Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 99 Göppingen, ev. Oberhofenkirche 1477 (?)

Beschreibung

Grabplatte des Seyfried Schweicker/Swigger, Propstes von Oberhofen. Innen an der Ostwand der Zillenhartkapelle; bis 1881 im Fußboden. Eingehauene Umschrift zwischen Linien, im eingetieften Mittelfeld Relief eines auf einem Löwen stehenden Priesters mit Birett und aufgeschlagenem Buch. Roter Sandstein, stark bestoßen und abgetreten, Oberfläche stellenweise weggebrochen, an fünf Stellen Beschädigungen durch gebohrte quadratische Löcher; erheblicher Schriftverlust.

Maße: H. 236, B. 118, Bu. 8,2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. anno · domini · M · cccc / · l[. . . . .]a) · die · vii · men[sis · . . .]ii · ob[ii]t · venerabi[l(is) · v]ir · / d(omi)n(u)s · sifrid(us)b) [· p(re)]p(osi)tus [·] hui[us] / eccl(es)ie · prim(us) · hic · sepult(us) · cui(us) · a(n)i(m)a · req[uiesc]at · in · pace · a[men]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 14[77] am 7. [Juni?] starb der ehrwürdige Mann Herr Seyfried, erster Propst dieser Kirche, der hier begraben liegt, seine Seele ruhe in Frieden. Amen.

Kommentar

Die Schrift ist nicht sehr regelmäßig eingehauen, die Schäfte neigen sich bald leicht nach links, bald nach rechts. Das r mit langem Schulterstrich wirkt in seiner Breite unproportioniert. Als Tausender-Zahlzeichen ist ein durch Schaftbrechung an den Duktus der gotischen Minuskel angeglichenes unziales M mit zwei offenen „Bögen“ verwendet, von denen der linke unten umgebogen und weit nach oben verlängert ist. Die Stellung von primus ist merkwürdig, das Wort muß aber doch sicherlich auf prepositus, nicht auf hic sepultus bezogen werden.

Nach den erhaltenen Schriftresten ist die Grabplatte mit großer Wahrscheinlichkeit Seyfried Schweicker aus Gemmrigheim (LKr. Ludwigsburg) zuzuweisen, der Chorherr in Stuttgart war, 1457 Propst des Oberhofenstifts wurde und als solcher bis 1473 bezeugt ist1. Schweicker war wiederholt in diplomatischer Mission für Graf Ulrich von Württemberg tätig. Da 1477 bereits Johann Balz als Propst genannt ist2, wird Schweicker in diesem Jahr gestorben sein3. Auch der für die Zahlzeichen zur Verfügung stehende Platz in der an dieser Stelle weitgehend zerstörten Umschrift weist am ehesten auf die Lesung lxxvii. Die zerstörte Monatsangabe ist wohl als mensis · iunii zu ergänzen.

Textkritischer Apparat

  1. Am Ende noch zwei Hasten zu erkennen.
  2. Schluß-s am Wortanfang.

Anmerkungen

  1. Vgl. Württ. Regesten 327 nr. 8563; J. Wülk, Einfluß der württembergischen Grafen auf die Wahl der Pröpste bezw. Äbte in den unter ihrem Schutze stehenden Stiften und Klöstern. Ein Beitrag zur Kirchenpolitik der Grafen von Württemberg, in: WVjh. NF 23 (1914) 242–255, hier: 243f.; Pfeilsticker § 2346 (wohl versehentlich mit 1447 statt 1457 als Erstbeleg?). Ausführlich zur Person: Plieninger, Stadtschreiber 80–83. Wendelin Schweicker, ein Verwandter des Propstes, war Domherr in Augsburg, † 1534; vgl. Kosel 191 nr. 134. Auf seinem Augsburger Epitaph sowie auf einem Wappenstein von 1596 in Gemmrigheim (LKr. Ludwigsburg, vgl. DI 25 nr. 243) das Familienwappen; vgl. auch Zimmermann, Augsburger Zeichen und Wappen, nr. 4192.
  2. Pfeilsticker § 2346.
  3. Plieninger, Stadtschreiber 82 nimmt 1478 als Todesjahr an.

Nachweise

  1. Kdm Göppingn 39.
  2. Reyle, Oberhofenkirche 16f.
  3. Plieninger, Oberhofenkirche, Abb. 9.
  4. Ders., Stadtschreiber 79f. Nr. 14 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 99 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0009906.