Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 18 Duderstadt, ev.-luth. Kirche St. Servatius 1383

Beschreibung

Grabplatte der Familie von Wehre. Sandstein, farbig gefaßt. Die Platte ist heute an der Nordwand im Chor über einer Konsole aufgestellt. Sie trägt ein Relief, das oben Christus in den Wolken zwischen zwei Vollwappen und darunter kniend einen Mann und eine Frau zeigt, vor der Frau zwei Kinder. In der Mitte zwischen den Figuren ein weiteres Vollwappen. Auf dem abgeschrägten Rand der Platte links die Inschrift A, rechts die Inschrift B. Da der Anfang der Inschrift B fehlt, ist zu vermuten, daß früher eine Inschrift um den ganzen Stein verlief und heute der obere und der untere Teil abgeschnitten sind. Die beiden Inschriften sind nach innen ausgerichtet. Jeder der knienden Figuren ist ein Schriftband zugeordnet (C – Mann, D – Frau, E und F – Kinder), die Schriftbänder der beiden Erwachsenen zweizeilig. Alle Inschriften sind in erhabenen Buchstaben ausgeführt und in Gold auf Blau gefaßt.1)

Maße: H.: 201 cm; B.: 95,5 cm; Bu.: 5 cm (A, B), 6 cm (C, D), 4,5 cm (E, F).

Schriftart(en): Gotische Minuskel, mit Versalien (A, C, D).

Sabine Wehking [1/2]

  1. A

    An(n)o . d(omi)ni · M° · ccc° · l · x · x · x · i · i · i · o(biit) · henrich · vo(n) · were · des · svndagesa) · na · vrba(n)i 2)

  2. B

    [ – – – ] o(biit) · syge · ha(n)ses · vrowe b) vo(n) · were · des · iv(n)gere(n) · des · sv(n)navendes · vor · servaciic) · 3)

  3. C

    · Heinrich · vo(n) · were · / bidit gnade · to · gode

  4. D

    · Cyge · hans · vrowe · vo(n) · we / re · bidit · gnade · to · gode

  5. E

    · henrich ·

  6. F

    deithert

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1383 starb Heinrich von Wehre am Sonntag nach Urbani. (A)

... starb Cyge, die Frau Hans d. J. von Wehre, am Sonnabend vor Servatii. (B)

Heinrich von Wehre bittet Gott um Gnade. (C)

Cyge, die Frau des Hans von Wehre, bittet Gott um Gnade. (D)

Wappen:
?4)Wehre5)
Wehre5)

Kommentar

Bei den Inschriften der Platte handelt es sich um die ältesten niederdeutschen Texte auf einem Grabdenkmal in den bisher bearbeiteten norddeutschen Beständen.

Die Familie von Wehre war seit dem 14. Jahrhundert eine der einflußreichsten Duderstädter Ratsfamilien.6) Ein Heinrich von Wehre ist im 14. Jahrhundert in Urkunden aus den Jahren 1337, 1342 und 1349 als Ratsherr nachzuweisen.7) Es ist jedoch aus zeitlichen Gründen nicht sicher, ob es sich um den in der Inschrift Genannten handelt. Hans von Wehre d. J. ist lediglich 1404 als Duderstädter Ratsherr verzeichnet.8) Es ist nicht bekannt, in welchem Verwandtschaftsverhältnis Cyge (= Lucia), die Ehefrau Hans d. J., und ihre Kinder Heinrich und Deithert zu Heinrich von Wehre standen. Der Sohn Heinrich könnte identisch sein mit dem späteren Ratsherrn Heinrich Wehre, der in den Annalen von 1435/6 und 1437/8 genannt ist.9)

Textkritischer Apparat

  1. Zwischen svn und dages ist die Inschrift durch den Wappenschild unterbrochen.
  2. An dieser Stelle ist die Inschrift durch den Wappenschild unterbrochen.
  3. Zwischen ser und vacii ist die Inschrift durch den Kleidersaum der Frau unterbrochen.

Anmerkungen

  1. Am unteren Rand des Steins früher eine Renovierungsinschrift von 1756, nach UB Duderstadt, S. 516: FIDEI ET FAMILIAE SECTATOR REPARARI FECIT BERNARDUS IOSEPHUS A WEHREN.
  2. 31. Mai.
  3. Am Sonnabend vor dem 13. Mai. Der Sterbetag läßt sich aufgrund der fehlenden Jahreszahl nicht ermitteln.
  4. Wappen ? (gewürfelter Sparren).
  5. Wappen Wehre (fünfmal geasteter Baumstamm, an den Astenden mit Flammen besetzt). Vgl. Siebmacher/Hef- ner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 26 u. Tafel 27.
  6. Ritter, Ratsherren, S. 134f.
  7. UB Duderstadt, Nr. 56, 58, 69 u. 88.
  8. StA Duderstadt, AB 9, fol. 1r (Verzeichnis der Ratsmitglieder 1404/5). Vgl. a. Rep. 1, Nr. 151 u. 153 (UB Duderstadt, Nr. 224 u. 227).
  9. StA Duderstadt, AB 21, fol. 46r u. 54v.

Nachweise

  1. Würdtweinsches Epitaphienbuch (um 1765), Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 1098 II 57a, p. 392 (A–D).
  2. Wolf, Geschichte, S. 267f.
  3. UB Duderstadt, S. 516 (A, B; Abb. im Anhang).
  4. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 28.
  5. Jaeger, Alt-Duderstadt, S. 80, Abb. S. 82.
  6. Stünkel, Servatiuskirche, S. 12f. (C–F).

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 18 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0001803.