Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 226(†) Duderstadt, Börsengasse 5 1595

Beschreibung

Schwellbalken. Zweigeschossiges traufenständiges Fachwerkhaus der ehemaligen Börse. Auf dem Schwellbalken des ersten Obergeschosses die in erhabenen Buchstaben geschnitzte Inschrift A, in Gold auf Braun gefaßt, über einer Zahnschnittleiste und Tauband. In den Brüstungsfeldern darüber Blendarkaden. Wolf1) überliefert für einen Gebäudeteil der Börse, den er als Eckhaus der Börsengasse zur Hinterstraße bezeichnet (heute Hinterstr. 44), die Inschrift B. Dabei handelte es sich um den Hausteil, der dem Stadtbrand von 1852 zum Opfer fiel. Die inhaltlich unvollständige Inschrift A setzte sich vermutlich auf dem angrenzenden Haus Börsengasse 3 fort, das ebenfalls zum Komplex der Börse gehörte.2)

Inschrift B nach Wolf.

Maße: Bu.: ca. 8 cm (A).

Schriftart(en): Fraktur.

Sabine Wehking [1/3]

  1. A

    · Will · auff · den · Segen · des · Hernn · bauwenn · vnd · meinem · lieben · Got · Vertrawenn Der · wirt · mich · hir · Zeitlich · Vnnd Nach diesem · leben · a)

  2. B†

    Vertrawe ich wem? vertrawe Gott allein Sein gnad und treu ist alle morgen neu wer auf Gott vertrawet hat wohl gebawet im Himmel und auf Erden 3) Den Herrn furchten ist die Wurtzel der Weisheit 4) 1595

Kommentar

Die Fraktur der Inschrift A wird dadurch gekennzeichnet, daß alle Buchstaben in das Mittelband gestellt sind, b mit großem Bogen, über den die Haste kaum hinausgeführt wird, entsprechend auch h und g mit sehr kleinem unteren Bogen, e mit sehr kleinem geschlossenen oberen Bogenabschnitt. Die großen Versalien, die das Bild der Inschrift dominieren, entwickeln sich jeweils aus einem breiten Schlingenornament. Die Inschrift stimmt in der Ausführung der Buchstaben exakt mit der Inschrift am Haus Obertorstr. 17 (Nr. 228) überein.

Die Börse war das Versammlungshaus der städtischen Oberschicht, die sich aus den altansässigen Grundbesitzern und Lehnsleuten sowie den Kaufleuten gebildet hatte und der Kaufmannsgilde entsprach.5) Das Vertrauen auf die Gnade Gottes, das in beiden Inschriften zum Ausdruck gebracht wird, und die drei Verse des lutherischen Kirchenlieds in Inschrift B verdeutlichen die lutherische Gesinnung der städtischen Oberschicht in einer Zeit, in der in Duderstadt nach den Vorgaben der Regierung offiziell nur katholischer Gottesdienst gehalten werden durfte.

Textkritischer Apparat

  1. Am Ende der Inschrift ein Schlingenornament, das darauf hinweisen könnte, daß hier ein Versal stand und der Inschriftenbalken hier abgeschnitten wurde. Es dürfte noch ein Vers mit dem Reimwort geben gefolgt sein.

Anmerkungen

  1. Wolf, Geschichte, S. 240.
  2. Zu dem Gebäudekomplex Wüstefeld, Duderstadt, S. 88. Engelhard, Hausinschriften, S. 34, verzeichnet das Haus mit beiden Inschriften unter der alten Hausnr. 331, die Kaufholz, Hausbuch, Teil 3 (Stubenviertel), S. 186f., mit dem Haus Börsengasse 3 identifiziert. Die Börse ist bei Kaufholz unter der alten Hausnr. 332 (Hinterstr. 44) verzeichnet (S. 188), das heutige Haus Börsengasse 5 ist bei Kaufholz nicht genannt.
  3. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 2, Sp. 90, Nr. 2200. Beginn eines Kirchenliedes, vgl. Wackernagel, Kirchenlied, Bd. 3, Nr. 1213, S. 1042, Joachim Magdeburg zugeschrieben, in dessen Tischgesängen das Lied 1571 erstmals erscheint.
  4. Nach Ps. 111,10.
  5. Jaeger, Bilder, S. 30.

Nachweise

  1. Wolf, Geschichte, S. 240.
  2. Engelhard, Hausinschriften, S. 34 (B nach Wolf).
  3. Jaeger, Bilder, S. 25 (nach Engelhard).
  4. Lufen, Altkreis Duderstadt, Abb. S. 147 (A).

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 226(†) (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0022605.