Die Inschriften des Landkreises Göppingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 41: Göppingen (1996)
Nr. 457 Treffelhausen (Gde. Böhmenkirch), kath. Pfarrkirche St. Vitus 1626
Beschreibung
Glocke des lothringischen Wandergießers François Racle (Arcle). Im Turm; aus der 1859 abgebrannten Kirche in den neugotischen Neubau von 1865/66 übernommen. 4zeilige Schulterinschrift, oben von einem Friesband aus gleichartigen rechteckigen Plaketten (Engelskopf), unten von einem Friesband aus rankenverzierten Dreiecken über zwei glatten Stegen gerahmt. Auf der Flanke, direkt unter dem Friesband angefügt, zwei Allianzwappen, ein Oval mit Marien-Monogramm, ein Kopf (Christi?, unscharf gegossen), eine Plakette mit Kreuzigungsgruppe, erneut der Kopf und schließlich ein Oval mit Christus-Monogramm.
Maße: H. (o. Krone) 76, Dm. 96, Bu. ca. 1,2 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
+ S + VITVS · PATRONVS · EC(C)L(E)SIAE + ET + S + BARBARA · ORENT PRO NOBIS · VEIT + ERNST · FREYHER · VON · RECHBERG · VON HOCHEN / + RECHBERG · HER · ZVE · WEISSENSTAIN + KELLMINZ + CRONBVRG + VND + OSTERBERG + ROM(ISCH) + KAY(SERLICHER) · MAY(ESTAET) · RATH AVCH F(VERSTLICH)E(R) · D(VRC)HL(AVCH)T LEOPOLDI · FRZHER(Z)OGENSa) ZVE · OSTEREICH1) · RATH · VND · CAMERER et · BARBARA · FREYFRAV · VON RECHBERG · GEBORNE · VON · GEMINGEN · / · FRANCISCVS ARCLE · LOTTHARINGVS · ME FECIT · ANNO · DOMINI · MDCXXVI · HANS DIERER CHELTHAISb) TOMMA LVEY IRIGc) HOLG BAIDEN PFLEGRE
Übersetzung:
Der hl. Veit, Patron der Kirche, und die hl. Barbara mögen für uns beten. - François Arcle (Racle) aus Lothringen hat mich gemacht im Jahre 1626.
Rechberg, Gemmingen. |
Textkritischer Apparat
- So statt ERZHERZOGENS.
- So statt SCHVLTHAIS.
- So für IÖRG.
Anmerkungen
- Ehz. Leopold V. (1586–1632), 1598 Koadjutor, ab 1605 Bischof von Passau, 1599 Koadjutor, ab 1607 Bischof von Straßburg, 1614 Abt von Murbach, 1619 Regent und nach der Resignation der geistlichen Würden 1625 Landesherr in Tirol und Vorarlberg.
- Vgl. Dt. Glockenatlas WürttHohenzollern 86f. u. 645 (Register).
- Alle Angaben nach Stammtaf. d. mediatisierten Häuser 17 Taf. 2, 5, 7, 9.
Nachweise
- Kdm Geislingen 157 (Text unvollständig).
- Dt. Glockenatlas WürttHohenzollern nr. 695.
- Lang/Oßwald, Böhmenkirch I 175f. (m. Abb.).
Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 457 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0045704.
Kommentar
Alle N sind spiegelverkehrt gegossen. Als – nicht konsequent gesetzte – Worttrenner dienen Kreuze und Rosetten in unregelmäßigem Wechsel. François Racle, der erste der im württembergischen Raum tätigen lothringischen Wandergießer, hat zwischen 1624 und 1631 eine ganze Reihe von Glocken im Gebiet der heutigen Landkreise Böblingen, Rems-Murr-Kreis, Ostalbkreis und Tübingen sowie im Hohenzollernschen gegossen2. Im Bearbeitungsgebiet ist neben der Treffelhäuser Glocke keine weitere dieses Gießers bekannt.
Ortsherrschaft und Kirchensatz lagen seit dem 14. Jahrhundert bei den Rechbergern. Veit Ernst I. von Rechberg gehört der Hauptlinie zu Illereichen an, die sich im frühen 15. Jahrhundert von der Linie zu Staufeneck abgespalten und sich ihrerseits gegen Ende des 15. Jahrhunderts verzweigt hatte. Aus der damals gestifteten Seitenlinie zu Kronburg stammte sein Großvater Christoph († 1584), der wiederum einen neuen Zweig der Familie zu Osterberg stiftete, der mit Veit Ernsts Vater Bero I. († 1623) 1601 den Reichsfreiherrenstand erhielt. Neben den kaiserlichen und erzherzoglich österreichischen Ämtern, die in der Inschrift aufgezählt sind, wurde Veit Ernst Landvogt von Burgau und Hofmarschall der Erzherzogin Claudia. Er starb 1671. Seine erste Frau Barbara (heir. 1616) war die Tochter Hans Diepolds von Gemmingen zu Heimsheim und der Barbara von Venningen. Nach ihrem Tod 1638 heiratete der Rechberger in zweiter und dritter Ehe zwei Gräfinnen Fugger, worin deutlich sein politischer und sozialer Aufstieg zum Ausdruck kommt3.