Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 362† Calw, Stadtkirche St. Peter und Paul 1649

Beschreibung

Inschrift auf der nach dem Calwer Stadtverderben neu gegossenen großen Glocke. In den Trümmern der Kirche fand man 47½ Zentner geschmolzenes Glockenmetall, aus dem unter Zusatz von neuem Metall für den Neubau der Kirche 6 Glocken gegossen wurden. Glockengießer waren die Brüder Rosier aus Lothringen, die als Wandergießer auch das Geläut in Rottenburg am Neckar neu gegossen hatten1. Die größte Glocke wog 51 Zentner und wurde am 5. 9. 1649 gegossen. Sie hatte eine Schulterinschrift (A) und eine Schlaginschrift (B).

Wortlaut nach Chronik Widmann.

  1. A

    ANNO CHRISTI 1634 DEN 11T(EN) SEPTEMBRIS / ALS CALLW DIE WERTHE HANDELSSTATT / DURCH EIN FEWERS BRUNST VERLOHREN HAT / ALL GEBÄU, RATHAUß, ZWO KIRCHEN ZUGLEICH / BIN ICH DURCH HITZ IM DUHRN ZERFLOßEN / IHM JAHR WIE FOLGT / VON NEWEM GOSSEN 1649.

  2. B

    HECCE CAMPANUM FUNDABATUR A. M. M.a) HONORATI / CLAUDIO ROSIER / JOANNES DENORGI / JOHANNES &b) CLAUDI[O] ROSIER / LOTHARINGIS 1649

Übersetzung:

Dieses Geläut wurde gegossen von den Meistern Honoratus (und) Claudius Rosier, Johannes Denorge, Johannes (und) Claudius Rosier aus Lothringen.

Kommentar

Die Lothringer Wandergießer aus der Familie der Rosier unter Mitarbeit von Johannes Denorge (1. Generation) gossen in Baden und im benachbarten Württemberg um die Mitte des 17. Jahrhunderts mehrfach umfangreiche Kirchengeläute, von denen das der Klosterkirche Einsiedeln (1636–1638) als Meisterwerk gilt2. Am nächsten steht dem verlorenen Calwer Geläute wohl das Geläute in Rottenburg im Dom, das aus 4 Glocken bestand, ebenfalls 1649 gegossen ist und auf dem sich die gleichen Mitarbeiter der Gießerei nennen: Honoratus und Claudius Rosier (I), Johannes Denorge, Johannes Rosier (I) und Claudius Rosier (II); die drei großen Glocken des Rottenburger Geläutes haben auch vergleichbar lange Inschriftenformulare wie die Calwer Glocken3. Als Schrift dürfte wie auf allen Rosier-Glocken Kapitalis verwendet worden sein.

Textkritischer Apparat

  1. Aufzulösen wohl trotz der irritierenden Punkte A MAGISTRIBUS. Die im Nominativ stehenden Mitarbeiter dürften als einfache Namensnennungen aufzufassen sein, obwohl man den Ablativ voraussetzen müßte. Fehler der Abschrift sind nicht auszuschließen; bei der größten Rottenburger Glocke lautet die Meisterinschrift (vgl. Anm. 3): A M M HONORATO CLAUDIO ROSIER IOANNES DENORGE IOANNES & CLAUDIO ROSIER LOTHARINGIS.
  2. Die Handschrift hat etc., wohl als Wiedergabe des Zeichens.

Anmerkungen

  1. Vgl. Deutscher Glockenatlas Baden S. 43ff. und Register S. 720.
  2. Vgl. ebd. S. 45.
  3. Vgl. Deutscher Glockenatlas Württemberg-Hohenzollern S. 90 und Register S. 646ff. – Die Glockeninschriften aus Rottenburg im Wortlaut ebd. S. 550f.; Abbildungen von Rosier-Glocken ebd. Abb. nrr. 283–290. – Vgl. auch Sigrid Thurm, Die ersten vier Bände des deutschen Glockenatlas. Persönliche Erinnerungen und Ergebnisse einer vierzigjährigen Glockenforschung, in: Jahrbuch für Glockenkunde Bd. 1/2 (1989/90) S. 111–122, hier S. 118.

Nachweise

  1. Chronik Widmann S. 657ff.
  2. Rheinwald, Stadtkirche S. 24.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 362† (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0036201.