Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 321† Kuchen, ev. Pfarrkirche (St. Jakob) um 1586

Beschreibung

Wand- und Gewölbemalereien mit Inschriften. In Chor und Langhaus; vermutlich alle gleichzeitig – nach der Datierung im Chorgewölbe 1586 – entstanden.

Beschreibung und Wortlaut nach Wollaib.

A. In den vier Gewölbekappen des Chors die vier Evangelisten mit Namenbeischriften (nicht im Wortlaut überliefert), über der Gestalt des Markus Jahreszahl mit Initialen:

  1. W(endelin). K(ramer). W(allerthum). / 1586. / M(ichael). R(össle). A(mtmann).

B. An der Chorostwand eine dem Bogenverlauf von der nördlichen zur südlichen Ecke folgende Inschrift:

  1. Jesus Christus ward gleich wie ein Mensch und an Geberden alß ein Mensch erfunden. Ernidriget sich selbst und ward gehorsam biß zum Tod, ja zum Tode am Creütz. Phil. 2.1)

C. Bibelspruch über dem Fenster:

  1. Amos. 3. v. 7. Der Herr thut nichts, er offenbare den sein Geheimnus den Propheten.

D. Beiderseits des Fensters je zwei biblische Gestalten (links David und Hosea, rechts Jesaja und Petrus) mit Namenbeischriften (?) und Bibelsprüchen, bei den oberen Figuren jeweils über, bei den unteren jeweils neben dem Bild:

  1. König David Sie haben meine Hände und Füße durchgraben. Jch möcht all meine Gebeine zehlen. Psalm. 22. v. 17. 18.

    Oseas Propheta Jsraël bringet sich in Unglück. Aber Jch will sie erlösen auß der Höllen und vom Tod erretten. Oseae. 13. cap. v. 9. 14.

    Esaias Esa. 53. v. 6.2) Er ist umb unser Mißethat willen verwundet und umb unser Sünde willen zuschlagen.

    S. Petrus Apostolus 1. Actor. 10. v. 43. Von Jhme Jesu zeügen alle Propheten daß durch seinen Nahmen alle die an ihn glauben vergebung der Sünden empfahen sollen.

E. An der Chornordwand ebenfalls eine von einer zur anderen Ecke im Bogen umlaufende Inschrift:

  1. Da aber die Zeit erfüllet ward sante Gott seinen Sohn gebohren von eine(m) weibe und unter daß Gesätz gethan auff daß Er die so unter dem Gesetz waren erlösete daß wir die Kindschafft empfiengen. Gal. 4.3)

F. Von Inschrift (E) eingerahmt vier Bilder aus dem Marienleben, jeweils mit versifizierten Unterschriften, oben links englischer Gruß:

  1. Der Engel Gabriel grüst Mariam schon Verkündet daß sie soll gebehren einen Sohn Welcher solt seyn der gantzen Welt ein Herr Und deß Menschlichen Geschlechts ein Erlöser4) Aliger ad Mariam juvenis divinitus inquit En paries Christum virgo pudica Deum

Oben rechts Christi Geburt:

  1. Die Geburt Christi wird offenbar Den Hirten durch der Engel Schar Zu Bethlehem Christ wird gebohren Von einer Jungfau außerkohren En jacet in paleis sub inani et paupere tecto Salvator Mariae filius atq(ue) Dei5)

Unten links Beschneidung Christi:

  1. Und da acht Tag umbwar geschwind Daß da beschnitten war daß Kind Da ward sein Nahm Jesus genant Von dem Engel vormals unbekant6) Seminis et pacis confirmat foedera Christus Praecisus veteris legis honore puer

Unten rechts Anbetung Christi:

  1. Der Stern die Weisen führt zum Herren Den sie mit ihren Gaben vermehren Alß weyrauch Myrrhen und rotem Gold Anzuzeigen daß Er sey Mensch und Gott7) Aurea nascenti funderunta) munera Regi Thura dedereb) Deo Myrrham tribuere sepulto

G. Auch an der Chorsüdwand im Bogen umlaufender Bibelspruch:

  1. Christus weißagete: Es wird alles vollendet werden daß geschrieben ist durch die Propheten von deß Menschen Sohn den Er wird überantwortet werden den Heyden und er wird verspottet und geschmähet und verspeiet werden und sie werden ihn geißlen und tödten und am dritten Tage wird er wider aufferstehen. Matth. 26. Luc. 18.8)

H. Im Bogenfeld der Chorsüdwand ganz oben Gottvater, darunter Inschrift:

  1. Deß Weibes Saamen wird der Schlangen den Kopff zertretten9)

I. Unter (H) 17 Passionsszenen, wohl ohne Inschriften; unter dem Zyklus über der Sakristeitüre drei Vierzeiler, 2:1 angeordnetc):

  1. Du Ehren König Jesu Christ Der Du am Creütz gestorben bist Schenck mir Herr dein Gerechtigkeit Dem Tod stärck mich in ewigkeit

    Mein Seel und Leib befehl ich dir Daß ewig Leben schencke mir Dahin helff mir dein Paßion Dir danck ich für die Him(m)els Cron

    Erfüll an mir dein werdes Wort Auff Erden und im Him(m)el dort Welchem ich doch allzeit geglaubt hab Und mich nit darvon ließ schröcken ab Amen

K. In der südlichen Laibung des Chorbogens (?) gemalte Gestalt des Ezechias mit Unterschrift:

  1. Ezechias Die Herr lobet dich nit so rüempt sie der Tod Aber Lieder singen sollen alle Zeit leben in der Not10)

L. An der Langhaus-Ostwand über der Kanzel, zwischen Chorbogen und Durchgang zur Sakristei, Bibelspruch11):

  1. Predige das Wort, halte an, es sey zu rechter Zeit oder zur Unzeit, straffe, draüe, ermahne, mit aller Gedult und lehre. 2. Tim. 4.12) /

M. An der Langhaus-Südwand links bei der Kanzel vier Bilder aus der Schöpfungsgeschichte, jeweils mit erklärenden Unterschriften:

  1. Gen. I. Im Anfang schuff Gott in sechß tagen Lufft Him(m)el und Erd was sie tragen All Thier Vögel Fisch und Wild Letzlich den Menschen nach seinem Bild

    Gen. 2. Gott blast ein Seel in Adams Leib Auß seinen Rippen nam Er das Weib Erlaubt ihm alle ander Frucht Allein den Baum deß Lebens nicht

    Gen. 3. Durch falschen List die gifftig Schlang Die ersten Menschen laider zwang Daß sie vom Baum deß Lebens aßen Und Gottes Gebott so bald vergaßen

    Gen. 3. Nach solchem Fall stalt Gott zu red Die zwey Menschen und strafft sie beed Hülfft nit was zur Außred iedes sagt Außm Paradyß wurdn sie baid gejagt

N. Rechts anschließend unter dem mittleren Fenster Gipsrelief13) mit der Auferstehung Christi, darunter Jüngstes Gericht mit zwei Beischriften, vermutlich links und rechts davon angeordnet.

  1. Esa. 35. Matth. 25. Jhr Außerwehlten allesampt Kompt her ins himlisch Vatterland Welches eüch von Ewigkeit Mit allen Engeln ist bereit Welches ich eüch thät erwerben Durch mein gehorsam willig sterben

    Esa. 34. Malach. 13. Ach weh ach weh und im(m)er weh Entfliehen werden wir nim(m)er meh Von der Höll und ewigem Tod O weh o weh der großen Noth Ach wie leiden wir hie zumahl So große Noth Angst und Qual

Übersetzung:

Der geflügelte Jüngling spricht, von Gott gesandt, zu Maria: Du wirst Christum, den Gott, gebären, keusche Jungfrau. – Seht, da liegt er im Spreu unter armseligem und ärmlichem Dach: der Erlöser, Mariä und Gottes Sohn. – Den Bund des Samens und des Friedens bekräftigt Christus, indem er als Knabe mit Rücksicht auf das alte Gesetz beschnitten wird. – Mit goldenen Geschenken haben sie den Neugeborenen als König überhäuft, Weihrauch haben sie ihm als Gott gespendet, Myrrhe haben sie ihm dargebracht, als einem, der begraben wird (wörtl.: ist)14.

Versmaß: Deutsche Reimverse, elegische Distichen (F), Hexameter (F).

Anhand der Beschreibung Wollaibs läßt sich das Aussehen des Kircheninnern nach der durchgreifenden Restaurierung von 1586 recht gut rekonstruieren. Bemerkenswert ist, daß hier die Kirche nur wenige Jahrzehnte nach der Einführung der Reformation zwinglischer Prägung und dem damit verbundenen Bildersturm im ulmischen Gebiet schon wieder mit reichem Bilderschmuck ausgestattet worden ist. Darin wird die mittlerweile erfolgte Hinwendung Ulms zur lutherischen Lehre deutlich, die Bilder zur Illustrierung der Bibel befürwortet. Die meisten Inschriften fungieren lediglich als erklärende Beischriften zu den Wandgemälden.

Textkritischer Apparat

  1. So statt fuderunt.
  2. dederunt Wollaib; Conj. aus metrischen Gründen.
  3. Darunter zahlreiche nicht im Wortlaut überlieferte Kirchenväterzitate zur Passion Christi, die schon zu Wollaibs Zeiten „nicht mehr gantz zu lösen“ waren.

Anmerkungen

  1. Phil 2, 8–9.
  2. Jes 53,5.
  3. Gal 4, 4–5.
  4. Nach Lk 1, 27–33.
  5. Nach Lk 2, 8–12.
  6. Nach Lk 2, 21.
  7. Nach Mt 2, 9–11.
  8. Mt 26, 56; Lk 18, 31–33.
  9. Nach 1 Mose 3, 15.
  10. Bedeutung und Zusammenhang unklar.
  11. Unter der Kanzel Darstellung der Arche Noah ohne Inschriften.
  12. 2 Tim 4, 2.
  13. Wollaib, Par. Ulm. 423 spricht von einer „Taffel von ypß“.
  14. Anspielung auf die Grablegung Christi mit Myrrhe und Aloe (Ioan 19, 39).

Nachweise

  1. Wollaib, Par. Ulm. 420–423.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 321† (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0032109.