Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 231 Hann. Münden, ev.-luth. Kirche St. Blasius 1596?

Beschreibung

Grabplatte des Johann Spangenberg. Sandstein. Die Platte wurde 1973 bei einer Grabung in der Kirche im Mittelschiff nordwestlich der Kanzel gefunden.1) Um den Rand des hochrechteckigen Steins verläuft eine Inschrift, deren eingehauene Buchstaben nach der Auffindung der Platte – nicht immer in Übereinstimmung mit dem Befund – mit schwarzer Farbe nachgezogen worden sind. Im leicht vertieften Innenfeld ein Kreuz auf einem Bogensockel, der ein Steinmetzzeichen (M14) trägt. Oben links und rechts des Kreuzes je ein Wappenschild.

Maße: H.: 196 cm; B.: 108 cm; Bu.: 7,5–9 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Sabine Wehking [1/1]

  1. IO(HANN)ES SPANGENBERG OBIIT / + 20 OCTOBRI(S) A(NN)O CHRISTI 96 a) PROVERB CAP 20 + / NE DICAS MALVM PRO / MALO REDDAM EXPECTA D(OMI)NI ET LIBERABIT TE 2)

Übersetzung:

Johann Spangenberg starb am 20. Oktober im Jahr Christi (15)96. Proverbia Kap. 20: Sage nicht: Ich will Böses mit Bösem vergelten. Warte auf den Herrn und er wird dich befreien.

Wappen:
Spangenberg3)?4)

Kommentar

Die A der unregelmäßig eingehauenen Inschrift mit gebrochenem Mittelbalken, die I sind mit i-Punkten versehen, M mit kurzem Mittelteil, die N in SPANGENBERG retrograd, O spitzoval.

Die Grabplatte weist in ihrer Gestaltung und der Ausführung der Inschrift eine große Ähnlichkeit mit der undatierten und anonymen Grabplatte Nr. 232 in St. Ägidien auf. Der ungewöhnliche Umstand, daß die Grabplatte von St. Ägidien keinen Namen trägt, könnte darauf hindeuten, daß sie in Kombination mit der Platte des Johann Spangenberg als Abdeckung eines größeren Familiengrabes der Familie Spangenberg diente. Dafür spricht auch, daß beide Platten in etwa dieselbe Höhe haben und möglicherweise dieselben, wenn auch leicht abweichend ausgeführten Wappen tragen. Da der Vorname Johann in der Familie Spangenberg sehr gebräuchlich war und die Quellen Ende des 16. Jahrhunderts gleichzeitig zwei Familienmitglieder dieses Namens ausweisen, ist die sichere Identifizierung des Verstorbenen erschwert. Setzt man voraus, daß die Lesung des Todesdatums stimmt, so handelt es sich um den Ratsherrn Johann Spangenberg, der das Haus Kirchplatz 9 errichtete (vgl. Nr. 188 mit weiteren Angaben zur Biographie) und bis 1595 als Kirchenvorsteher von St. Blasius nachzuweisen ist.5) Im Jahr 1597 ist als Inhaberin eines Lothstücks der Kirche St. Blasius seine Witwe genannt, die sich noch bis 1612 nachweisen läßt.6)

Textkritischer Apparat

  1. A(NN)OCHRISTI 96] Die Inschrift ist an dieser Stelle nicht sicher zu lesen, die schwarz nachgezogenen Buchstaben ergeben so keinen Sinn und stimmen nicht mit den noch schwach zu erkennenden eingehauenen Buchstaben überein. Möglicherweise wurde das Todesdatum nachgetragen. Darauf könnte die unregelmäßige Gestaltung der Inschrift in den oberen zwei Dritteln der rechten Leiste schließen lassen. Die Einfärbung dessen, was man als Inschrift zu erkennen glaubte, mit schwarzer Farbe wurde unmittelbar nach der Entdeckung der Platte während der Grabungen vorgenommen (vgl. Foto Pfarrarchiv St. Blasius, Hann. Münden, Fotosammlung Ausgrabungen 1973). Grenz (Anfänge, S. 127f.), der die Jahresangabe als ANNO DOMINI CHRISTI 1460 liest, hält trotz der von ihm selbst zitierten Datierung der Platte auf das 16. Jahrhundert durch Heinz Hartung aus unerfindlichen Gründen an dieser zeitlichen Einordnung fest. Das Gegenstück zu dieser Platte Nr. 232 kannte Grenz offenbar nicht.

Anmerkungen

  1. Grenz, Anfänge, S. 126.
  2. Prov. 20,22.
  3. Wappen Spangenberg (Vogel auf einem Ast mit Zweig im Schnabel).
  4. Wappen ? (querliegender Ast, nach oben ein Blatt, nach unten zwei Blätter).
  5. Pfarrarchiv St. Blasius, Hann. Münden, KR I. 3. u. 4., jeweils das Deckblatt der Jahresrechnung, der Jahrgang 1596 fehlt, 1597 ist Johann Spangenberg nicht mehr genannt.
  6. Pfarrarchiv St. Blasius, Hann. Münden, KR I. 5., fol. 208r. Im Jahr 1598 ist unter den Lothstücken (ebd., III. 1., fol. 249r) ein anderer Johann Spangenberg aufgeführt. StA Hann. Münden, B 1311, Brauregister 1612 (unpaginiert).

Nachweise

  1. Grenz, Anfänge, S. 126f. mit Abb. 49b.

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 231 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0023106.