . H .f) / D . A . A . J . A . K . / D(orothea) . S(toffregen) . D(omina) . Z(u) . H(ilwartshausen) . / . 1 . 6 . 1 . 2 .

  8. H

    lebe ich O mein / Here Jesus Christig), so leb / jch duh) mein heilantt bist, / sterbe ich mein gott so / sterbe ich dir ab/scheden bringet kein schade(n) / mir. / A . S .i) Z . V . Z(u) . H(ilwartshausen) .

  9. I

    Das zarte leibeste / Kindelein / Jesus der suse Name sein, / sol jn den lesten zugen / dein, Dein trost vnd aqua vitae / sein, / M . H . L . Z(u) . H(ilwartshausen) .

  10. J†

    Math. 11. Kommet her zu mir Alle die ihr mühselig und beladen seit ich will Euch erquicken 7) B. Conventualin zu Hilwartshausenj)

Wappen:
Kloster Hilwartshausen8)Stoffregen9)

Kommentar

Die Domina Dorothea Stoffregen trat nach dem Tod der Anna Kupers (vgl. Nr. 227) im Jahr 1596 deren Nachfolge an. Zuvor hatte sie das Amt der Vizedomina inne, in dem sie 1591/2 bezeugt ist.10) Die in Inschrift B genannte Vizedomina Gertrud Wrede ist ebenfalls schon 1591/2 als Konventsmitglied erwähnt und übte damals das Amt der Schefferin aus.11) Der Konvent bestand 1591/2 aus sieben Frauen, von denen eine noch nicht eingekleidet war. Da kaum anzunehmen ist, daß sich der Konvent bis zum Jahr 1612 nennenswert vergrößert hatte, dürfte es sich bei den nicht aufzulösenden Namensinitialen ohne den Zusatz Z(u) H(ilwartshausen) zum Teil auch um andere Personen handeln, die mit dem Kloster Hilwartshausen in Verbindung standen. Die heute als Kanzelverkleidung umfunktionierte Tafel gehörte zu der neuen Ausstattung der 1612 umgebauten Kirche in Gimte, die dem Kloster Hilwartshausen unterstand. Im Jahr 1610 hatte das Kloster Hilwartshausen mit den beiden Dörfern Gimte und Volkmarshausen eine Vereinbarung getroffen, wonach das Kloster den beiden Ortschaften die Kirche St. Marien zum Gottesdienst überließ im Tausch gegen die Kirche St. Peter auf der anderen Weserseite, die bisher als Pfarrkirche und Begräbnisort der beiden Dörfer gedient hatte.12) Die Domina Dorothea Stoffregen führte den Umbau der Gimter Kirche zusammen mit Matthias Schieffen aus, an dessen Verdienste um den Kirchenbau das Epitaph Nr. 297 erinnert.

Textkritischer Apparat

  1. SÜC ergibt so keinen Sinn. Ob hier ein größerer Teil der Inschrift durch eine neue Zusammensetzung der alten Tafelteile ausgefallen ist, läßt sich nicht beurteilen. Lotze gibt die Inschrift als Bestandteil der ehemaligen Tafel nur bis HOC wieder und markiert danach ausgefallenen Text. Die bei Lotze folgende Tagesangabe entspricht Inschrift D.
  2. Es ist nur der obere Teil der vier ersten Buchstaben erhalten. Die Auflösung der Namensinitialen mit Hilfe des Verzeichnisses der Konventsmitglieder von 1591/2 (HSTA Hannover, Cal. Br. 7, Nr. 787) ist hier nicht ganz sicher, weil nicht zu klären ist, inwieweit sich die Zusammensetzung des Konvents bis 1612 geändert hatte.
  3. Vermutlich falsch restauriert aus straffet.
  4. xpm. Möglicherweise falsch restauriert aus iesu(m).
  5. Der Buchstabe könnte auch als E gelesen werden.
  6. H . V . H .] A. O. H. bei Lotze. Der erste Buchstabe ist zweifelsfrei ein H, als Lesung des zweiten Buchstabens kommt auch wie bei Lotze O in Betracht.
  7. Vermutlich falsch restauriert und ursprünglich Christ.
  8. Falsch restauriert, ursprünglich dir.
  9. S .] L . Lotze.
  10. Anstelle von Conventualin zu Hilwartshausen dürften auf der Tafel die Initialen Z. H. gestanden haben, die Lotze auch in den anderen Fällen entsprechend auflöst.

Anmerkungen

  1. Lotze, Geschichte, S. 324.
  2. Kreike/Gieseler, Gimte und Hilwartshausen, S. 161f.
  3. 1. Pt. 5,5.
  4. Der Spruch wird im Zusammenhang mit der Lutherrose zitiert, ohne daß sich eine Verbindung zu Luther nachweisen ließe. Vgl. Balthasar Mentzius, Stambuch, dorinnen vermeldet wie das Königreich zu Sachsen ein Hertzogthumb worden. Wittenberg 1601, fol. FIIr. Vgl. a. DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 308 mit weiteren Angaben hierzu.
  5. Hi. 5,17.
  6. Nach Ps. 100,5.
  7. Mt. 11,28.
  8. Wappen Kloster Hilwartshausen (rechts Vitus mit Hahn, links Stephanus mit Steinen).
  9. Wappen Stoffregen (zwei Lilien umgeben von Regentropfen).
  10. HSTA Hannover, Cal. Br. 7, Nr. 787 (Verzeichnis der zum Konvent gehörenden Personen 1591/2); Cal. Br. 7, Nr. 810; Cal. Or. 100 Hilwartshausen, Nr. 395a.
  11. HSTA Hannover, Cal. Br. 7, Nr. 787 (Verzeichnis der zum Konvent gehörenden Personen 1591/2).
  12. Kreike/Gieseler, Gimte und Hilwartshausen, S. 162f.

Nachweise

  1. Lotze, Geschichte, S. 324 (A, C, F, G, H, J).
  2. Kreike/Gieseler, Gimte und Hilwartshausen, S. 161f.
  3. Walter Leiß, Erinnerungen an die letzte Äbtissin von Hilwartshausen. In: Unsere Heimat, Beilage der Mündenschen Nachrichten 73, Oktober 1971 (A, C, F, G, H, normalisiert).

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 298 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0029802.