Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 169 Adelberg-Kloster, ev. Kirche (ehem. Klosterkapelle St. Ulrich) 1500 (?)

Beschreibung

Bauinschrift. Außen am Turm über dem Westportal. Querrechteckige Tafel mit Hochrelief: in der Mitte eine hochrechteckige Inschrifttafel mit ursprünglich 10zeiliger Inschrift, – soweit noch erkennbar – an der Astgabelung eines Baumes hängend, links daneben ein stehender Heiliger (St. Ulrich) mit Mitra, Krummstab, Buch und Fisch, unter ihm ursprünglich ein kleines Wappen; rechts ein großer Schild unter einer Mitra, hinter dem Wappen ein senkrecht gestellter Krummstab (?). Roter Sandstein; figürliche Darstellungen und große Teile der Inschrift, v. a. im unteren Bereich, bis zur Unkenntlichkeit abgewittert; sandelt weiter ab.

Ergänzungen nach Crusius, Gabelkover und Rommel.

Maße: H. ca. 90, B. ca. 125, Bu. ca. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. Ann[o · d(omi)ni] · m · [. . .]a) / f[e]ria · secu(n)[d]a · pasc[hae] / [d](omi)n(u)s · Berchtold(us) · d[urr] / abbas · adelberge(n)sisb) / [p]osuit · hui(us) [capellaec) / p(ri)]m(um)d) · lapide(m)e) · su[b infula ac / alii]s vestim[entis cum solennitate congruis in praesentia sui conuentus et aliorum]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1(500) am Ostermontag hat Herr Berthold Dürr, Abt von Adelberg, zu dieser Kapelle den Grundstein gelegt, angetan mit der Mitra und anderen dem feierlichen Anlaß angemessenen Gewändern, in Gegenwart seines Konvents und anderer.

Datum: 20. April1.

Wappen:
Dillingen2, Dürr.

Kommentar

Die A-Initiale ragt nach links weit über den Schriftspiegel hinaus.

Berthold Dürr, wohl aus Zell am Aichelberg stammend, war von spätestens 1460 bis 1501 der vorletzte Abt von Adelberg vor der Aufhebung des Klosters3. Die erst unter seinem Nachfolger Leonhard Dürr vollendete Kapelle entstand an der Stelle eines Vorgängerbaus, der bislang den Einwohnern des benachbarten Dorfes Hundsholz (heute Adelberg) als Pfarrkirche (Filial von Lorch) gedient hatte. Die Diözesangrenze führte mitten durch die Klosteranlage: Während die mittelalterliche Klosterkirche zur Konstanzer Diözese gehörte, unterstand die Ulrichskapelle der Diözesangewalt des Augsburger Bischofs. Als Gegenleistung für die angestrebte Herauslegung von Gottesdienst und Friedhof aus den Klostermauern und somit für die Minderung der Einflußmöglichkeiten der Augsburger Kirche in die inneren Angelegenheiten des Klosters hatte dieses zuvor in Hundsholz eine neue Filialkirche errichten müssen, in der seither der Gottesdienst für die Bevölkerung der Umgebung gefeiert wurde4. Auch für die Hundsholzer Kapelle wurde der Grundstein an einem Ostermontag gelegt (vgl. nr. 118). Gegenüber der fast gleichlautenden Grundsteinlegungsinschrift dort fällt bei der vorliegenden der Zusatz des Pontifikalienpassus im Formular auf. Die Mitra als Abzeichen der infulierten, mit den Pontifikalien begabten Äbte wird nicht nur in der Inschrift erwähnt, sondern auch heraldisch ins Bild gesetzt. Bislang wurde in der Literatur die Pontifikalienverleihung für Adelberg „um 1440“ angesetzt5, ein Privileg ist aber offenbar nicht überliefert. Das Fehlen der Mitra noch im Wappen der Bauinschrift von 1490 wie auch in einer Darstellung des Abts und seines Wappens auf einem Holzschnitt im Adelberger Brevier, das 1490 im Auftrag Dürrs in Straßburg gedruckt wurde6, und andererseits die demonstrative Hervorhebung der Pontifikalien in Wort und Bild in der vorliegenden Inschrift spricht eher dafür, daß die Privilegierung der Adelberger Äbte erst im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts erfolgte7.

Textkritischer Apparat

  1. Nur noch 2 Hasten zu erkennen, danach noch Platz für etwa 2 Buchstaben. Da die zweite Haste bis auf die Grundlinie heruntergezogen ist, scheidet eine Lesung als d aus, am ehesten ist u zu lesen. Vielleicht ist – wie von Halbey 90f., erwogen – u. c . als Zahlenwert 500 zu ergänzen. Crusius, Chron. Suev. III 814 gibt die Zahl nur in arabischen Ziffern als 1500 wieder; ebenso Gabelkover.
  2. Danach in der Zeile noch Platz für 2 bis 3 Buchstaben, aber wohl kein Wort zu ergänzen.
  3. capellae Crusius, Romelius; ecclesiae Gabelkover.
  4. Vermutlich p mit übergeschriebenem i, dann m mit Kürzungsstrich. Bei der Lesung mu mit Kürzungsstrich müßte die erste Silbe pri noch am Ende der vorangehenden Zeile gestanden haben, was aber angesichts des dort zur Verfügung stehenden Raumes wenig wahrscheinlich ist.
  5. Halbey fügt danach ein: in h(onorem), doch sind zum einen die beiden folgenden Buchstaben noch recht deutlich als su zu identifizieren und ist zum anderen in der Zeile für die drei zusätzlichen Buchstaben kein Raum.

Anmerkungen

  1. Bei Auflösung der Jahresangabe als 1500.
  2. Schrägbalken, der Figur nach begleitet von 2 schreitenden Löwen. Beschreibung nach Müller, Kloster Adelberg 16f. Bischof Ulrich gehörte der Grafenfamilie der Hupaldinger an, die sich seit dem frühen 12. Jahrhundert Grafen von Dillingen nannten, daher die Beifügung des Wappens zu der Heiligenfigur. Noch 1784 befand sich innen an der Decke der Kapelle (?) ferner ein gemaltes Wappen der Grafen von Dillingen, vgl. Sattler, Top. Gesch. 563, auch Ziegler, Der Gründer Adelbergs 81.
  3. Zur Person ausführlich: Hummel, Berthold Dürr 46–67.
  4. Dazu vgl. ebd. 59f.: Urk.regesten Adelberg nrr. 495–497.
  5. So auch Norbert Backmund, Monasticon Praemonstratense. Id est historia circariarum atque canoniarum candidi et canonici ordinis Praemonstratensis I/1, Berolini Novi Eboraci 21983, 44: „an. 1442 fit abbatia, et quidem paulo post infulata”.
  6. Abb. in Hummel, Berthold Dürr 63 Abb. 26. Vgl. auch den Wappenstein nr. 105 ohne Mitra.
  7. Zwar kam es häufig vor, daß Äbte von den Pontifikalprivilegien keinen Gebrauch machten, vgl. Pierre Salmon, Mitra und Stab. Die Pontifikalinsignien im römischen Ritus, Mainz 1960, 39, doch greift dieses Argument in unserem Fall kaum, da ein derartiger Gesinnungswandel innerhalb der Amtszeit ein- und desselben Abts unwahrscheinlich ist. Zur feierlichen Grundsteinlegung einer Kirche als Pontifikalweihehandlung vgl. Philipp Hofmeister, Mitra und Stab der weltlichen Prälaten ohne bischöflichen Charakter (Kirchenrechtliche Abhandlungen 104), Stuttgart 1928, 105f.

Nachweise

  1. Crusius, Ann. Suev. III 814.
  2. Gabelkover (WLB, Cod. hist. O 16b) p. 324.
  3. Romelius, Adelberga illustre (HStAS, J1 Nr. 238) fol. 132r.
  4. Moser II 373.
  5. Schmid, Fußwanderung 22.
  6. Müller, Kloster Adelberg 16f.
  7. Illig, Geschichte von Göppingen u. Umgebung II 205 Anm. 1.
  8. Kirschmer, Chronik von Adelberg 46.
  9. Halbey 90f.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 169 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0016906.