Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 71 Hann. Münden, ev.-luth. Kirche St. Blasius 1487, 1488

Beschreibung

Steinquader mit Bauinschrift und Steinquader mit Jahreszahl. Der eine Quader befindet sich auf der Südseite der Kirche am Strebepfeiler links neben dem Portal. Die Inschrift A verläuft zeilenweise über den Stein, die letzte Zeile aus Platzgründen in kleineren Buchstaben. Die Buchstaben sind erhaben gehauen und in Gold gefaßt. Das Baudatum B ist über der spitzbogigen Tür am Eingang zum Turm auf der Westseite der Kirche in den anderen Quader eingehauen.

Maße: H.: 70 cm; B.: 77,5 cm; Bu.: 5 u. 2,5 cm (A), 25 u. 15 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal (A).

Sabine Wehking [1/2]

  1. A

    An(n)o · d(omi)ni · m° · cccc° · lxx / xvij · fe(r)ia · (prim)aa) · p(ost) · ca(n)tate1) · i(n)/choatu(m) · e(st) · h(oc) · op(us) · i(n) · ho(no)/re(m) · dei · o(mn)ipote(n)tis et / glo(rio)sissi(m)e · marie · dei / ge(n)itricis · ac · sa(ncti) bla/sii · m(a)r(tyr)is · patronoru(m)b)

  2. B

    1488c)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1487 am Sonntag nach Kantate wurde dieses Werk begonnen zur Ehre des allmächtigen Gottes und der ruhmreichsten Mutter Gottes Maria und des heiligen Märtyrers Blasius, der Patrone (dieser Kirche). (A)

Kommentar

Bei den Buchstaben der Inschrift A handelt es sich um eine breit ausgeführte gotische Minuskel mit deutlichen Ober- und Unterlängen, deren Buchstaben teilweise mit großen Zierhäkchen versehen sind.

Die Bauinschrift und das Baudatum beziehen sich auf die in den Jahren 1487 bis 1502 durchgeführte Errichtung des dreischiffigen Langhauses mit fünf Jochen und des unteren Turmteils. Mit dem Bau waren nach Ausweis der Quellen Hans Horbusch, Hans Gunter von Geismar und der Meister Hans Raphoyn betraut.2) Zu dem Kirchenbau vgl. a. Nr. 87 u. Nr. 126. Die Jahreszahl 1488 bezeichnet lediglich den Baubeginn des an das Langhaus angesetzten Turms, der noch fast ein Jahrhundert lang unvollendet blieb. Den Exzerpten aus den verlorenen Kämmereirechnungen zufolge wurde er in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts von einem Meister Heinrich aus Cassel weitergebaut und erst 1584 in seiner heutigen Form eingedeckt. Als letzte Maßnahme war die Einrichtung der Türmerwohnung im Jahr 1585 verzeichnet (vgl. a. A1 1584).

Die Mündener Stadtkirche wurde noch im 16. Jahrhundert als Marien- oder Liebfrauenkirche bezeichnet. So fand sich 1517 im Stadtbuch der Eintrag unser leiven frauwen parkerk bynnen unser Stadt.3) Die Inschrift A von 1487 nennt den heiligen Blasius als Patron bereits gleichberechtigt neben Maria. In den Kirchenrechnungen von St. Blasius findet sich im Titel letztmalig 1581 die Bezeichnung Unser Lieben Frauen Kirche neben der bereits gebräuchlichen allgemeinen Bezeichnung als Pfarrkirche ohne Angabe des Patronats. Die Benennung als Pfarrkirche St. Blasius erscheint im Titel der Kirchenrechnungen erstmalig 1607 und ist von da an die übliche Bezeichnung.4)

Textkritischer Apparat

  1. i mit Punkt und hochgestelltem a.
  2. In patronoru(m) heute anstelle des ersten o in Gold irrtümlich ein s.
  3. Schlingenförmige 4.

Anmerkungen

  1. 20. Mai.
  2. Exzerpte aus den verlorenen Quellen zur Baugeschichte von St. Blasius: StA Hann. Münden, Nachlaß Otto Budde, Nr. 1, Heft 77.
  3. Ebd., Heft 82 (Auszüge aus dem verlorenen Stadtbuch), S. 28.
  4. Pfarrarchiv St. Blasius, Hann. Münden, KR I. 2.–6.

Nachweise

  1. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 137f.
  2. Lotze, Blasii-Kirche, S. 11.
  3. Fischer, Kunstdenkmäler, S. 13 (B).

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 71 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0007100.