Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 183† Hirsau, St. Aurelius 1509/14

Beschreibung

Bleitafel im Sarge des hl. Aurelius, angeblich gefunden bei der Öffnung des Grabes im Jahr 1049 beim Besuch Papst Leos IX. auf der Burg Calw.

  1. CORPVS S(ANCTI) AVRELII EPISCOPI TEMPORE ARNVLPHI REGIS REPOSITVM HERDERADO ABBATE; 8. CALEN(DAS) SEPT(EMBRIS)

Übersetzung:

Der Körper des heiligen Bischofs Aurelius wurde zur Zeit des Königs Arnulf hier verborgen (niedergelegt) unter dem Abt Herderad an den 8. Kalenden des September (Aug. 25).

Kommentar

Die Überlieferung bei Trithemius ist unglaubwürdig. Nach Aussage des Kontextes habe Abt Herderad aus Furcht vor den Normannen nach Beratung im Konvent die Aurelius-Reliquien in einem unterirdischen Ort in der Kirche verborgen ‚cum tabula inscriptionem nominis et dignitatis eius continente …‘. Die Reliquien blieben dann unauffindbar, bis sie bei der Neugründung des Klosters durch Erlafried von Calw (auf Intervention Papst Leo IX.) wieder aufgefunden wurden ‚sanctissimi praesulis Aurelii ossa pannis sericis involuta et in modum humani corporis ordinatim disposita et ad caput plumbeam tabulam ita continentem1.

Der Codex Hirsaugiensis berichtet im (ersten) Gründungsbericht auf fol. 3r nur: ‚parvam cameram invenit, in qua adornatum sarcofago cum ossibus venerandi confessoris Christi apostolico omnibusque una gaudentibus reperit‘. Von der angeblichen Reliquienauthentik weiß der Codex Hirsaugiensis nichts, ebensowenig von den Bemühungen um die Bewahrung des Reliquienschatzes unter Abt Herderad.

Tatsächlich spiegelt wohl die Überlieferung von den verborgenen und wiederaufgefundenen Aurelius-Reliquien ziemlich getreu die Entwicklung der Klostergründung von 830, wie sie sich aus den Quellen darstellt2. Wenn Trithemius gleichsam symbolisch die Aurelius-Reliquien (pars pro toto für das von Erlafried und Nothing gegründete Kloster!) verborgen sein läßt, so gibt er damit genau den Zustand des Klosters wieder. Die angebliche Reliquien-Authentik soll die Glaubhaftigkeit des Reliquienbesitzes untermauern3. Sie ist als Spurium zu charakterisieren4.

Anmerkungen

  1. Annales Hirsaugienses I p. 188f.; Chronicon Hirsaugiense p. 42f., p. 64; Crusius, Annales Suevici Lib. VI, partis I p. 206; Rainolt fol. 7r sq. – Vgl. dazu auch Lutz, Klostergründung S. 37ff.
  2. Germania Benedictina V S. 281ff. – Schmid, Stifter passim. – Vgl. dazu auch Schreiner, Trithemius S. 118ff.
  3. Vgl. Hartmut Ehrentraut, Bleierne Inschriftentafeln in mittelalterlichen Gräbern (Diss. Bonn 1951) S. 112f. – Vgl. dazu auch die ‚Wiederauffindung‘ von verborgenen Reliquien in Trier, St. Paulin ebd. S. 110. Allgemein Martin Heinzelmann, Translationsberichte und andere Quellen des Reliquienkultes (= Typologie des sources Fasc. 33), Turnhout 1979, S. 83ff.
  4. Dazu Renate Neumüllers-Klauser, Zur Problematik epigraphischer Fälschungen, in: Ex ipsis rerum documentis. Beiträge zur Mediaevistik. Festschrift Harald Zimmermann. Sigmaringen 1991 S. 173–184.

Nachweise

  1. Annales Hirsaugienses I p. 42f., p. 188f.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 183† (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0018300.