Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 76 Hann. Münden, ev.-luth. Kirche St. Blasius 1494

Beschreibung

Sarkophag Herzog Wilhelms II. von Braunschweig-Lüneburg. Sandstein, farbig gefaßt. Der Sarkophag ist heute im westlichen Teil des südlichen Seitenschiffs aufgestellt, früher stand er von einem schmiedeeisernen Gitter umgeben im Mittelschiff vor der Orgelempore, ursprünglich wohl im Chor der Kirche. Die Deckplatte zeigt ein Relief, das den Herzog in Rüstung mit einem Wappenschild in der Rechten und dem Schwert in der Linken unter einem Baldachin darstellt. Die Figur ruht auf einem von zwei Engeln gehaltenen Kissen, zu ihren Füßen ein Löwe. Die Langseiten des Sarkophags sind mit Kreuzblumen verziert, auf der Kopfseite eine Darstellung der Madonna mit dem Kind auf der Mondsichel umgeben von der Mandorla, auf der Fußseite eine Darstellung einer männlichen Figur, als Attribut möglicherweise ein Messer (Bartholomäus?) oder eine Märtyrerpalme sowie ein Beutelbuch. Die erhaben gehauene Inschrift verläuft in Rot auf schwarzem Grund in vertiefter Zeile auf einem Schriftband um den abgeschrägten Deckel. Die Ränder des Schriftbandes sind ebenfalls rot gefaßt.

Maße: H.: 138 cm; B.: 120 cm; L.: 240 cm; Bu.: 11,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

Sabine Wehking [1/4]

  1. Sep(u)lcru(m) illustris p(ri)ncipis wilhelmi filija) wil/helmi ducisb) bru(n)swi·/ce(n)sisb) · (et)c) lu(n)eb(ur)ge(nsi)sb) · 1494d) ·

Übersetzung:

Grab des berühmten Fürsten Wilhelm, Sohn des Herzogs Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg. 1494.

Wappen:
Braunschweig-Calenberg1)

Kommentar

Herzog Wilhelm II. war der Sohn Wilhelms I. und der Cäcilie von Brandenburg. Im Jahr 1444 heiratete er Elisabeth von Stolberg. Seinen beiden aus dieser Ehe hervorgegangenen Söhnen Erich und Heinrich überließ Wilhelm II. seinen Besitz durch einen 1495 abgeschlossenen Erbteilungsvertrag, nach dem Heinrich das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel und Erich das Herzogtum Braunschweig-Calenberg erbte. Wilhelm II. lebte nach 1495 zurückgezogen in seinen Burgen Hardegsen, Uslar und Münden.2) Sein Grabdenkmal in St. Blasius ließ der 1503 verstorbene Herzog – wie später sein Sohn Erich I. (vgl. Nr. 142) – schon lange Zeit vor seinem Tod errichten. Daher nennt die Inschrift auch nicht sein Sterbedatum, den 7. Juli 1503. Die an die Geistlichkeit von St. Blasius gerichtete Verfügung, die Wilhelm II. hinsichtlich der Einrichtung seines Begräbnisses 1494 von der Burg Hardegsen aus traf, ist in einer Abschrift aus der Zeit um 1600 erhalten:3) We von godes genaden Wilhelm Hertoge to Brunschwick unde Lunenborg, Hertoge Wilhelms des olden Sohn / Werdige unde andechtige lewe getruwen / Nademe als we uns gelick anderen minschen de unbestendicheit unde starflicheit des fleisches befinden unde bekennen, unde dennoch saligen afftoscheiden unde aller pin unde schuld loß unde fri to sinde vor nutte geachtett, uns in iuwe innige gebet unde broderschop to gevende ock darsulvest in iuwe parkercken na unsem affsterven, dat gott na sinen willen schicke unse rawestede to hebbende, So bidde we unde begeren mit genade gi willen uns dorch Gott in iuwe innige und andechtige gebett und geistliken broderschop nemen, ock na unsem dotliken affscheide unsen forstliken lichnam in iuwer Parkercken, unde in unsem begreffnisse, de we darsulvest mit vulborde unser leven getruwen eines Erbaren Rades to Munden, buwen unde maken lathen, bestedigen, unde met vigilien unde Seelmissen unde tor gedechtnisse alle Jahr up tide unde dage na inholde unses Testamentes, gade unde Marien der gebenedieden Moder to love unde Sunte Blasio iuwem patronen to ehren, unde der leven Seelen to troste, getruweliken unde andechtichliken began willet, darvor gi alle iar uth unsem kamergude achte marck Gottingesche na lude unses vorsegelten breves ane alle weddersprake innemen schollen, des don we uns to iw verhopen.

Textkritischer Apparat

  1. Das Wort durch die über das Schriftband gelegte Engelsfigur unterbrochen.
  2. Das Schluß-s hochgestellt.
  3. Tironisches et.
  4. Die Ziffer 4 jeweils schlingenförmig.

Anmerkungen

  1. Wappen Braunschweig-Calenberg (quadriert, 1. zwei Leoparden übereinander (Braunschweig), 2. steigender Löwe im mit Herzen besäten Schild (Lüneburg), 3. bekrönter Löwe (Eberstein), 4. Löwe (Homburg)). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 28 u. Tafel 49.
  2. Zu Wilhelm II. vgl. Geschichte Niedersachsens, Bd. 2,1, S. 794.
  3. StA Hann. Münden, MR XI–9–1.

Nachweise

  1. Biskamp, Münden, Ergänzungsstück S. 21 (Zeichnung).
  2. Veldeck, Göttingen, S. 243f.
  3. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 139f.
  4. Lotze, St. Blasii-Kirche, S. 21.
  5. Grenz, Anfänge, S. 129.

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 76 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0007605.