Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

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DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 1† Hilwartshausen, Klosterkirche 2. V. 12. Jh.?

Beschreibung

Altar. Nach Letzner trug der Altar in der Klosterkirche, bei dem die Klostergründerin Hemma und die Äbtissin Gisela beigesetzt waren, eine Inschrift.

Inschrift nach Letzner, SUB Göttingen, Ms. Hist. 248.

  1. Hic matris primae requiescunt ossa cinisquea) Hemma fuit nomen cui petimus requiem Peccatrix Gisela rogo te mater veneranda Consiliare Deum nobis dignare per eamb) Me Deus atque mea dignanterc) suscipe vota Amen

Übersetzung:

Hier ruhen die Gebeine und die Asche der ersten Mutter. Hemma war der Name derjenigen, für die wir um Ruhe bitten. Ich, die Sünderin Gisela, bitte dich, ehrwürdige Mutter, geruhe du, Gott für uns gnädig zu stimmen, und um ihretwillen nimm du, Gott, mich und meine Gebete gnädig an. Amen.

Versmaß: Ein elegisches Distichon und drei Hexameter, die Verse teilweise einsilbig leoninisch gereimt.

Kommentar

Der Gründungslegende des Klosters Hilwartshausen zufolge war ein Königssohn auf der Jagd von einem Eber getötet worden; dessen Schwester Hemma soll zum Andenken an ihren Bruder an der Stelle ein Kloster begründet haben, das nach einem in dem Wald lebenden Einsiedler namens Hilweert Hilwartshausen genannt wurde. Tatsächlich erfolgte die Klostergründung des Kanonissenstifts Hilwartshausen im Jahr 960 durch Otto I.1) Das Stift wurde 1626 durch Truppen Tillys verwüstet und erneut 1634 durch hessische Truppen.2) Möglicherweise wurde dabei auch ein zu Letzners Zeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch vorhandener Altar zerstört. Die Klosterkirche, die nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht wieder instandgesetzt wurde, verfiel in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Die in der Inschrift erwähnte Äbtissin Gisela ist urkundlich in den Jahren 1128 und 1130 nachzuweisen.3) Ihre Lebenszeit läßt sich nicht genauer eingrenzen, da in den Urkunden des 12. Jahrhunderts keine Nachfolgerin genannt ist. Ob die bei Letzner überlieferte Inschrift tatsächlich in das zweite Viertel des 12. Jahrhunderts zu setzen ist, muß zweifelhaft bleiben. Der Umstand, daß die Äbtissin Gisela sich in der Inschrift in direkter Rede um Fürbitte an die legendarische Klostergründerin Hemma wendet, deutet jedoch auf eine Entstehung zu Lebzeiten Giselas oder unmittelbar nach ihrem Tod.

Textkritischer Apparat

  1. cinisque] sinitque Letzner, Ms. Hist. 248, sinisque Letzner, Ms. Hist. 249.
  2. eam] eum Letzner, beide Versionen.
  3. dignanter] dignante Letzner, Ms. Hist. 249.

Anmerkungen

  1. Zu den Anfängen des Klosters vgl. Andreas Kleine-Tebbe, Hilwartshausen. Zur Baugeschichte des ehemaligen Reichsstiftes. Hann. Münden 1985, S. 9ff.
  2. Ebd., S. 14.
  3. UB Hilwartshausen, Nr. 15 u. 16.

Nachweise

  1. Letzner, SUB Göttingen, Ms. Hist. 248, p. 641.
  2. Letzner, SUB Göttingen, Ms. Hist. 249, Bd. 1, fol. 715v.
  3. Andreas Kleine-Tebbe, Hilwartshausen. Zur Baugeschichte des ehemaligen Reichsstiftes. Hann. Münden 1985, S. 13 (nach Letzner).

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 1† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0000108.