Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 112† Hirsau, Klosterkirche St. Peter und Paul nach 1460

Beschreibung

Figurengrabmal oder Glasgemälde des Abtes Bruno von Beutelsbach († 1120). Nach dem Bericht bei Rainolt stand ein Grabmal im nordöstlichen Nebenchor der Kirche an der Wand zur Allerheiligenkapelle: ‚Item Beati Brunonis comitis Wirtembergensis et Abbatis hic etiam ex lapide. Librum et manu sinistra baculum gestat, supra eius insignis sunt‘1.

Eine Abbildung (Kupferstich) bei Sattler gibt angeblich dieses Grabmal wieder und zitiert eine Inschrift2.

© Sattler, Historische Beschreibung, Fig. 2. [1/1]

  1. Hirsaugae quondam Bruno venerabilis AbbasA Wirtemberga qui fuit arce Comes.

Übersetzung:

Der verehrungswürdige Abt Bruno von Hirsau, einstmals Graf von Württemberg.

Wappen:
Württemberg

Kommentar

Die Darstellung von Sattler weicht von der Beschreibung bei Rainolt ab. Das Wappen steht hier zu Füßen des Abtes, während Rainolt es über der Figur sah. Das verstärkt das Mißtrauen gegenüber der Darstellung, die in anderen Quellen auch als Glasgemälde des Abtes in Hirsau bezeichnet wird3. Es läßt sich durch die Überlieferung bei Crusius, Rainolt und Sattler belegen, daß es dieses Grabmal in Hirsau gab, eine getreue Wiedergabe des Denkmals hat Sattler sicher nicht beabsichtigt; daher ist auch fraglich, ob der Text (Distichon) in dieser Fassung eine Inschrift wiedergibt. Für ein Totengedächtnismal wäre sie ungewöhnlich, weil der Todestag fehlt; zu einem Glasgemälde könnte sie eher passen. Andererseits lassen sich beide Möglichkeiten nicht ausschließen: von Abt Bernhard ist überliefert, daß er 1460 bei der Beisetzung seines Vorgängers Wolfram Maiser das Grab Abt Brunos öffnen ließ, das vor dem Laurentiusaltar lag4. Er habe den Körper und die Gewänder des Abtes unversehrt gefunden und neu beigesetzt. Aus diesem Anlaß könnte in der Nähe der Gruft das Figurengrabmal aufgestellt worden sein, denn ein unversehrter Leichnam war ein unzweideutiges Zeichen für hohe Verdienste des Verstorbenen, das sogar den Ruf der Heiligkeit begründen konnte: Rainolt bezeichnet ihn als ‚beatus‘, die Beischrift zur Darstellung nennt ihn venerabilis. Die historische Situation im deutschen Südwesten war im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts gekennzeichnet durch den Aufstieg Württembergs zu einer führenden Territorialmacht, und die ‚Inanspruchnahme‘ des Hirsauer Abtes Bruno von Beutelsbach als Angehörigen des württembergischen Hauses dokumentiert das wachsende Selbstverständnis des Geschlechts5.

Bruno von Beutelsbach war nach dem Codex Hirsaugiensis der fünfte Abt von Hirsau, vorher Kanonikus in Speyer. Über seine Abstammung (Beutelsbach, Württemberg?) schweigt der Kompilator des Codex Hirsaugiensis, er bezeichnet ihn nur als Bruder eines mächtigen Mannes in Schwaben (‚Nam frater eius vir potens erat inter Suevigenas, de quorum stirpe descenderat‘).

Anmerkungen

  1. Rainolt fol. 117. – Auch Martin Crusius, Annales Suevici Lib. IX partis II p. 311 erwähnt dieses Grabdenkmal: ‚Hodie statuam eius in templo Hirsaugiensis lapideam erectam videmus pulchram‘; von einer Inschrift überliefert er nichts.
  2. Sattler, Historische Beschreibung Bd. I S. 23, B. II S. 263 und Fig. 2. – Eine weitere Überlieferung in der Handschrift HStAStuttgart J 1 – 416, fol. 16r (Kurze Geschichte von Hirsau) aus dem 18. Jahrhundert.
  3. Decker-Hauff, Geschichte der Stadt Stuttgart S. 111.
  4. Annales Hirsaugienses II p. 440.
  5. Vgl. Dieter Mertens, Beutelsbach und Wirtemberg im Codex Hirsaugiensis und in verwandten Quellen, in: Person und Gemeinschaft im Mittelalter (Festschrift Karl Schmid), Sigmaringen 1988, S. 455–475. – Gerhard Raff, Hie gut Württemberg allewege. Das Haus Württemberg von Graf Ulrich dem Stifter bis Herzog Ludwig. Stuttgart 1988, S. 339ff.

Nachweise

  1. Weizsäcker, Baugeschichte S. 33.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 112† (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0011201.