Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 191† Hirsau, Sommerrefektorium 1517–1521

Beschreibung

In den Collectaneen des Abtes Johannes Parsimonius wird die Ausmalung des Sommerrefektoriums – veranlaßt durch Abt Johannes Hannßmann (vgl. nr. 194) in den Jahren 1517–211 – genau beschrieben; die Inschriften sind im Wortlaut wiedergegeben. Die Gemälde waren der Geschichte des Klosters entnommen, die Texte orientieren sich (teilweise mit langen wörtlichen Zitaten) am Wortlaut des Codex Hirsaugiensis und an den Werken des Trithemius2. Die Ostwand zeigte die Stiftung des ersten und des zweiten Klosters in je 2 Bildern, die um das Bild des Ordensgründers Benedikt gruppiert waren; die Reformäbte der Bursfelder Kongregation Bernhard von Gernsbach, Blasius Schölltrub und Johannes Hannßmann erscheinen mit ihren Wappen; rechts davon (Anschluß zur S-Wand) noch 3 Bilder der Äbte des Klosters St. Peter und Paul. Die Nordwand (Wand zum Kreuzgang) mit 7 Fenstern schloß mit der Abtsreihe Gerung-Wilhelm (Äbte von St. Aurelius) an die O-Wand an und führte dann die Bildfolge mit einer Reihe von Hirsau ausgegangener Bischöfe und heiliger Mönche (nach Trithemius) fort; auf der Westwand waren in 10 Bildern Gelehrte und Lehrer dargestellt (nach Codex Hirsaugiensis und Trithemius), während die Nordwand zwischen 9 Fenstern die Abtsreihe der O-Wand mit Hartwig fortführte bis zu Abt Johannes Hannßmann. Es fällt auf, wie betont die Traditionspflege in diesen Bildreihen ihren Niederschlag gefunden hat: Zentrum der Stifterbilder ist der Ordensgründer, dem sich links die Gründung von St. Aurelius, rechts die Gründung von Peter und Paul in je zwei Bildern anreiht, denen wiederum die entsprechenden Abtsreihen folgen3.

Kommentar

Eine lange Prosainschrift auf den heiligen Benedikt – ebenfalls Trithemius entnommen – war auf dem tragenden Längsbalken der Decke (2 Seiten beschriftet) angebracht. Die Kapitelle der vier die Decke tragenden Holzsäulen zeigten mit der Klostergeschichte verbundene Distichen, zu denen die entsprechenden Wappen auf der Unterseite des Längsbalkens eingeschnitzt waren4. Die 8 Querbalken der Decke trugen Schriftstellerzitate, die sich auf die leibliche und geistige Nahrung des Menschen bezogen (Ambrosius, Augustinus, Basilius, Bernhardus, Chrysostomus, Cyprian, Gregor d. Gr., Hieronymus, Isidor). Das gesamte Programm dürfte nicht ohne entscheidende Mitwirkung von Trithemius entstanden sein, der in der Abtsstube seines Klosters Sponheim im Jahr 1494 Gemälde und Inschriften in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache anbringen ließ; das Refektorium erhielt 1502 eine Hirsau völlig vergleichbare Ausmalung mit Bildnissen der Äbte von Sponheim, jeweils mit vierzeiligem Titulus5.

Anmerkungen

  1. Die Datierung ist einmal immanent im Wortlaut des Codex Hirsaugiensis fol. 13v enthalten, ohne daß der Bezug der Formulierung ‚hoc picturae opus‘ definiert ist. Parsimonius p. 89v übernimmt die Stelle nahezu wortgetreu, fügt aber hinzu ‚in isto aestivali refectorio‘. Die Jahreszahl 1521 war in der Ausmalung überliefert: Rainolt f. 58 beschreibt den Wappenschild mit den Initialen I(oannes) A(bbas) und der Jahreszahl 1521, der an der Lesekanzel angebracht war.
  2. Vgl. zu der Übernahme auch Schreiner, Erneuerung durch Erinnerung S. 83. Der handschriftliche Band der Annalen war zur Zeit der Ausmalung ebenfalls noch in Hirsau. Vgl. dazu auch Schreiner, Trithemius S. 96.
  3. Zur Traditionspflege in Hirsau zu dieser Zeit grundlegend Schreiner, Erneuerung durch Erinnerung S. 66–83. Die wiederholt vertretene Meinung, das gemalte Tafelbild der Neugründung des Aurelius-Klosters mit Graf Erlafried und Abt Wilhelm sei mit einem der beschriebenen Stiftungsgemälde des Sommerrefektoriums gleichzusetzen, ist irrig; vgl. dazu nr. 141.
  4. Vgl. dazu Weizsäcker, Neue Studien S. 205ff. – Vgl. Neumüllers-Klauser, Quellen zur Bau- und Kunstgeschichte, in: Festschrift Hirsau 1991, Regesten nrr. 115–117.
  5. Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz Bd. 18, 1: Die Kunstdenkmäler im Kreis Kreuznach, bearb. von W. Zimmermann, Düsseldorf 1935, S. 391f. – M. Johannes Hofmann, Trorbachische Ehren-Säul. Stuttgart 1669. Als Faksimile gedruckt bei Max Caesar, Traben-Trarbach 1968, S. 125ff., S. 184ff. (Freundlicher Hinweis von Dr. Eberhard Nikitsch-Mainz).

Nachweise

  1. Parsimonius fol. 73r–119v.
  2. Crusius, Annales Suevici, Liber Paraleipomenon p. 51 sqq.
  3. Rainolt fol. 32–67.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 191† (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0019106.