Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 436 Winzingen (Stadt Donzdorf), kath. Pfarrkirche St. Sebastian und Rochus 1619, (1628 ?)

Beschreibung

Emporenstützen mit eingeschnitzter Jahreszahl und Jesus- und Marienmonogramm. Die Westempore liegt auf einem Durchzugbalken auf, der von zwei achteckigen Holzpfeilern gestützt wird. Beide Pfeiler sind oben ins Viereck übergeführt und haben links und rechts angestückte Bogenzwickel, die die Auflagefläche des Balkens vergrößern. Auf der Ostseite sind in diese vier Bogenzwickel die Ziffern der Jahreszahl eingeschnitzt (A), die südliche Stütze trägt das Jesus-, die nördliche das Marienmonogramm (B, C). Mit blaßgelber Ölfarbe gestrichen, die Schrift schwarz nachgezogen.

Maße: H. 295, B. (jeder Pfeiler, jeweils mit Zwickeln) ca. 95, T. 27, Zi. 6,5–11 (A), Bu. 15 (B), 12 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A

    · 1 // 6 · // · 1 // · 9a)

  2. B

    IE(SU)Sb)

  3. C

    M(A)R(I)A

Kommentar

A hat einen geknickten Mittelbalken, der Mittelteil des M ist extrem kurz. Die Jahreszahl, die sich noch einmal auf der untersten Putzschicht des Turmes findet, markiert den Neubau der Kirche unter dem damaligen Winzinger Ortsherrn Joachim Berthold von Roth1. Jesus- und Marienmonogramm fanden in den konfessionellen Auseinandersetzungen der Gegenreformation als Symbole des Katholizismus reiche Verwendung2. Daher ist die Anbringung dieser Inschriften vielleicht nicht zusammen mit der Jahreszahl, sondern erst später erfolgt, als die vorübergehend von dem ulmischen Hauptmann Roth erzwungene Annahme der lutherischen Konfession unter bubenhofenscher Ortsherrschaft (seit 1621, endgültig seit 1628) rückgängig gemacht wurde (vgl. nr. 468). Roth ist freilich selbst erst im Mai 1620 nach langen Auseinandersetzungen mit der katholischen Amtskirche zum protestantischen Glauben übergetreten. Da sich die Inbesitznahme des Ortes durch die Herren von Bubenhofen noch bis 1628 hinzog und in der Zwischenzeit protestantische Beamte im Auftrag des Herzogs von Württemberg, dem Roth den Ort widerrechtlich zu Lehen aufgetragen hatte, Winzingen weiterverwalteten3, wird man nicht fehlgehen, die demonstrative Anbringung der Monogramme – so sie denn tatsächlich erst nachträglich eingesetzt wurden – ins Jahr 1628 oder wenig später zu datieren.

Textkritischer Apparat

  1. Es folgen drei schräg übereinandergesetzte Quadrangeln und ein Winkelhaken, der die beiden äußeren Quadrangeln miteinander verbindet.
  2. Als „griechisches“ nomen sacrum IHS; der Balken des H mit einem Hochkreuz besetzt, darunter drei fächerweise gestellte Nägel. Die Köpfe der beiden äußeren Nägel laufen mit den unteren Hastenenden des H zusammen.

Anmerkungen

  1. Schahl, Die Bau- und Kunstwerke von Donzdorf 98, weist mit Recht darauf hin, daß die Kirchweihe von 1694 „einem Umbau oder teilweisen Neubau gegolten“ habe, der eigentliche Neubau aber 1619 anzusetzen sei. Baumeister war Anton Sera, vgl. Bernardin Schellenberger, Die berühmt-berüchtigte Regierungszeit des Joachim Berchthold von Roth in Winzingen (1607–1621), in: Hohenstaufen/Helfenstein 4 (1994) 67–124, hier: 79.
  2. Ausführlich zuletzt zur Morphologie und Interpretation der Jesus- und Marienmonogramme: Gianpaolo u. Paolo Bolzani, Iscrizioni devozionali a Ravenna. Dal quindicesimo al ventesimo secolo, Ravenna 1990, bes. 34–83. – Peter Zimmermann, „In hoc signo“. Symbole und Kürzel auf Essener Hausbalken, in: Das Münster am Hellweg. Mitt.bl. d. Vereins für d. Erhaltung d. Essener Münsters 42 (1989) 46–57.
  3. Vgl. Gaier, Bubenhofen 39f. Zuletzt eingehende Darstellung der Vorgänge bei Schellenberger, Winzingen 72–154; vgl. auch ders., Regierungszeit (wie Anm. 1) passim.

Nachweise

  1. Schahl, Die Bau- und Kunstwerke von Donzdorf 98.
  2. Schellenberger, Winzingen 92f. (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 436 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0043605.