Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 188 Hann. Münden, Kirchplatz 9 1576

Beschreibung

Schwellbalken.1) Viergeschossiges traufenständiges Fachwerkhaus mit vorgekragten Obergeschossen, neun Gefache breit, mit großem Zwerchhaus. Die Brüstungsfelder sind mit zumeist dreifachen Andreaskreuzen geschmückt, die Schwellbalken mit Zahnschnittleisten verziert, die Balkenköpfe waagerecht kanneliert, Volutenknaggen. Die erhaben geschnitzte Inschrift steht auf dem Schwellbalken des ersten Obergeschosses und ist in Gold auf Blau gefaßt.

Maße: Bu.: ca. 10 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Sabine Wehking [1/2]

  1. VERSPERA IAM VENIT NOBISCVM CHRISTE MANETO EXTINGVI LVCEM NE PATIARE TVAM : IOHAN SPANGENBERG : M · DLXXVI

Übersetzung:

Schon kommt der Abend. Bleib bei uns, Christus, dulde nicht, daß dein Licht ausgelöscht wird.

Versmaß: Ein elegisches Distichon.

Kommentar

Die Schrift zeigt dieselben Merkmale wie die Inschriften an dem nur wenige Jahre zuvor erbauten Nebenhaus Kirchplatz 7 (Nr. 179) von 1570 und an dem 1580 erbauten Haus Marktstr. 15 (Nr. 199). Besonders charakteristisch sind das auch hier auftretende G mit verkürztem oberen Bogenende und das konische M mit auf die Grundlinie herabgezogenem Mittelteil. Die drei Häuser wurden vermutlich von derselben Werkstatt errichtet.

Johann Spangenberg fungierte in der Zeit von 1581 bis 1595 als Ratsherr der Stadt Münden2) und wohnte 1588 als Deputierter der ersten Schulvisitation bei.3) Was ihn 1576 veranlaßte, eine recht düstere Inschrift für sein Haus zu wählen, die auf eine Gefährdung des lutherischen Glaubens hinzuweisen scheint, ist nicht klar, da der Stadt Münden erst im Jahr zuvor von Erich II. anläßlich seiner Eheschließung mit Dorothea von Lothringen die ungehinderte Ausübung der evangelischen Religion zugesichert worden war.4) Von 1589 bis 1595 amtierte Johann Spangenberg als Kirchenvorsteher von St. Blasius.5) Da im Jahr 1597 seine Witwe genannt ist, muß er im Jahr 1596 verstorben sein.6) Vermutlich sind diesem Johann Spangenberg und seiner Ehefrau die beiden Grabplatten Nr. 231 u. 232 zuzuordnen.

Anmerkungen

  1. Kirchplatz 5 / No. 255.
  2. Ritter, Verfassung, S. 36.
  3. StA Hann. Münden, Handschrift Lotze, Bd. 1, p. 433.
  4. Vgl. Kunze, Erich II., S. 158.
  5. Pfarrarchiv St. Blasius, Hann. Münden, KR I. 3. u. 4., jeweils Deckblatt der Jahresrechnung, der Jahrgang 1596 fehlt.
  6. Ebd., KR I. 5., fol. 208r.

Nachweise

  1. Fischer, Kunstdenkmäler, S. 32.

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 188 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0018800.