Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 184 Hirsau, Marienkapelle 1516

Beschreibung

Bau- und Weiheinschrift an der Nordwand. In zwei Quader aus Sandstein eingetieft, schwarz nachgezogen (renoviert). Nach der alten Beschreibung ‚in lapide parieti prope ianuam qua itur ad monachorum coemiterium, incluso, haec leguntur1.

Maße: H. 38, B. 136, Bu. 3,8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. HON(ORE) · O(PTIMI) · M(AXIMI) · D(EI) · BEATISS(IMAE) · VIRG(INIS) · MARIAE · S(ANCTORVM)a) · AP(OSTO)L(ORVM) · P(ETRI) · (ET) · P(AVLI) · AC POST(ERITATI) · B(E)N(E) MERENTI · IO(HANNES) · AB(BAS) · DE · LEON/BERG · HOC · OPVS · A FVNDAMENTIS · ERIGEB/AT · M · D · IX · IX · A(PRILIS) · CONSECRA(VIT) · XI · K(A)L(ENDAS) · AV/GVSTI · ANNO · M · D · X / · VI ·

Übersetzung:

Zu Ehren des allerhöchsten Gottes, der allerseligsten Jungfrau Maria und der heiligen Apostel Petrus und Paulus und der würdigen Nachwelt (zum Nutzen) hat Johannes, Abt aus Leonberg, dieses Werk von Grund auf errichten lassen im Jahr 1509 seit dem 9. April und geweiht an den 11. Kalenden des August (Juli 22) des Jahres 1516.

Kommentar

Die Formulierung des Textes nimmt sich offenbar antike Bauinschriften zum Vorbild. Dem entspricht die Ausführung in einer breit angelegten Kapitalis; allerdings zeigen die Verteilung auf den Quadern und die teils eng, teils weit gewählten Wortabstände eine gewisse Unsicherheit2. In der ersten Zeile muß OM ursprünglich ohne Trennpunkt gewesen sein (daher die Auflösung OMNIPOTENTI bei Parsimonius)3.

Problematisch ist die zweifache Datierung, einmal auf Apr. 9 im Jahr 1509 (Baubeginn?) und auf den Weihetag (1516 Juli 22). Die auf den 27. Juni datierte Grunsteinlegungsinschrift von 1508 (vgl. nr. 179) wäre mit einem Baubeginn im darauffolgenden Frühjahr notfalls vereinbar; trotzdem bleibt die Dokumentierung von zwei Daten ungewöhnlich; die chronikalische Überlieferung berichtet von einem Baubeginn im Jahr 15114. Die Inschrift befindet sich offenbar noch an ihrem ursprünglichen Standort; da hinter dem Chor der Klosterkirche der Mönchsfriedhof lag, kann die Tür in der Nordwand der Marienkapelle nur auf diesen Friedhof geführt haben.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung SS.

Anmerkungen

  1. Crusius, Annales Suevici. – Parsimonius beschreibt den Standort in seinem Collectaneenband auf fol. 90-90v ähnlich; ‚in lapide parieti prope ianuam qua ad coemiterium monachorum itur, incluso nominatur Johannes de Leonberg‘.
  2. Vgl. dazu die Bauinschrift aus Maulbronn in DI 22 (Enzkreis) nr. 122; sie könnte fast beispielhaft für Textfassung und Ausführung gewirkt haben, zeigt aber klarere Wortabstände, dreieckige Trennpunkte und hebt sich durch gleichmäßigere Schrift deutlich ab.
  3. Wie Anm. 1.
  4. Annales Hirsaugienses II p. 691. – Vgl. zum Bau Seeliger-Zeiss, Studien zur Architektur der Spätgotik in Hirsau S. 347.

Nachweise

  1. Parsimonius fol. 90.
  2. Crusius, Annales Suevici Lib. IX partis III p. 5.
  3. Steck S. 233.
  4. OAB Calw S. 228.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 184 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0018407.