Die Inschriften des Landkreises Göppingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 41: Göppingen (1996)
Nr. 122 Stuttgart, Staatsgalerie, Depot um 1490
Fotos vgl. Druckversion, Abb. 63 und 64. Für die Onlineversion wurde keine Fotopublikationsgenehmigung erteilt.
Beschreibung
Altarpredella aus der Zeitblom-Werkstatt. Vermutlich vom Retabelaltar der kath. Pfarrkirche St. Margareta in Hohenstadt1. Seit 1909 in der Staatsgalerie, Inv.-Nr. 1213. Lange querrechteckige Holztafel, bemalt und vergoldet. In der Mitte Kopf Christi, umgeben von einem verschlungenen Schriftband (A), links und rechts die Brustbilder bzw. Köpfe von je sechs Aposteln, teils mit ihren Attributen. Hintergrund und Nimben blattvergoldet, die Nimben der Apostel und der Kreuznimbus Christi mit in dem Goldgrund eingeprägten Umschriften (B). Bei einer Restaurierung 1938 wurden starke Übermalungen und Erneuerungen des Goldgrundes im Hintergrund beseitigt2. Dabei kam auf dem Schriftband (A) eine andere Inschrift mit abweichendem Wortlaut zum Vorschein3. Fehlstellen gekittet und retuschiert, am unteren Bildrand Ergänzung durch eine bis zu 3,5 cm breite Leiste.
Maße: H. 22,5, B. 167, Bu. 1,4 (A), 1,2–1,7 cm (B).
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
- A
Itea) in orbemb) vniuersum / et pre=//dicate ewangelium / omni / creaturec)4)
- B
(Sanct)us Bartholome(us)d)(Sanc)tus · simonSanctus · Matheus ·e)(Sanc)tus · Jacobus · min(or) Sanctus · Petrus ·e)(Sanc)tus ·e) MathiasJhesus Cristus(Sanctus) thoma(s)·e) Sanctus · Andereas · aposto(lus)(Sanc)tus · Matheas5)Sanctus · Johannes · Euang(elista)Judas tatdeu(s)Sanctus · Jacobus (· maior)
Übersetzung:
Geht hin in alle Welt und predigt meine frohe Botschaft allen Völkern.
Textkritischer Apparat
- Versal rot ausgezeichnet.
- in orbem ohne Worttrennung.
- Befund durch die Übermalung vor 1938: [E]xite inorbem vniversum / et predic[ate] // meum ewangelium / omnibus populis.
- Die runden Klammern zeigen im Folgenden nicht aufgelöste Abkürzungen an, sondern durch Überschneidung der Nimben verdeckte Textstellen.
- Blütenmotiv als Worttrenner bzw. als Platzfüller.
Anmerkungen
- Diese Herkunft wird durch eingehende Archivrecherchen von Kreisarchivar Walter Ziegler (vgl. schon: Gotik an Fils und Lauter 66) nahegelegt, deren Ergebnisse er mir uneigennützig zur Verfügung gestellt hat und die ich hier kurz referiere: Der Hohenstädter Altar, von dem sich noch heute drei Schreinfiguren (Muttergottes, hll. Margareta und Barbara) in der Pfarrkirche befinden, wurde vermutlich 1812/13 auseinandergenommen, als der neue Hochaltar aus der Wiesensteiger Schloßkapelle angeschafft und aufgestellt wurde. Das Kircheninventar von 1812/16 (Kath. PfA Hohenstadt, Bü 71) erwähnt ein „Abendmahl – ein sehr altes gutes Gemälde“, das Kircheninventar von 1834 (gleiche Sign.) ein „Abendmahl, ein sehr altes treffliches Gemähld“. Es muß sich dabei um dasselbe Gemälde handeln, das 1841/43 in Denkmale des Alterthums 66 und gleichlautend 1842 in OAB Geislingen 211 als „Gemälde aus der oberdeutschen Schule, vom Jahr 1490, auf Goldgrund, Jesus mit den Aposteln“ aufgeführt ist. Im Kircheninventar von 1842 (kath. PfA Hohenstadt, Inventarium zur Heiligenpflege 1842 VIII, fol. 21) wird das Bild wieder – entsprechend der lokalen Tradition – als „hl. Abendmahl“ gebucht. Ein späterer Eintrag vermerkt den Verkauf des Gemäldes 1863 an Karl Baur (Oberamtsarzt in Wiesensteig, † 1877). Zu unbekanntem Zeitpunkt vor 1877 muß die Tafel (durch Kauf?) in den Besitz von Karl Walcher, Rechtsanwalt in Stuttgart († 1906), gekommen sein. In diesem Jahr wurde sie in einer Ausstellung anläßlich des Ulmer Münsterjubiläums gezeigt, vgl. Senghaas, Bildwerke 94. 1887 veröffentlichte Walcher die Tafel zusammen mit den Altarflügeln des Drackensteiner Altars (nr. 119). Um den Zusammenhang der Predella mit den Drackensteiner Tafeln plausibel zu machen, berichtet Walcher – wenig glaubhaft –, er habe die Predella zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt in Drackenstein auf einem Baugerüst entdeckt und „gerettet“, wo sie als Gerüstbrett mit der bemalten Seite nach unten verwendet worden sei (Walcher, Bilder vom Hochaltar 1f.). Bereits Schmelzing und Wernstein, Geschichtl. Beiträge 6, bemerkte, daß die Predella mit den Drackensteiner Altartafeln „in keinerlei Zusammenhang“ stünde.
- Knappes Restaurierungsprotokoll von Karl Mayer in der Staatsgalerie Stuttgart. Für freundliche Auskünfte und Hilfestellung bei den Aufnahmearbeiten habe ich Frau Dr. Elsbeth Wiemann und Herrn Dr. Stefan Heinlein zu danken.
- Daraus erklären sich die Abweichungen meiner Transkription von der Abb. in Walcher, Bilder vom Hochaltar, nach S. 4 und in Gotik an Fils und Lauter 154 Abb. 78 (Bildvorlage von vor 1938). Die nach Walcher kaum mehr erkennbaren Schriftreste in den Nimben sind fast durchweg einwandfrei lesbar und bieten offenbar weitgehend (wieder) den ursprünglichen Befund. Die Übermalung dürfte seinerzeit von Baur oder Walcher veranlaßt worden sein.
- Nach Mc 16, 15.
- Da sowohl Matthäus als auch Matthias bereits auf der linken Tafelhälfte abgebildet sind – jeweils ohne Attribute –, ist dem Maler offensichtlich bei der Nimbenbeschriftung ein Fehler unterlaufen. Es muß sich hier um den ansonsten fehlenden Philippus handeln. Das Attribut, eine Lanze, ist freilich für diesen Apostel nur selten bezeugt, vgl. LCI 8 Sp. 200.
Nachweise
- Denkmale des Alterthums 66 (nur erwähnt).
- OAB Geislingen 211 (nur erwähnt).
- Walcher, Bilder vom Hochaltar 4 f. (m. Abb.).
- Senghaas, Bildwerke 94f. (Beschreibung nach Walcher).
- Gotik an Fils und Lauter 154 Abb. 78.
Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 122 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0012206.
Kommentar
Der Versal im Schriftband ist ein breites I der gotischen Majuskel mit kräftigem Nodus und weit ausladenden Sporen. Die sehr sorgfältig ausgeführten, in den Goldgrund in Konturschrift eingepreßten Nimbenumschriften verwenden zum Teil kunstvoll geformte, keinem bestimmten Alphabet zuweisbare Versalien, in zwei Fällen sind lediglich leicht vergrößerte Fraktur-Gemeine (b und p) als Versalien gesetzt. Als Worttrenner dienen paragraphförmig ausgezogene Quadrangeln. Die Darstellung und Gruppierung der Apostel weist große Ähnlichkeiten auf mit der ebenfalls in der Zeitblom-Werkstatt gefertigten Predella in der Adelberger Pfarrkirche (nr. 175).