Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 252† Hirsau, Klosterkirche St. Peter und Paul 1569

Beschreibung

Grabschrift des Abtes Heinrich Weikersreuter. Auf einer Tafel an einer Säule nahe der Kanzel.

Wortlaut nach Parsimonius.

  1. CLARISS(IMO) VIRO D(OMINO) HEINRICOWeickersreitero Doctori Theologoa), et Monasteriihuius Abbati digniss(imo) Anno. 1569. 8. April(is)pie mortuo. F(ilii) F(iliaeque) F(ecerunt)b)

    Weickersreutterus iacet hic venerabilis abbas:Qui fuerit lecto carmine doctus eris.Cum vitae et studii clareret no(m)i(n)e, nactusRegenspurgiacae est sceptra suprema scholae.Mox clara(m) docuit verbu(m) coeleste Tubingam.Post Calvense annis pavit ovile nove(m).Doctore(m) hinc fecit laudata Tubinga sacratu(m).Abbas Hirschaui factus et inde fuit.Primus Evangelic(us) pia dogmata tradidit AbbasSpectandus Vita, relligione, fide.Hic duo lustra vigens, numerosa p(ro)le beatur:Ch(ist)o anima(m) placide reddidit inde sua(m).Post Könniga uxor, nataru(m) funere tristis:Peste Tubingensi strata, necante fuit.Hoc iacet ipse q(ui)dem templo, iacet ipsa TubingaeSed videt aspectu(m) mens utriusq(ue) Dei.

Übersetzung:

Dem sehr berühmten Mann, Herrn Heinrich Weikersreuter, Doktor der Theologie und würdigstem Abt dieses Klosters, fromm verstorben im Jahr 1569 am 8. April. Die Söhne und Töchter setzten (ihm dies Grab).

Weikersreuter ruht hier, der ehrwürdige Abt; wer er war, wirst du wissen, wenn du diese Verse liesest. Als er durch den Ruhm seines Lebenswandels und seines Wissens hohes Ansehen genoß, erlangte er die oberste Leitung der Regensburger Schule, darauf unterrichtete er das berühmte Tübingen im göttlichen Wort. Dann weidete er neun Jahre lang die Herde zu Calw. Zum Doktor der heiligen Schrift machte ihn danach die ruhmreiche (Universität) Tübingen, Abt von Hirsau wurde er sodann und ist es seither geblieben. Als erster evangelischer Abt führte er fromme Lehren ein und war hochgeachtet im Leben, Frömmigkeit und Glauben. Hier lebte er 10 Jahre lang, durch zahlreiche Nachkommen beglückt. Seine Seele gab er friedlich zurück an Christus. Hiernach wurde sein Weib, die Königin, die um den Tod ihrer Kinder trauerte, von der todbringenden Tübinger Pest hinweggerafft. Er selbst ruht in dieser Kirche, jene ruht in Tübingen, doch beider Geist schaut Gottes Angesicht.

Kommentar

Die 8 elegischen Distichen enthalten eine versifizierte Vita des Abtes; sein Geburtsort war Schwabach1. Er war der Vorgänger des Abtes Johannes Parsimonius. In der Hospitalkirche in Tübingen stifteten die Kinder des Ehepaares – Weikersreuter hatte 14 Kinder, von denen zumindest 2 in Pfarrersfamilien einheirateten2 – der Mutter ein Epitaph mit deutscher Inschrift (1571)3. Ein Bildepitaph in der Klosterkirche, wie es der Sohn für den Vater geplant hatte, ist offenbar ebenso wie ein Grabstein nicht ausgeführt worden. Ein Gesuch an Herzog Ludwig von Württemberg um Bewilligung dieses Gemäldeepitaphs auf Kosten des Klosters ist im Entwurf erhalten; es ist aufschlußreich für die Umwandlung eines katholischen Kultbildes (?) in ein evangelisches Bildepitaph4. Die sog. ‚Fundationsschriften‘, von denen in dem Gesuch die Rede ist, sind im Wortlaut überliefert (vgl. nr. 141), zwischen ihnen waren offenbar in der Form eines Flügelaltars Bilder zur Klostergeschichte angeordnet, die nach Einführung der Reformation entfernt wurden5.

Textkritischer Apparat

  1. So statt Theologiae.
  2. Cappelli, Lexicon Abbreviaturarum. 6Milano 1967, 457 F(erro), F(lamma), F(ame) ist als Devise für den Abt kaum wahrscheinlich, so daß die Auflösung mit dem Bezug auf die (zahlreiche) Nachkommenschaft stimmig sein dürfte.

Anmerkungen

  1. Pfeilsticker 3375, 3392. – Parsimonius fol. 97r. – Crusius, Annales Suevici Lib. XII partis III p. 736.
  2. Pfeilsticker 2336, 2907, 3293.
  3. J. A. F. Lenz, Sammlung sämmtlicher noch verhandener Epitaphien für die Stifts- und Hospitalkirche zu Tübingen 1796, S. 99f. – Steck, Hirsau S. 172. – Schütz, Calws evangelische Pfarrer S. 69.
  4. dise hier beigelegte schrifften vnd pictura hat mir dise tag Abbt Heinrich seligen … son M(agister) Hans Weikersreuter gebracht, vnd mich gebetten, das ich wolde beholffen sein, damitt seines vatters seligen grabstein, auff die form, wie hie ein muster beigelegt, gehauen werde vnd das die lateinische Carmina sampt dem gemeld der aufferstehung Christi, darunter Abbt Heinrich selig sampt seiner hausfrauen vnd dreizehen kindern gesetzt seind, in die hiltzins ledige tafel, die mitten in vnser kirchen auff dem Abbstul zwischen den zweien fundationsschriftten mitt zweien auffgehouben flügeln stehet, darin auch nichts weder gemalt noch geschriben ist, auff solche form, wie hie beiliegend verzeichnet ist, gemalt und geschriben werde. Vnd so die Tafel, wie er sorgt, zu klein war, das man ein grösser machet, vnd die gemalte carmina vnd pictur darin malet vnd schribe‘. Briefentwurf des Abtes J. Parsimonius an Herzog Ludwig (24. 4. 1571); Cod. Guelf. 17.9. Aug. 2° XI.
  5. Vgl. dazu auch Neumüllers-Klauser, Quellen zur Bau- und Kunstgeschichte, in: Festschrift Hirsau 1991, Regest nr. 89.

Nachweise

  1. Parsimonius fol. 97r.
  2. Crusius, Annales Suevici Lib. XII, partis III, p. 736.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 252† (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0025200.