Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 66: Lkr. Göttingen (2006)
Nr. 153† Hann. Münden, Schloß nach 1545, vor 1550
Beschreibung
Zwei Porträts. Die Gemälde zeigten den Herzog Erich II. von Braunschweig-Calenberg und seine erste Gemahlin Herzogin Sidonia von Sachsen. Letzner, der die Inschriften überliefert, gibt an, die doppelt ausgeführten Gemälde sowohl in Münden als auch in Calenberg gesehen zu haben.1) Über den Verbleib ist nichts bekannt.
Inschriften nach Letzner.
- A
Cernitur hic florens picta sub imagine Princeps Ad vivum pictor lineamenta dedit Et facie atque oculis recte depictus Ericus Quo iam nunc gaudet patria laeta Duce Pars juvenis melior non hic mihi crede videtur Hanc vt conspicias docta minerva facit
- B
Sidoniae faciem quid demiraris honestam Cur sic formam hanc lumina fixa tenes Flaccescit formae donum adveniente senecta Tempore Lector et hic deserit ora vigor Est aliud quiddam quod rectius ornat eandem Mens pia quae nunquam crede perire potest
Übersetzung:
In diesem gemalten Bildnis erblickt man den jugendlichen Fürsten, der Maler gab die Umrisse nach dem Leben, und Erich wurde in Hinsicht auf das Gesicht und die Augen richtig abgebildet. An ihm als Fürsten freut sich schon jetzt das frohe Vaterland. Glaube mir, kein Teil des jungen Mannes ist hier geschönt. Daß du dieses (Bild) erblicken kannst, das hat die gelehrte Minerva [Göttin der Künste] bewerkstelligt. (A)
Was bewunderst du das ehrenhafte Aussehen der Sidonia? Warum hältst du den starren Blick so auf diese Schönheit gerichtet? Wenn das Alter heranrückt, verblaßt das Geschenk der Schönheit, und mit der Zeit, Leser, verläßt diese Frische das Antlitz. Es ist etwas anderes, was dieselbe angemessener schmückt: ein frommes Gemüt, das, glaube es, niemals vergehen kann. (B)
Versmaß: Elegische Distichen.
Anmerkungen
- Letzner, Dasselische Chronica, 3. Buch, fol. 133r u. fol. 136v.
- Klinge, Letzner, S. 47.
- Wie Anm. 1.
- Zu Antonius Corvinus vgl. dessen Epitaph in der Marktkirche Hannover, DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 95.
- Vgl. Kunze, Erich II., S. 112f.
Nachweise
- Letzner, Dasselische Chronica, 3. Buch, fol. 133r (B) u. fol. 136v (A).
- Rehtmeier, Chronica, S. 815 (B nach Letzner).
- Biskamp, Münden, 3. Abschnitt, p. 143 (B nach Letzner).
Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 153† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0015307.
Kommentar
Letzner, der 1557 als Kaplan an St. Blasius und Hofprediger nach Münden berufen wurde,2) gibt als Verfasser der Inschriften den Landessuperintendenten Antonius Corvinus an.3) Sollte diese Behauptung zutreffen, müßten die Gemälde unmittelbar nach dem Regierungsantritt 1546 und der Heirat Erichs II. mit Sidonia von Sachsen angefertigt worden sein, da Erich II. Corvinus wegen seiner entschiedenen Ablehnung des Augsburger Interims im November 1549 gefangensetzte und dieser 1553 kurz nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft an den Folgen der Haft starb. Corvinus hätte nach 1549 kaum Anlaß gehabt, entsprechende Inschriften zu verfassen.4) Auch die Betonung der Jugendlichkeit Erichs II., der im Alter von 18 Jahren die Regierung des Fürstentums Braunschweig-Calenberg übernahm, spricht für eine solche Datierung.
Erich II. hatte die protestantische Sidonia von Sachsen 1545 wohl unter dem Druck seiner Mutter Elisabeth noch vor Erreichung der Volljährigkeit geheiratet, nachdem eine seit seiner Kindheit bestehende Verlobung mit einer Tochter des hessischen Landgrafen aufgelöst worden war. Die Ehe stand schon aus konfessionellen Gründen unter keinem guten Stern, da Erich trotz einer von seiner Mutter erzwungenen Verpflichtung zum evangelischen Glauben kurz nach Erreichung seiner Volljährigkeit zur katholischen Konfession konvertierte. Die Verbindung mit Sidonia von Sachsen blieb kinderlos, und es kam schon zehn Jahre nach der Eheschließung zu Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten, in deren weiterem Verlauf Erich II. Sidonia beschuldigte, ihn vergiften zu wollen. Die Auseinandersetzungen mündeten in einen Prozeß, in dessen Folge mehrere Frauen als Hexen bzw. Giftmischerinnen verbrannt wurden. Trotz der Vermittlung durch kaiserliche Kommissare kam es bis zum Tod der Sidonia von Sachsen am 4. Januar 1575 zu keiner Versöhnung.5) Im Dezember desselben Jahres heiratete Erich II. Dorothea von Lothringen.