Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 37 Gruibingen, ev. Pfarrkirche (St. Martin) 1417 (?), 1. H. 15. Jh.

Beschreibung

Wandmalereien und Ritzinschrift. An der Langhaus-Nordwand und im Chor, teilweise ältere Wandgemälde (nr. 16) überdeckend; zusammen mit diesen 1975 aufgedeckt und restauriert. I. Im Langhaus Reste eines Schöpfungs- und eines Passionszyklus, in drei Bildstreifen übereinander angeordnet; als oberer Abschluß ein bunter Diamantfries. Erhaltene Bilder in der oberen Reihe: Sündenfall, Vertreibung aus dem Paradies; in der mittleren Reihe endet der Schöpfungszyklus mit einer Darstellung des trunkenen Noah, direkt anschließend beginnt der Passionszyklus mit der Ölbergszene; in der unteren Reihe Kreuztragung und Kreuzigung; weitere Bildfelder wurden durch Fenstereinbrüche weitgehend zerstört, noch erkennbar sind im mittleren Register die Verurteilung Christi, unten die Grablegung und Auferstehung1. Im Rahmenstreifen zwischen je zwei Bildern der mittleren und der unteren Reihe ist eine Fertigungsinschrift aufgemalt; Bildbeischriften sind nicht erhalten. II. An den drei Chorschlußwänden in einer Reihe nebeneinander fünf erhaltene Bilder: drei Versuchungsszenen, der hl. Georg als Drachentöter und der hl. Martin bei der Mantelteilung, gleichzeitig mit den Malereien im Langhaus entstanden, ohne Inschriften.

Maße: Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

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III. Im Martinsbild wurde zu unbekanntem Zeitpunkt im 15. Jahrhundert in Augenhöhe rechts unterhalb der Gestalt des Bettlers eine sorgfältig in Konturschrift eingeritzte Inschrift angebracht und links darunter ein Kopf (mit Lilienkreuznimbus?) eingeritzt.

Maße: Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. maria

Charakteristische Merkmale der gemalten Schrift sind die langen, unter die Grundlinie reichenden und dort nach rechts umgebogenen Abstriche am rechten Fortsatz des g, an der Fahne des r und am Balken des t. Entsprechend ist an die obere Brechung der linken, etwas schräggestellten Haste des v ein Abstrich angehängt, der aber noch vor Erreichen der Grundlinie umbiegt. Die Worttrenner-Quadrangeln mit Anstrich und rechts ansetzendem Aufstrich nehmen gelegentlich bei flüchtiger Ausführung Wellenform an. Genau dieselbe Schrift, dazu fast dieselbe Formulierung zeigt die Fertigungsinschrift der Wandmalereien von 1421 in Zell u. A. (nr. 39), die demnach mit Sicherheit vom selben Maler geschaffen wurden. Die Lesung der Fertigungsinschrift stellt sicher, daß die neuerliche Langhaus- und Chorausmalung früher als zuletzt angenommen („etwa um 1430“)3 erfolgte.

Unklar ist die Funktion der eingeritzten Marieninschrift im Chor. Die bemerkenswert sorgfältige Ausführung in Konturschrift – als i-Punkt ist ein halbkreisförmiger Haken gesetzt – und die Größe der Buchstaben unterscheidet sie von flüchtigen Kritzelinschriften, wie sie öfters zu beobachten sind.

Textkritischer Apparat

  1. Analog zur Inschrift in Zell u. A. (nr. 39) ist wohl zu ergänzen: [Dies] w[ard].
  2. Rechte Buchstabenhälfte durch Restaurierung verfälscht, linke Hälfte nicht vollständig erhalten. Die durchstrichene Mittelhaste läßt vermuten, daß das Zahlzeichen entsprechend der Zeller Inschrift als symmetrisches unziales M mit entsprechender Mittelschaftgestaltung ausgeführt war.

Anmerkungen

  1. Genauere Beschreibung bei Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 111.
  2. Die Lanze eines Soldaten, die aus dem Kreuztragungsbild herausragt, deutet mit der Spitze wohl nicht zufällig auf den Beginn der Jahreszahl.
  3. Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 111.

Nachweise

  1. Conz, Martinskirche 21–23.
  2. Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 58, 111, Abb. 33 u. 11.
  3. Conz, in: Gruibinger Heimatbuch 226, 223 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 37 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0003702.