Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 111 Gingen an der Fils, ev. Pfarrkirche (St. Johannes) 1485

Beschreibung

Wandmalereien. Innen an der Chordnordwand; 1964 aufgedeckt. Gemalte Sakramentsnischenumrahmung: gotische Turmarchitektur mit Christus als Schmerzensmann auf einer Säule, das Ganze vor einem von 7 Engeln gehaltenen teppichartigen Hintergrund; rechts oben Jahreszahl (I). Weiter westlich zwei Kirchenväter, ebenfalls in gemalter Scheinarchitektur, jeweils auf einer Konsole und unter einem wimperg- und fialenbesetzten Baldachin: links der hl. Hieronymus in Kardinalstracht, vor ihm ein kleiner steigender Löwe und ein mehrfach verschlungenes Schriftband (II); rechts der hl. Papst Gregor der Große mit Tiara, Kreuzstab und offenem Buch, links von ihm ebenfalls ein verschlungenes Schriftband (III). Die Schrift nur mehr stellenweise eindeutig zu entziffern, offenbar auch durch die Restaurierung verfälscht. An der Südwand gegenüber befinden sich zwei weitere gemalte Kirchenväterfiguren (Augustinus, Ambrosius), deren Inschriften aber völlig vergangen sind.

Maße: H. (Kirchenväterfiguren einschließl. Rahmung) ca. 230, Bu. 6–7 cm.

Schriftart(en): Arabische Ziffern (I), gotische Minuskel mit Versalien (II, III).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. I

    1485a)

  2. II

    G̣l(or)ịạb) v//a/lẹ(n)ṭịc) / tua · (ẹṭ)d) · pote(n)ciạe) · ọ(ṃṇ)ịụ(m)f) / est · / i(n)trareg) · r(e)g̣nạh) · / · / · / cẹlọrụ(ṃ)

  3. III

    C̣[.]ṣ[.]/ḍ[.]/sc̣tại) Sa/[.]ḷl[. . . . . .]k) / vt · / n(u)lli · i(n)ḥeṛẹạt / nisi · soli / deo

Übersetzung:

Durch deine gewaltige Herrlichkeit und deine Kraft ist es die Sache aller (?), in das Himmelreich zu gelangen. – (…), daß er keinem anhängt außer Gott allein.

Kommentar

Der schlechte Zustand der Inschriften erlaubt keine Aussagen zur Schriftausführung. Als Worttrenner sind offenbar kreuzförmig in eingerollte Zierlinien ausgezogene Quadrangeln verwendet.

Die Identifizierung der Inschriften – vermutlich Zitate aus den Schriften des hl. Hieronymus und Gregors des Großen – ist bislang nicht gelungen.

Die datierten Wandmalereien dürften den Abschluß des spätgotischen Chorumbaus markieren1. An der Außenwand des Chors waren im 19. Jahrhundert noch ein gemalter Ölberg, eine Kreuztragung und eine Kreuzigung mit der Jahreszahl 1493 zu sehen, die aber 1914 bereits nicht mehr vorhanden waren2.

Textkritischer Apparat

  1. Eckige, oben flache schlingenförmige 4; linksgewendete 5 aus verkürzter „oberhalber“ linker und langer rechter Haste, ein Verbundungsstrich ist nicht (mehr) erkennbar. Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 108 liest fälschlich 1487.
  2. Kein Kürzungszeichen erkennbar, Lesung sehr unsicher. Versal möglicherweise ein C oder Q.
  3. Besonders der vierte Buchstabe ist durch irritierende Übermalung verunklärt. Hinter der letzten Haste (i?), vom Knick des Schriftbands verdeckt, vielleicht noch ein weiterer Buchstabe.
  4. Tironisches et-Kürzel, vielleicht auch ein i mit Kürzungsstrich?
  5. o verfälscht, linke Haste des a fehlt.
  6. Eindeutig nur mehr 5 Hasten zu erkennen, von denen die ersten beiden oben durch einen Balken verbunden sind; die unteren Hastenenden sind vom Knick des Schriftbands verdeckt.
  7. Über dem i kein Kürzungsstrich.
  8. Letzter Buchstabe vielleicht auch u mit Kürzungsstrich: r(e)gnu(m).
  9. Vielleicht s(an)cta?
  10. Nach l 5 kurze Hasten, danach Schrift völlig zerstört, schließlich drei nicht deutbare Schriftreste, offenbar durch die Restaurierung verfälscht.

Anmerkungen

  1. Vgl. nr. 76. Das Langhaus wurde erst Anfang des 16. Jahrhunderts fertiggestellt. An der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs befand sich früher eine (eingehauene oder aufgemalte?) Jahreszahl 1512, vgl. Klemm, die älteste Kircheninschrift 56; Keppler 115; Kdm Geislingen 121.
  2. Wollaib, Par. Ulm. 412; Klemm, Die älteste Kircheninschrift 56; Keppler 115; Kdm Geislingen 122, Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 108.

Nachweise

  1. Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 108, Abb. 55f.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 111 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0011103.