Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 129 Bad Herrenalb, Klosterkirche St. Maria 1478

Beschreibung

Schlußstein im Chorgewölbe des spätgotischen Chorneubaus. Kreisförmiger Stein im Netzgewölbe des Chores. Vor dem Hintergrund eines Dornengeflechts ist die skulptierte Figur eines nackten Jesuskindes dargestellt, das in seiner Größe den Durchmesser des Schlußsteines füllt. In den Händen hält es ein mehrfach gefälteltes Schriftband, um den Hals ist eine Perlenkette gelegt. Der Schlußstein ist mehrfach restauriert, zuletzt im Jahr 1978.

Maße: Dm. ca. 100 cm, Bu. 8–10 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. anno · d(o)m(ini) · 1 4 7 8 · ihu (= ie(s)u)a) · nazareno ·

Kommentar

Die Worttrenner sind als paragraphenförmige Zierpunkte dargestellt, die Ziffern 4 und 7 in der spätgotischen Form.

Die Bauinschrift an dem zentralen Schlußstein bezeichnet den Abschluß der Bauarbeiten am spätgotischen Chor unter Abt Nikolaus Wagenleiter. Der Wortlaut mit dem befremdenden Kürzungsstrich über dem u wiederholt sich in der gleichen Form eingemeißelt in einer Bauinschrift des Herrenalber Pfleghofes in Merklingen, der ebenfalls 1478 unter Abt Nikolaus erbaut wurde1. Eine gleichlautende Inschrift am Herrenalber Pfleghof in Vaihingen an der Enz aus dem Jahr 1476 zeigt ebenfalls das auslautende u, aber ohne Kürzungsstrich2. Man wird davon ausgehen können, daß der Steinmetz einen u-Bogen der handschriftlichen Vorlage mißverstanden hat, da sich die gleiche Form an zwei Inschriften wiederholt.

Die Jahreszahl ist vielfach verlesen worden und führte zur Datierung des spätgotischen Chores auf das Jahr 14283; die Unstimmigkeit der Bauformen zu diesem Datum ist erst in jüngster Zeit berichtigt worden4.

Textkritischer Apparat

  1. Das u trägt einen Kürzungsstrich. Mißverständnis des ausführenden Steinmetz oder Zutat der Restaurierung?

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu künftig Die Inschriften des Landkreises Böblingen (in Bearbeitung).
  2. DI 25 (Ludwigsburg) nr. 110, Abb. 35.
  3. Seilacher, Herrenalb S. 38; Kottmann S. 10 und 12.
  4. Kohler S. 87ff.

Nachweise

  1. Kohler S. 88.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 129 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0012903.