Die Inschriften des Landkreises Göppingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 41: Göppingen (1996)
Nr. 241 Donzdorf, kath. Pfarrkirche St. Martin 1540
Beschreibung
Grabdenkmal für Wolf II. von Rechberg zu Hohenrechberg. Innen an der Westwand der nördlichen Kapelle („Gruftkapelle“). Ursprünglich vermutlich in der Hohenrechberger Kapelle der Pfarrkirche1. Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein mit segmentbogenförmigem Aufsatz über verkröpftem Gesims; als Akroterien oben und seitlich drei Kugeln; im Bogenfeld 5zeilige Sterbeinschrift; auf der Platte ein auf einem Löwen stehender Ritter im Plattenharnisch, mit aufgeklapptem federbestecktem Visierhelm, Streithammer und Schwert. Der Stein ist in den unteren Partien, vermutlich durch aufsteigende Feuchtigkeit, stark beschädigt.
Maße: H. 210, B. 94, Bu. 3,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Frakturelementen und Versalien.
Anno D(omi)ni 1540 / Vff Sontag nach Johannis / Baptiste starb Der Edell vnd / Vest Wolff von Rechberg zv / Hochenn Rechberg dem gott gnad
Datum: 27. Juni.
Venningen | Schellenberg2 |
Rechberg | Rietheim3. |
Anmerkungen
- Dieser Standort ist jedenfalls für Wolfs Totenschild (nr. 242 †) durch Gabelkover bezeugt. Das vorliegende Epitaph erwähnt Gabelkover nicht, vielleicht wegen der inhaltlich identischen Aussage beider Inschriften. GRA, A 662: „Abschrifften Von Denen in der Pfarrkirchen zu Donzdorf befindl. Epitaphijs“ (um 1750) verzeichnet ein Grabmal mit der verkürzt wiedergegebenen Inschrift: Anno: 1540. tit: Johanns Baptist Von Rechberg zu Hohen Rechberg. Da ein Johann Baptist nicht in der Rechberger-Genealogie aufscheint, dürfte es sich um ein Versehen des Kopisten handeln, der beim flüchtigen Abschreiben das Tagesdatum nach dem Festkalender auf Wolfs Epitaph mit dem Vornamen des Verstorbenen verwechselte.
- Dreimal geteilt; Helmzier: zwei mit je drei Schellen besetzte Büffelhörner. Die Schwiegermutter Wolfs war angeblich Katharina Thumb von Neuburg (vgl. Stammtaf. d. mediatisierten Häuser 17 Taf. 3). Die mit den Schellenbergern stammgleichen Thumb führten zwar auch ein dreimal geteiltes Wappen, aber eine andere Helmzier (zwei Schwanenhälse). Die Zimier der Schellenberger sind zwei Büffelhörner ohne Schellen, die hier vielleicht zusätzlich als redendes Element beigefügt wurden. Halbey Nr. 50 gibt, freilich ohne Quellenbeleg, Hildegard von Schellenberg als Schwiegermutter Wolfs von Rechberg an. Gabelkovers (wie Anm. 8) Zuweisungsversuch: „Sundthaim vel Krailshaim“ geht von einem Balkenwappen, nicht von einem dreimal geteilten Schild aus.
- Steigender Esel; Helmzier verstümmelt. Die Wappenanordnung ist von unten nach oben zu lesen: heraldisch rechts unten Wolfs eigenes Wappen, oben das seiner Mutter Anna von Venningen, links unten das Wappen seiner Frau Johanna von Rietheim, oben das seiner Schwiegermutter, vgl. Anm. 1.
- Auf diesen Werkstattzusammenhang weisen bereits Demmler, Die Grabdenkmäler des württembergischen Fürstenhauses 126f. m. Taf. 8, Klein (wie unten) 117 sowie Halbey 121–127, Nrr. 47–50 hin. Das dort außerdem als werkstattgleich aufgeführte Grabdenkmal für Hans Wolf von Wöllwarth zu Unterböbingen (Ostalbkreis) von 1558 zeigt zwar im Figürlichen deutliche Übereinstimmungen, doch ist die Ausführung von Rüstung, Waffen, Löwe und Wappen eine andere, als Schrift wird eine Kapitalis verwendet; vgl. Abb. in Kdm Jagstkreis I 451.
- Vgl. Halbey Nr. 51.
- Ebenda vom selben Bildhauer das Grabdenkmal für Renwart von Wöllwarth († 1520).
- Halbey 121–127, Nr. 50.
- Vgl. Pfeilsticker §2209. Die ebd. aufgeführte Witwe Margarethe von Rechberg geb. von Nippenburg gehört nicht hierher. Sie war die Frau des 1550 verstorbenen Wolf III. von Rechberg zu Weißenstein, vgl. Stammtaf. d. mediatisierten Häuser 17 Taf. 3. Ob Wolf II. tatsächlich schon 1506 Obervogt war, ist fraglich, da sein Amtsvorgänger Andreas von Hoheneck noch 1514 im Amt bezeugt ist, vgl. Pfeilsticker §2209.
Nachweise
- GRA, A 675: „Genealog. Urkunden u. Stammenbäume Von der familie Rechberg“, Einzelbl. 18. Jh.
- StAL, E258 VI, Spezialia, Konvolut 17: OAB, Geislingen, Bemerkungen zum top. Blatt Donzdorf von E. Paulus, 1832.
- Rechberg-Epitaphien-Album (GRA Donzdorf, o. Sign), angelegt ab 1809, Zeichnung.
- Rink, Familien-Geschichte II 101.
- Kdm Geislingen 90.
- Walter Klein, Jakob Woller. Ein Gmünder Bildhauer der Renaissance, in: Gmünder Heimatbll. 4 (1931) Nr. 10, 97–110, hier: 107.
- Halbey Nr. 50.
Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 241 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0024106.
Kommentar
Die Schrift ist nicht sonderlich gleichmäßig gehauen, die Wortabstände sind gelegentlich auffällig groß. Insgesamt wird man die Schrift noch als gotische Minuskel bezeichnen müssen, auch wenn der Formenkanon durch einzelne gerundete Buchstaben durchbrochen wird: rundes, nur oben gebrochenes c, breites spitzovales d, g in unterschiedlichen Ausformungen, teils mit rundem oberen Bogen und/oder Unterlängenbogen und mit nach links durchgebogener Haste, wobei oberer Bogenabschnitt und Haste in einer dornartigen Spitze rechts oben zusammenlaufen; zweistöckiges, oben spitzes z. Die Balken von f und t sitzen meist tief. Der obere abgeknickte Bogenabschnitt des e und die Fahne des r sind nur locker durch einen Haarstrich mit der Haste verbunden. Der Bogen des h ist leicht geschwungen und weit unter die Grundlinie gezogen, wo er in verschieden gestaltete Zierschleifen ausläuft. Die Versalien sind teils Texturschriften (H mit Schaftverdoppelung und in den Bogen eingestelltem linksschrägem doppelten Zierstrich), teils der Fraktur entnommen. Daneben erscheint ein rundes kapitales S mit an den Enden eingerolltem Diagonalstrich.
Dieselben Merkmale weist die Schrift eines Grabmal-Fragments in Neuhausen auf den Fildern (LKr. Esslingen) auf, das – ebenfalls als Segmentbogenaufsatz – zu einem Epitaph für den 1525 verstorbenen Friedrich von Neuhausen gehörte. Die Werkstattgleichheit ist evident. Vom selben Bildhauer stammen ferner die Epitaphien für Jörg Gronbeck zu Niedernhausen († 1534) im ehem. Franziskanerkloster zu Schwäbisch Gmünd und für Jakob von Kaltental († 1555) in Stuttgart-Mühlhausen, die sowohl in der Schrift als auch im figürlichen Schmuck weitgehende Parallelen zu dem Donzdorfer Stein aufweisen4. Schließlich sind dieser Werkstatt noch drei Denkmäler der von Degenfeld in Eybach aus den 1530er Jahren bzw. von 1549 (?) (nrr. 233, 234, 250) sowie das Donzdorfer Epitaph der Radegunda von Liebenstein († 1550, nr. 251)5 anzureihen. Als Vorbild für die figürliche Darstellung diente zweifellos das Grabdenkmal des 1522 verstorbenen Georg Renwart von Wöllwarth in der Klosterkirche zu Lorch6, das bis in Einzelheiten des Harnischs und des Federschmucks auf dem Helm kopiert ist, freilich in deutlich gröberer Ausführung. Die Werkstatt des Rechberg-Grabmals dürfte nach alldem ihren Sitz in der Reichsstadt Gmünd gehabt haben, der Meister war vermutlich Jakob Woller († 1564)7.
Wolf von Rechberg war ein Sohn Ulrichs II. zu Hohenrechberg und Heuchlingen und der Anna von Venningen. 1506 und 1519 ist er als württembergischer Obervogt von Blaubeuren genannt8. Früher befand sich in der Donzdorfer Kirche auch ein Totenschild für Wolf von Rechberg (nr. 242 †).