Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 174 Effringen (Stadt Wildberg), ev. Pfarrkirche St. Maria 1502

Beschreibung

Bauinschrift an der Westwand neben dem Portal. Umlaufende Schrift auf einer Platte aus rotem Sandstein. Linke untere Ecke abgeschlagen.

Maße: H. 127, B. 72, Bu. 8,5–9,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel (Spätphase).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. ANNO · DO/MINI · M CCCCC/II · IST / [DI]S LANCKWERC

Kommentar

Die Schrift zeigt Formen, die noch der späten gotischen Majuskel zuzuordnen sind: Abschlußstriche bei C, E, M, unziales T; daneben stehen völlig ungotische Formen: N als einfacher Bogen, A einmal in gleicher Form mit Querstrich, I in Kapitalis (mit Punkt), deren Vorbild auch K (hier in Form des grch. Kappa) und R folgen. Deutlich wird der Widerstreit im W, dessen Grundform (zwei ineinandergeschobene V) durch eine rundbogige ‚Fassung‘ sozusagen in eine unziale Form überführt wird. Vergleichbare Schriften aus der Zeit des Übergangs von der Gotik zur Renaissance lassen sich auch andernorts nachweisen1. Sie dokumentieren nicht Unvermögen, sondern sind Zeugnis für einen Übergangsstil, der neue Schriftformen zwar kennt, aber sie noch nicht ohne Schwierigkeiten anwenden kann. Der Baumeister hat vermutlich die Schrift selbst eingehauen2.

Die sehr großformatige Majuskelschrift entspricht in der Anordnung dem Typus einer Grabplatte, vielleicht in bewußter Ablenkung von ihrem Inhalt als Bauinschrift, mit der die Errichtung des Langhauses (hier als LANCKWERC bezeichnet) dokumentiert wurde. Die Formulierung ist ungewöhnlich, zu erwarten wäre noch ANGEFANGEN bzw. GEENDT oder VOLLENDT (eher wohl letzteres); vermutlich ist eine lateinische Fassung (… es hoc opus) Vorbild gewesen. Möglicherweise führte auch Platzmangel dazu, daß IST hier im Sinn eines Vollverbs verstanden werden muß.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu R. Fuchs, Wormser Inschriften S. 96–98 mit Abb. 49–51, die ähnliche Formen zeigen, ferner ders., in: Koch, Epigraphik 1988, S. 331–336.
  2. Die Zuweisung an Hans von Heimsheim (Paulus a. a. O., ihm folgend Dehio S. 97) ist kaum haltbar; Dehio a. a. O. bezeichnet den Stein als Grabplatte, OAB Nagold S. 156 als ‚Nicht zu entziffern‘.

Nachweise

  1. Paulus, Schwarzwaldkreis S. 164.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 174 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0017401.