Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 412† Geislingen an der Steige, ehem. Spitalkirche St. Leonhard 1615, 1616

Beschreibung

Wandinschriften: Bibelsprüche, zum Teil versifiziert, Stiftungsinschrift, Wappenbeischriften. Beim Abbruch der Kirche 1843 zerstört. Innen über der Tür Gemälde des Kirchenpatrons, gegenüber – vermutlich am Chorbogen – Darstellung des Jüngsten Gerichts, darunter Bibelsprüche (A)1; im Chor über der Sakristeitür und zwischen Kanzel und Sakramentshaus sechs Bibelsprüche (B), deren Anordnung nicht überliefert ist, ferner 2-spaltige Bauinschrift (C), Gedenkverse auf eine Teuerung (D) und unter diesen eine 5-strophige (?) Reiminschrift (E); ringsum im Chor Wandgemälde mit Darstellung der 12 Apostel und ihrer Symbole; an der Holzdecke („am Täffer“) Abzeichen des Spitals („dreyfach . . . Creütz“) und Taube des Hl. Geistes, umgeben von vier Wappen (im Uhrzeigersinn aufgeführt) mit Überschriften (F).

Beschreibung und Wortlaut nach Wollaib2.

  1. A

    Kommet her ihr gesegneten meines Vatters ererbet das Reich daß eüch bereitet ist von anbeging der welt. Matth. 25. v. 34.

    Gehet hin ihr verfluchten von mir in das ewige Feür daß bereitet ist dem Teüffel und seinen engeln. Matth. c. 25. v. 41.

  2. B

    MATTHAEI. 21.3)Bey Sanct Lucae steht geschriebender Herr Christus hab außtriebenJm Tempel zu JerusalemMit einer Geysel die JudenWegen Geitzs und AbgöttereyWelche sie trieben frech und freySolchs ob es wol d’ Juden verdroßSo kompt der Kinder Lob doch großDem H(errn) Christo zur HerrlichkeitWie auch der Menschen Seeligkeit

    MARCI. 11.4)Ein gleichen Stand gwint diese KirchDrumb haben viel bemühet sichDöß Pabsts Götzen zu verEhrenwölchß Gottes Eyffer jetzt thut wehrnUnd das zu Ehrn seines NahmensDomit das Volck hie kom zusamnZu hören sein seliges WortWie auch in leben hie und dortJn Freüd und Ewiger SeligkeitDie Gott den Glaubigen bereit

    LUCAE 21. Cap.5)Drum sucht und hört mit fleiß das WortRuofft darbey Gott an in der NotVnd dienet Jhm auß wahrem GlaubenJn Gottesforcht mit eüern GabenDo werd ihr gleich den Kindern seynDie S hosianna singen feinWider der Heüchler Art und WeißZu Ehren Christi Lob und PreißJene ihr Straff zu gwarten hanUnd die Frommen ewigen Lohn. M(agister) Daniel Waliser

    JOHANNIS 5. Cap.6)Suchet in der Schrifft den ihr meynet Jhr habt das Ewige Leben drinnen und sy ists die von mir zeyget vnd ihr wolt nicht zu mir komen daß Jr das Leben haben möchtet

    MATTHAEI. 11. Cap.7)Drum kommet her zu mir alle die ihr Mühseelig und beladen seyd Jch will eüch erquicken. Nemet auff eüch mein Joch und lernet von Mir den Jch bin sanfftmühtig und von Hertzen demühtig so werdet ihr Ruhe finden für eüere Seele denn Mein Joch ist sanfft und meine Last ist leicht

    JOHANNIS 3. Cap.8)Denn also hat Gott die Welt geliebt daß Er seinen Eingebornen Sohn gab auff das alle die an Jhn glauben nicht verlohren werden sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesant in die Welt daß er die Welt richte sondern daß die Welt durch Jhn seelig werde. Wer an Jhn glaubet der wird nicht gerichtet. Wer aber nicht glaubet der ist schon gerichtet den er glaübet nicht an den Nahmen deß Eingebornen Sohns Gottes

  3. C

    Gott Lob und Danck vollendet istDer Kirchen Bau zu dieser fristAlß man Sechzehen hundert JarUnd Sechzehnen auch zehlet darVntern Vogt Gerg Valtin Lämlenvnd Pflegern Hannß Ulrich KrafftenNeben Pfarrern und Helffern doDaniel Wallser, Hannß Roth LéoAuch Hannßen Braun, Gerg WeckherleinUnd Balthas Veilman von der GmeinBeed obgemelte Richter warnAll drey kein Vleiß thetens sparnAn befohlner Spital PflegschafftBiß diß gantz werck wurd außgemacht //Stattschreiber Jacob WidenmannFindt sich darbey ein trewer GspanGerg Ulmer auch zu dieser FrystSpital Meister gewesen istDoch Vleiß eüver9) zue Gottes wortWürt mehr aber zieren diß OrtWan drinn hoch nider kompt zusamnMit anruef Gottes heiligen NamenDaß Gott darinn sein reine LehrErhalt zu seines Namens EhrMit deß Spitals benedeyhungDaß es genießen Alt und JungDanckbar im Frieden Christlich lebnAuf daß wir all dort selig werdn. AmenM(agister) Daniel Wallser F(ecit)

  4. D

    Jn letzten Zeiten Christus sprichtWird theürung seyn wie iezund istJn diesem 1000. 600 vnd 15. JarDa dise Kirch erneüert wardDie Winter-Frucht fast gar verdarbNicht viel in Schwaben und Bayrland warDoher namm Theürung yberhandDaß man fieret auß fremdem LandDas Viertel Kern vf 25 batzenJn kurtzer Zeit thett man es schätzenVf acht und Neün batzen runderDaß war von Gott ein groß wunderDafür wir Jm zu dancken habnMit bit, er pleib bey uns in Gnaden

  5. E

    Weil Gottes Wort und Luthers LehrVergehn nur oder nimmermehr10)Sonder Gotts Wort eine Krafft istSelig zu machen zu der FristAllso daran vest glauben thunWie Paullus der Apostel schonBezeügen thut ann einem OrtSeiner geistreichen Schrifft dort11)Do soll ja kein glaubiger ChristWeß Stands und Würd er auch istSich deßen schamen vor der WeltDie Gottes Wort für schlecht nur heltSonder mit Mund und Hertz ohn scheüZum selben sich bekennen freyBleiben durch Gotts gnad auch dabeyDaß er der jenig einer seyDenen die Cron deß lebens geben12)Wird dorten im Ewigen lebenJohannes Leo Roths / Derzeit Helffer zu Geyßlingen

  6. F

    16 Vlm 15 / Geißlingen / Jerg Valintin Lämlen Vogt / Hannß Ulrich Krafft Pfleger

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Wappen:
Ulm, Geislingen, Lämmlin von Thalheim, Krafft.

Kommentar

Die Nennung der Amtsträger in (C) beschränkt sich auf die Personen, die von Amts wegen für das Spital verantwortlich waren: voran stehen Vogt und Pfleger als Repräsentanten der Obrigkeit, Pfarrer und Helfer für die geistliche Betreuung. Das Geislinger Spital13 wurde von einem Spitalmeister verwaltet, der durch Vogt und Gericht vereidigt war und wöchentlich der Spitalpflegschaft Rechenschaft schuldig war. Die Aufsicht führende Pflegschaft setzte sich aus zwei Mitgliedern des Gerichts und seit 1516 einem dritten Pfleger aus der Gemeinde zusammen14. Zur Nennung von Kornpreisen in Inschriften vgl. nr. 445.

Anmerkungen

  1. Der üblichen Bildanordnung entsprechend stand wahrscheinlich der erste Spruch auf der linken, der zweite auf der rechten Seite.
  2. Vgl. auch Haid 645: „Die von Walliser und Roth darinnen befindlichen Verse lehren die Geschichte der Erbauung.“
  3. Mt 21, 12–15. Wollaib hat offenbar die Überschriften des Matthäus- und des Lukaszitats versehentlich vertauscht, vgl. Anm. 5.
  4. Mk 11, 15–17.
  5. Lk 19, 45–46. Der 5. und 6. Vers passen besser zu Mt 21, 15, vgl. Anm. 3.
  6. Joh 5, 39–40.
  7. Mt 11, 28–30.
  8. Joh 3, 16–18.
  9. Eifer.
  10. Vgl. nr. 433 mit Anm. 1.
  11. Vgl. Röm 1, 16.
  12. gegeben.
  13. Vgl. Burkhardt, 600 Jahre Geislinger Spital, in: GMGU 13 (1952) 26–28.
  14. Zu Georg Valentin Lämmlin, Hans Ulricht Krafft und Hans Leo Roth vgl. Register 2. Hans Braun war seit 1592/93 (nach Klemm, Gang durch die Reihen 117: 1590–1618) Richter, Jörg Weckherlin seit 1597/98 (vgl. nr. 393 †).

Nachweise

  1. Wollaib, Par. Ulm. 401–404.
  2. Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 108.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 412† (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0041205.