Die Inschriften des Landkreises Göppingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 41: Göppingen (1996)
Nr. 223 Donzdorf, kath. Pfarrkirche St. Martin 1527
Beschreibung
Epitaph der Eheleute Georg III. von Rechberg von Hohenrechberg zu Staufeneck1 und Margarethe Kämmerin von Worms gen. von Dalberg. Innen an der Langhaus-Südwand, erster Stein von Osten. Hochrechteckig, aus drei Werkstücken (gelber Sandstein) zusammengesetzt: oben querrechteckige Schrifttafel mit 7zeiliger Inschrift, unten zwei Platten mit unterlebensgroßen Standfiguren, links Ritter in Rüstung, das Schwert vor sich auf den Boden stützend, rechts Frau, in langen Mantel und Weihel gehüllt, einen Rosenkranz haltend, beide vor Rundbogennischen, in den Zwickeln nimbierte Engelsköpfe; unten zwischen den beiden Figuren eine kreisrunde Scheibe, auf der zwei jetzt fehlende Wappen aus Stein oder Metall mit zwei Dübeln befestigt waren2. Teilweise erhaltene Farbfassung, Schrift schwarz nachgezogen; zwei geflickte Brüche in der Schrifttafel.
Maße: H. (Gesamt) 199, (Schrifttafel) 43, B. 130, Bu. 3,2 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
ANNO · D(OMI)NI · M · D · XXVII · AN · SANT · LENHARDS · TAG · STARB · / DER · EDEL · VND · VEST · IERG · VON · RECHBERG · VONN · HOHEN=/RECHBERG · ZVV · STAVFFNECK · VND · IM · M · D · XVIII · IAR · AN / ALLER · SELENN · TAG · STARB · DIE · EDEL · VND · ERSAM · FRAW / MARGRET · VON · RECHBERG · GEPORN(E) · KEMERIN · VON · WVRMSa) / GENANDT VON · DALBERG · SEIN · HAVSFRAW · DER · SELEN · / GOT · GNEDIG [·] VND · BARMHERTZICK · SEII ·b)
Datum: 1527 November 6, 1518 November 2.
[Rechberg, Kämmerer von Worms gen. von Dalberg]. |
Textkritischer Apparat
- S klein auf halber Zeilenhöhe.
- Letzte Zeile weit eingerückt; am Zeilenende Rankenornament.
Anmerkungen
- Zählung nach Stammtafeln d. mediatisierten Häuser 17 Taf. 2.
- Kdm Geislingen 89: „…dazwischen das Allianzwappen“. Die Angabe beruht wohl auf einer Zeichnung des Grabmals im Rechberg-Epitaphien-Album (GRA Donzdorf, wie unten), in der die runde Scheibe senkrecht gespalten ist und in die beiden Hälften die Wappenbilder Rechberg und Kämmerer von Worms, freilich nur unpräzise, eingezeichnet sind. Die Zeichnung dürfte um 1820 entstanden sein, die Wappenzeichnungen sind lediglich vom Zeichner – vielleicht nach Angaben Rinks – ergänzt. Daß die Scheibe tatsächlich schon im vorigen Jahrhundert leer war, zeigt eine zweite Zeichnung in demselben Album, die 1809 von J. S. Baumeister angefertigt wurde und die die entsprechende Ergänzung nicht aufweist.
- Gotik an Fils und Lauter 144; Hummel, Donzdorf 26; Dehio, Baden-Württemberg I, 144.
- Vgl. Hans Rott, Quellen und Forschungen zur südwestdeutschen und schweizerischen Kunstgeschichte II: Altschwaben und die Reichsstädte, Stuttgart 1934, 56ff.; Anja Broschek, Michel Erhart. Ein Beitrag zur schwäbischen Plastik der Spätgotik (Beiträge zur Kunstgeschichte 8), Berlin New York 1973, 24–33; 203–213.
- So Deutsch (wie unten) 12.
- Dieses Werk wird von Liedke, Augsburger Sepulkralskulptur III, 82 mit Fragezeichen dem Ulmer Nikolaus Weckmann d. J. zugewiesen, der aber nach jüngsten Forschungen vermutlich gar nicht Bildhauer, sondern Fechtmeister war, vgl. Gerhard Weilandt, Die Lebensdaten des Bildhauers Niklaus Weckmann und seines Sohnes nach den Schriftquellen, in: Meisterwerke massenhaft 479–483. Niklaus Weckmann d. Ä. ist durch seine Signatur an der Statue des Ritters Stephan von Gundelfingen in Neufra 1528 letzmals bezeugt, vgl. ebd.
- Liedke, Augsburger Sepulkralskulptur III, 90f., Abb. 74f.
- Z. B. das Wirsung-Epitaph von 1513 in der Dompfarrkirche in Bozen, vgl. Alfred Schädler, Das Eichstätter Willibalddenkmal und Gregor Erhart, in: Münchner Jb. der bildenden Kunst 3. F. 26 (1975) 65–88, hier: 83 Abb. 22. Weiters das Epitaph für Hans und Anna Heckel von 1518/vor 1527 im Augsburger Domkreuzgang, vgl. Peter Reindl, Loy Hering. Zur Rezeption der Renaissance in Süddeutschland, Basel 1977, 495.
- Vgl. das ihm zugeschriebene Epitaph für Eberhard und Anna von Hirnheim von 1526 in Hochaltingen (Gde. Fremdingen, LKr. Donau-Ries) und das Epitaph des Potion von Höchstetter († 1527) in Freising, das Dauchers Umkreis zugerechnet wird. Für freundliche Hinweise und weiteres Vergleichsmaterial danke ich Herrn Dr. Franz A. Bornschlegel, München. Thomas Eser, Hans Daucher. Augsburger Kleinplastik der Renaissance (Kunstwissenschaftliche Studien 65), München Berlin 1996, 272–276, schreibt freilich neuerdings das Hirnheim-Epitaph nicht mehr Daucher zu, sondern vermutet den Meister im Nürnberger Umkreis.
Nachweise
- GRA, A 662: „Abschrifften Von Denen in der Pfarrkirchen zu Donzdorff befindl. Herrsch. Epitaphijs“, um 1750 (ungenau).
- GRA, A 675: „Geneal. Urkunden u. Stammenbäume Von der familie Rechberg“, Einzelbl., 18. Jh. (ungenau).
- Rechberg-Epitaphien-Album (GRA, o. Sign.), angelegt 1809, 2 Zeichnungen.
- Rink, Familien-Geschichte III 37.
- StAL, E258 VI, Spezialia, Konvolut 17: OA. Geislingen, Bemerkungen zum topograph. Blatt Donzdorf von E. Paulus, 1832.
- Kdm Geislingen 89f.
- Wolfgang Deutsch, Ein Kruzifix in Weil der Stadt und andere Werke Michel Erharts, in: Heimatverein Weil der Stadt. Berichte u. Mitt. 34 (1985) Nr. 3, 2–30, hier: 15 Anm. 80.
- Hummel, Donzdorf 22 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 223 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0022308.
Kommentar
Die Schrift ist eine nach besten Vorbildern sorgfältig ausgeführte Renaissancekapitalis mit ausgeprägtem Wechsel von Haar- und Schattenstrichen, Linksschrägenverstärkung und Bogenverstärkung mit linksschräger Schattenachse. Die Sporen sind einheitlich konstruiert, als Worttrenner sitzen nach klassischem Muster Dreieckpunkte auf halber Zeilenhöhe. Der Mittelteil des M reicht bis zur Grundlinie herab, die Hasten sind bald senkrecht, bald schräggestellt. Die Cauda des R zeigt die klassische Spornform, ist freilich gelegentlich leicht gewellt. Das S ist meist etwas nach rechts geneigt. Unklassische Elemente sind die geschlossenen Bögen von P und R sowie die Verwendung von verschränktem W, I-Punkten und Doppeltrennstrichen am Zeilenende.
Zu Georg und Margarethe von Rechberg vgl. nr. 205 und 222 †. Der einheitliche Schriftcharakter der Inschrift spricht fraglos dafür, daß sie erst nach dem Tode Georgs 1527 in einem Zug ausgeführt wurde. Als Bildhauer des in Schriftgestaltung und figürlicher Darstellung herausragenden Grabmals wurde in der Literatur bisher ein ulmischer Meister, „vermutlich Michel Erhart“, angeführt3, der jedoch nur bis 1522 urkundlich nachweisbar ist4. Man müßte bei dieser Zuschreibung folglich davon ausgehen, daß die gesamte Schrifttafel erst etwa zehn Jahre nach den Figuren gemeißelt wurde5. Von der Schrift her steht dem Grabmal das 1517 angefertigte Epitaph für den Propst Ulrich Hieber († 1532) in Wettenhausen (LKr. Günzburg) sehr nahe (variierende M-Formen, R mit dornförmiger bis geschwungener Cauda, rechtsgeneigtes S, Ausrichtung der Sporen), das auch vergleichbare Rahmenarchitektur und Engelsköpfchen zeigt6, ferner die Hanns Peurlin d. J. († 1524) zugewiesene Grabplatte des Bischofs Heinrich von Lichtenau († 1517) im Augsburger Dom (NN-Ligatur, G mit kurzer senkrechter Cauda)7. Bei den Beziehungen der Rechberger zum Augsburger Domkapitel – einige Familienmitglieder waren dort installiert – wäre eine Herstellung des Donzdorfer Epitaphs in einer Augsburger Werkstatt durchaus möglich. So weisen auch Denkmäler, die der Werkstatt Gregor Erharts zugewiesen werden, einige Ähnlichkeit in der Schriftgestaltung auf8. Vielleicht ist der Meister im Umkreis des Augsburger Bildhauers Hans Daucher zu suchen9.