Die Inschriften des Landkreises Göppingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 41: Göppingen (1996)
Nr. 65 Göppingen, ev. Oberhofenkirche um 1450, 1617
Beschreibung
Wandmalerei zum Gedenken an die im Gefecht am „Mutzenreis“ bei Esslingen auf württembergischer Seite gefallenen Ritter, Junker und Knappen. Innen an der Chor-Nordwand. In der linken Bildhälfte stehende Muttergottes vor einem von Engeln gehaltenen Brokatvorhang, darüber, ebenfalls von Engeln gehalten, ein Schriftband (A); links vor Maria kniend neun betende Ritter und Knappen, vier von ihnen durch Wappen bezeichnet, über dem ersten Ritter ein aus dem Mund hervorgehendes und nach oben steigendes Spruchband mit Anrufung (B); in der rechten Bildhälfte der hl. Georg zu Pferd im Kampf mit dem Drachen, im Hintergrund die befreite Prinzessin vor einer Burg, rechts oben ein schwebender Engel, der einen Tartschenschild und einen Visierhelm in Händen hält; unter dem Gemälde, über der in den Nordturm führenden Tür, eine aufgemalte Schrifttafel mit Gedenkinschrift (C). Gemälde und Inschriften vermutlich beim Brand der Kirche 1562 beeinträchtigt und 1617 im Stil der Zeit überarbeitet. Der Wortlaut der Gedenkinschrift vor dieser Restaurierung wird durch Crusius nach einer Beschreibung eines M. Nero aus Göppingen überliefert, offenbar aber wenig zuverlässig.
Wortlaut nach dem jetzigen Befund mit wichtigen Abweichungen nach Crusius.
Maße: H. (Gemälde) ca. 280, B. 520, H. (Schrifttafel) 67, B. 145, Bu. 3,4 (A, B), 3,2 cm (C).
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Frakturversalien.
- A
Oa) mutter der barmhertzigk(eit)
- B
Oa) du Edlea) mutter der Guddereicha)1) Oa) hailiger Ritter santb). Jergb). bitt Gotta) den almechtigen über uns alle sant.
- C
Anno D(omi)ni, M° · cccc° · xxxxviiii · am montag nechst vor Sanct Martinstag= / by der Niderlegung2) der Stätt von dem Bundt, Oberthalb der Blensz=/halden3) vff den Füldern bÿ Eszlingen, sind dise Nachbeschribene er=/schlagen Worden, mit nahmen: der Streng vnd Vest Herr Johannes / von Stam(m)heimc) Ritter · Junckher Georg Schilling Junckher Caspar / von grumbachd). Junckher harande). Marggraff Albrecht Basthartf) vo(n)g) Baden. / undh) gambachz knecht einer. Friderich dürr. hannsz schütz · vnd rumprachtsi) / von linbÿrg knecht, genant Hansz Mantelh), denen Gott gnädig sey · /〈Renouiert Anno · 16 · 17 ·〉
(von links nach rechts) Harant von Hohenburg4, Grumbach, Schilling, Stammheim; hl. Georg. |
Textkritischer Apparat
- Versal rot.
- Ganzes Wort rot.
- Stainhan Crusius.
- Grumbach Crusius; Gmünd Gabelkover; jetziger Befung: gmind. Durch das Grumbachsche Mohrenwappen wird die Lesung von Crusius bestätigt.
- Juncker Caspar Harant Crusius.
- Basthart Crusius; Baschard Gabelkover; jetziger Befund: Baschart.
- Kürzungsstrich fehlt.
- Und nachbenannte Knecht, Friederich Dierer, Hans Schütz, Hans Mantel Crusius.
- Ruprechts Gabelkover.
Anmerkungen
- der Güte reich.
- Niederlage.
- Plienshalde, zwischen Esslingen und Nellingen am Zollberg.
- Goldener Pfahl in Rot.
- So Johann Ulrich Steinhofer, Der Neuen Wirtenbergischen Chronik 3. Theil, Bd. II, 1029; vgl. dazu aber Plieninger, Oberhofenkirche 8.
- Vgl. Klaus J. Dorsch, Georgszyklen des Mittelalters. Ikonographische Studie zu mehrszenigen Darstellungen der Vita des hl. Georg in der abendländischen Kunst unter Einbeziehung von Einzelszenen des Martyriums (Europ. Hochschulschrr. R. 28, 28), Frankfurt a. M. Bern New York 1983, 54.
- Vgl. Plieninger, Stadtschreiber 35.
- Ebd. 35f. Dort und bei Gaisberg-Schöckingen, Kriegerehrung (wie unten) 48–50 auch Näheres zu den übrigen dargestellten und genannten Personen.
- Zum Schlachtengedenken vgl. neuerdings: Renate Neumüllers-Klauser, Schlachten und ihre Memoria in Bild und Wort, in: Bild und Geschichte. Studien zur politischen Ikonographie. FS für Hansmartin Schwarzmaier zum 65. Geburtstag, hg. v. Konrad Krimm u. Herwig John (im Druck).
Nachweise
- Crusius, Ann. Suev. III 391.
- Gabelkover (HStAS, J1 Nr. 136 I). Mappe Göppingen, fol. 68v.
- Schilling von Cannstadt, Geschlechts Beschreibung, Taf. nach 36 (Kupferstich).
- OAB Göppingen 113.
- Ernst Frh. Schilling von Cannstatt, Geschlechtsbeschreibung der Familie Schilling von Cannstatt, Heidelberg 1905, 24.
- Kdm Göppingen 37 Abb. 28.
- Friedrich Frh. von Gaisberg-Schöckingen, Kriegerehrung im 15. Jahrhundert, in: Schwäbisches Heimatbuch. Bücherei des Bundes für Heimatschutz in Württemberg u. Hohenzollern 15 (1929) 46–54, hier: 47.
- Kirschmer, Geschichte der Stadt Göppingen I 106.
- Kärcher 26, 25 (Abb.).
- Akermann, Göppingen 25 (Abb.).
- Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 109, Abb. 32.
- Der Kreis Göppingen 21985, Abb. 33.
- Gotik an Fils und Lauter 38f. Abb. 17.
- Plieninger, Oberhofenkirche 7–9, Abb. 1, 2.
- Ders., Stadtschreiber 34–43 Nr. 4 (Abb.).
- Neumüllers-Klauser, Schlachten und ihre Memoria (wie Anm. 9).
Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 65 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0006506.
Kommentar
Die Schriftformen sind nicht mehr die ursprünglichen. Bei der Übermalung 1617 wurden so zum Beispiel einstöckiges a und Frakturversalien verwendet. Die Gedenkinschrift wurde dabei stärker verfälscht als die Anrufungen in den Spruchbändern.
Im Zuge des Zweiten Großen Städtekrieges (1448–54), in dem ein Bund schwäbischer Reichsstädte unter Führung Esslingens den von Adelsbünden unterstützten süddeutschen Fürsten, an ihrer Spitze dem Grafen von Württemberg (und Markgraf Albrecht Achilles von Ansbach), gegenüberstand, kam es am 10. November 1449 am „Mutzenreis“, einem Waldstück bei Esslingen, zu einem Gefecht, aus dem Graf Ulrich V. mit seinem Heer siegreich hervorging. Weitere Niederlagen der Städte in der Folge kosteten diese zwar nicht ihre Reichsunmittelbarkeit, förderten aber auf Dauer den Ausbruch der Territorialfürstentümer gegenüber der Städteeinungsbewegung. Die an der Plienshalde auf Seiten des Fürstenheeres gefallenen Ritter, Junker und Knappen wurden angeblich alle nach Göppingen überführt und dort begraben5. Jedenfalls hat Graf Ulrich bald darauf in der von ihm erst kurz zuvor in ein Chorherrenstift umgewandelten Oberhofenkirche (vgl. nr. 51) zur Ehrung und zum Gedenken der Gefallenen das Wandgemälde anbringen lassen.
Der von einem Engel gehaltene Tartschenschild mit dem Georgskreuz ist wohl gleichzeitig als himmlische Schutzwaffe des Heiligen und als Abzeichen des St.-Georgs-Ritterbundes zu verstehen6. Markgraf Jakob I. von Baden war der Hauptverbündete Graf Ulrichs von Württemberg. Der Ritter Johannes von Stammheim war Hauptmann des markgräflich badischen Aufgebots7; auch Caspar Harant von Hohenburg gehörte zum badischen Kontingent. Der gefallene Markgraf Albrecht von Baden ist bislang noch nicht sicher in die Genealogie des markgräflichen Hauses einzuordnen, vielleicht war er ein illegitimer Sohn des Markgrafen Bernhard oder von dessen Sohn Jakob I. († 1453)8. Georg Schilling stand in württembergischen Diensten, er war der Sohn des Neuffener Obervogts Burkhard II. Schilling von Cannstatt und der Ursula Kayb von Hohenstein9.