Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 91 Wäschenbeuren, kath. Pfarrkirche St. Johannes Ev. 1472, nach 1501

Beschreibung

Grabplatte für die Eltern des Johannes Stump(f). Außen an der Südwand quer eingemauert. Rechteckige Platte, im durch eine Ritzlinie abgegrenzten Mittelfeld unter einem Astwerkbaldachin zwei Tartschen in Ritzzeichnung untereinander sowie eine nach der rechten Längsseite hin ausgerichtete eingehauene Jahreszahl (A), die zweimal durch die beiden Wappenschilde unterbrochen wird. Auf der linken und auf der oberen Randleiste eine offenbar erst nachträglich eingehauene Inschrift (B). Roter Sandstein, vewittert und bestoßen, Ecken beschädigt; an den Rändern stellenweise überputzt.

Maße: H. 170,5, B. 60, Bu. 3,5–7,0 (B), Zi. 7,0–10,3 cm (A).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit stark kursiven Elementen, Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. A

    1 // 4 7 // 2

  2. B

    hie leitt Docto[r] Stümpe(n) VAttera) · Vnd · muotterb) den / Got gnadig · S(ei)c)

Wappen:
Stump(f)1, unbekannt2.

Kommentar

Die Schriftformen sind für eine in Stein eingehauene Inschrift ungewöhnlich. Von dem strengen Formenkanon der Textura sind sie weit entfernt, eher lag als Vorlage eine Buchschrift mit deutlichen Tendenzen zur Kursive zugrunde. Die Bogenlinien sind rund ausgeführt, Brechungen sind nur mehr schwach ausgeprägt oder fehlen ganz, e und c sind oben spitz, der Schaft des t ist bisweilen stark nach links durchgebrochen, o ist spitzoval. Die eigenartige Beschriftung des Steins der Längsseite nach erinnert an eine – im übrigen Aufbau freilich völlig abweichende – Grabplatte von 1485 in Börtlingen (nr. 110). Wie diese war die Wäschenbeurer Grabplatte ursprünglich nur mit der Jahreszahl beschriftet und trug keine Namen. Wappenform und Gestaltung der arabischen Ziffern passen durchaus zum Jahr 1472. Ob das Todesjahr auf beide Eltern des Johannes Stump oder nur auf einen Elternteil zu beziehen ist, ist unklar. Jedenfalls wurde die Inschrift mit der Namennennung und Grabbezeugung auf dem Rand, die sich in der flüchtigen und ungleichmäßigen Schlagtechnik deutlich von den in tiefer Kerbe eingehauenen Ziffern im Mittelfeld unterscheidet, frühestens 1501 angebracht. In diesem Jahr nämlich wurde Johannes Stump erst zum doctor decretalium promoviert3. Er war Kanoniker des weltlichen Kollegiatstifts St. Peter zu Basel, erlangte 1482 das Lizentiat in decretis und bekleidete im Sommersemester 1494 das Rektorat der Universität Basel4. Vermutlich gab er den Auftrag, die Grabinschrift auf der Wäschenbeurer Grabplatte nachtragen zu lassen. Der Stein stammt noch aus dem Vorgängerbau der spätgotischen Kirche5.

Textkritischer Apparat

  1. A in Kapitalisform, aber ins Mittelband eingepaßt.
  2. o klein über u übergeschrieben.
  3. Die Ecke des Steins ist beschädigt, nach dem S sind keine Schriftspuren zu erkennen.

Anmerkungen

  1. Gestümmelter entwurzelter Baumstamm (redend).
  2. Metzgersbeil und Messer untereinander, die Griffe jeweils nach links.
  3. Matrikel Basel I 228.
  4. Ebd., in den Matrikeln als „Johannes Stump de Wescheburen“.
  5. Vgl. den Grundstein von 1504 (nr. 179).

Nachweise

  1. Kaisser, Geschichte und Beschreibung 32 (zu 1452!).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 91 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0009100.