Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 426 Göppingen, ev. Stadtkirche (1618)

Beschreibung

Zwei Portale mit Wappen, Nameninschrift und Devise des Herzogs Johann Friedrich von Württemberg und seiner Frau Barbara Sophia geborene Markgräfin von Brandenburg.

I. Rundbogenportal an der Südostseite. Ädikulaumrahmung: im gesprengten Giebel zwei skulptierte Vollwappen mit je drei Helmen, im Architrav eingehauene Nameninschrift, darunter in der Mitte über dem Bogenschlußstein Stz. nr. 10; auf den beiden Kapitellen der Säulen, die den Architrav stützen, jeweils Stz. nr. 11. Roter Sandstein; Kapitelle verwittert, Wappen 1968 durch Kopien ersetzt (Originale im Städt. Museum im „Storchen“); Schriftgrund schwarz bemalt, die eingehauene Inschrift mit gelber Farbe nachgezogen. Die Schriftformen deuten ohne Zweifel darauf hin, daß der Architrav mit der Inschrift im 19. oder frühen 20. Jahrhundert erneuert wurde ohne Rücksicht auf den ursprünglichen Schriftbefund1.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

Maße: H. 575, B. 413, Bu. ca. 6 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. JOHANN FRJDERJCH, H(ERZOG) Z(U) WJRTEMB(ERG)  BARBARA SOPHJA MARG(RÄFIN) Z(U) BRA(NDENBURG)a)

 
Wappen
Württemberg2, Brandenburg3.

II. Rundbogenportal an der Nordostseite. Ädikulaumrahmung wie Portal I; im gesprengten Giebel gerahmte Schrifttafel (A) unter weit vorkragendem Sims; im Architrav einzeilig eingehauener Bibelspruch (B), darunter in der Mitte 2zeilige Steinmetzsignatur (C); auf den beiden Säulenkapitellen jeweils Stz. nr. 11. Roter Sandstein; Schriftgrund der Inschriften (A, B) schwarz, Schrift gelb nachgezogen.

Maße: H. ca. 570, B. 412, Bu. ca. 7 (A)4, 5,5 (B), 5 bzw. 3 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    VERBVM DO=/MINI MANET / IN AETERNVM5)

  2. B

    INTROIBO · IN · DOMVM · TVA(M) · ADORABO · AD · TEMPLVM · SANCTV(M) · TVVM · PS(ALM): Vb) ·6)

  3. C

    M(elchior) · G(ockheler) · (Stz. nr. 12) · V(on) · S(chorndorf) · / STAINMETZ ·

Übersetzung:

Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit. – Ich will in dein Haus eintreten und anbeten bei deinem heiligen Tempel.

Zum Bau der Göppinger Stadtkirche vgl. nr. 422. – Die noch original erhaltenen Kapitalisinschriften am Nordostportal sind von dem Schorndorfer Steinmetzen Melchior Gockheler (1576–1636) eigenhändig ausgeführt. Seine Schrift zeichnet sich durch eine äußerst sorgfältige Raumaufteilung und Ausarbeitung der Einzelbuchstaben mit deutlichen Linksschrägenverstärkungen und ausgeprägtem Gegensatz von Haar- und Schattenstrichen aus. Der Mittelteil des M erreicht die Grundlinie nicht ganz, R hat eine gewellte Cauda7. Für die von seinem Gesellen gefertigten Wappen am Südostportal erhielt Gockheler 40 fl, für die beiden Kapitelle 16 fl8.

Textkritischer Apparat

  1. Alle Kürzungen durch Punkt auf der Grundlinie, wohl kaum ursprünglich.
  2. Zahlzeichen V überstrichen.

Anmerkungen

  1. Unmöglich für das 17. Jahrhundert sind vor allem die langen senkrechten Serifen an Balken- und Bogenenden und J mit punktförmig verdicktem Bogenende.
  2. Quadriert: Württemberg, Teck, Reichssturmfahne, Mömpelgard; Helmzier von rechts nach links: Württemberg, Mömpelgard, Teck.
  3. Zweimal gespalten und fünfmal geteilt, Felder 5 und 8 von Herzschild (Brandenburg) überdeckt, springende Rangfolge: 2. Preußen, 1. Burggrafschaft Nürnberg, 3. Stettin, 4. Crossen, 6. Pommern, 7. Cassuben, 9. Wenden, 11. Gützkow, 10. Neu-Stargard, 12. Barth, 14. Wolgast, 13. Usedom, 15. Rügen, 17. Jägerndorf, 16. Zollern, 18. Ruppin; Helmzier: Mitte Brandenburg, rechts Burggrafschaft Nürnberg, links Pommern.
  4. Vergrößerter Anfangsbuchstabe ca. 10,5 cm.
  5. 1 Petr 1, 25. Zur Devise vgl. nr. 421.
  6. Ps 5, 8.
  7. Eine Kapitalis mit schmaleren Proportionen verwendete Gockheler an zwei Schorndorfer Denkmälern: DI 37 (Rems-Murr-Kreis) nrr. 252, 261.
  8. Klemm, Baumeister 186f.

Nachweise

  1. Klemm, Baumeister 187.
  2. Baum, Schickhardt 150.
  3. Kdm. Göppingen 23 (m. Abb. 6, 7).
  4. Kirschmer, Geschichte der Stadt Göppingen I 170.
  5. Fritz Abele, Melchior Gockheler 1576–1636. Ein Schorndorfer Meister der Bildhauerkunst, in: Heimatbuch für Schorndorf u. Umgebung 4 (1961) 63–73, hier: 67–69 (m. Abb.).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 426 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0042609.