Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 184 Reinhausen, ev.-luth. Kirche St. Christophorus 1574

Beschreibung

Grabplatte des Melchior von Uslar und seiner Ehefrau Margarethe von Ohle. Gußeisen. Die Platte, die heute an der nördlichen Chorwand aufgestellt ist, wurde im August 1844 von der hannoverschen Domänenkammer zum Preis von 10 Talern von der Familie von Uslar erworben.1) In den vier Ecken große Medaillons mit Vollwappen darin. Um die Platte verläuft in einer vertieften Zeile die Inschrift A in erhabenen Buchstaben. Im Innenfeld im Flachrelief links und rechts stehend der Verstorbene in Rüstung und seine Ehefrau, beide mit zum Gebet gefalteten Händen. Zwischen ihnen oben auf einem Sockel eine kleinere Darstellung der Kreuzigung mit Maria und Johannes, am Kreuz der Titulus B. Unten zwischen den beiden Figuren in einer Art Schild über Ornament die verschlungenen Initialen des Gießers (C, M11). Darunter auf einer durch einen Rahmen von dem Relief abgesetzten querrechteckigen Tafel die Inschrift D. Alle Inschriften sind erhaben gegossen.

Maße: H.: 198 cm; B.: 110 cm; Bu.: 5 cm (A), 3 cm (B), 8,5 cm (C), 4,5 cm (D).

Schriftart(en): Fraktur (A, D), Kapitalis (B, C).

Sabine Wehking [1/2]

  1. A

    Anno D(omi)nj 1574 / den 8 dach Septembriß ÿst in Gott Entslaffen der Edele / vndt Erendtveste / Melichor Von Vsseler deß Sele gott in seine(n) freide erhalte

  2. B

    I(ESUS) N(AZARENUS) R(EX) I(UDAEORUM) 2)

  3. C

    K(ONRAD) S(CHARF)

  4. D

    Eß kompt die stunde · in welcher alle die / in den graeberna) sind · werde(n) seine stimme / hoerenb) · vnd werden herfur gehen · die da guts / getan haben zur vfferstehung des lebens · die aber / vbels gethan zur vfferstehung des gerichts Joa 5 3)

Wappen:
Uslar-Gleichen4)Ohle5)
Dorfeld6)Oldershausen7)

Kommentar

Die Qualität der Grabplatte zeigt sich nicht nur in der Gestaltung der Figuren, sondern auch in der sorgfältigen Ausführung der Inschriften. Die vier Buchstaben des Kreuzestitulus sind stark linksgeneigt und tragen Ausbuchtungen an den Hasten sowie eine tropfenförmige Verdickung an der Cauda des R. Die Initialen des Künstlers (C) sind ineinander verschlungen: die Schräghasten des K sind mit ihrem gemeinsamen linken Teil durch die Haste gesteckt, der obere Bogen des S greift von hinten über die obere Schräghaste des K, die Buchstabenenden sind eingekerbt. Die beiden Frakturinschriften A und D weisen ausgeprägte Ober- und Unterlängen auf, f und Schaft-s sind spitz ausgezogen, der geschwungene Bogen des h unter die Zeile geführt; a durchgängig einstöckig, d mit spitzovalem Bogen, u, v und w mit Oberlänge am linken Schaft. Besonders bemerkenswert ist der über zwei Zeilen reichende, aus vielfach verschlungenen Ornamenten gebildete Versal des E am Beginn der Inschrift D.

Melchior von Uslar wurde vermutlich 1514 als Sohn des Wedekind von Uslar und der Anna von Oldershausen geboren. Am Hof in Herzberg diente er zunächst Herzog Philipp I. von Braunschweig-Grubenhagen als Page und fungierte dann als Knappe Herzog Ernsts. Unter diesem kämpfte er im Schmalkaldischen Krieg auf protestantischer Seite. 1545 hatte er sich zusammen mit seinen Brüdern wegen des Vorwurfs der Untreue gegenüber der Landesherrschaft vor Herzogin Elisabeth zu verantworten. Im Jahr 1558 heiratete Melchior von Uslar Margarethe von Ohle, die Tochter des Christian von Ohle und der Elise von Dorfeld. Margarethe von Ohle starb lange Zeit nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 1607 und wurde wie dieser im Erbbegräbnis der Familie von Uslar in der Reinhäuser Kirche beigesetzt.8) Das Erbbegräbnis der Familie von Uslar-Gleichen ist erstmalig für das Jahr 1394 urkundlich belegt (vgl. dazu Nr. 130).9)

Die Initialen KS stehen für den Eisengießer Konrad Scharf, der in der zum Kloster Haina gehörenden Hütte im Schwalefeld (Hessen) tätig war. Seine Signatur findet sich sonst noch auf Ofenplatten, die in der Schwalefelder Hütte nach den Entwürfen Philipp Soldans gegossen wurden.10)

Textkritischer Apparat

  1. a mit übergesetztem e.
  2. o mit übergesetztem e.

Anmerkungen

  1. Uslar-Gleichen, Familiengeschichte, S. 326.
  2. Io. 19,19.
  3. Jh. 5,28f.
  4. Wappen Uslar-Gleichen (Balken, beiderseits wechselnd gezinnt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 16 u. Tafel 18.
  5. Wappen Ohle (Muschel). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 96; Bd. 2, Tafel 230.
  6. Wappen Dorfeld (drei Fische übereinander). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 41 u. Tafel 100. Die beiden unteren Wappen sind in der Anordnung vertauscht.
  7. Wappen Oldershausen (quadriert, 1. u. 4. neun Rosen, 3:3:3). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 14 u. Tafel 15.
  8. Vgl. Uslar-Gleichen, Familiengeschichte, S. 325f.
  9. UB Uslar-Gleichen, Bd. 1, S. 129, 1. Mai 1394.
  10. Vgl. Thieme/Becker, Bd. 29, S. 585. A. Kippenberger, Die deutschen Meister des Eisengusses im 16. Jahrhundert. Marburg 1931, S. 143 u. S. 165, Abb. 119 (Monogramm). Weder Thieme/Becker noch Kippenberger ist die Reinhäuser Grabplatte bekannt.

Nachweise

  1. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 182 (A, D).
  2. Uslar-Gleichen, Familiengeschichte, S. 5 (A, D).
  3. Lücke, Garte, S. 191 (A, D).
  4. Lücke, Klöster, S. 26 (A, D) mit Abb. 9.
  5. Ulbrich, Reinhausen, S. 24 (A) mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 184 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0018402.